Der Tanz

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Mein Atem hing in schweren Abständen und meine Hände zitterten vor Aufregung. Es war das erste Mal, das ich vor so einer großen Menge tanzen durfte. Und das auch noch alleine. Das hieß, ohne Partner. Und ohne Hilfe, wo ich doch gerade erst wegen meines Beinbruchs vor zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurde und nur zwei Schritte halbwegs auswendig konnte. Die Pirouette und das Verbeugen am Schluss. Das nennt man wohl einen 'Scheiß-Tag haben'. ,dachte Ich mir insgeheim, sprach meine Gedanken jedoch nicht laut aus, da meine Managerin hinter mir stand und mir zulächelte. Aber es war kein warmes, freundliches Lächeln, sondern eher von der Sorte Lächeln, das einem Blut in den Adern gefrieren ließ. So eins, das dir klar machen wollte: "Wenn dir heute auch nur ein klitzekleiner Fehler passiert, sorge Ich eigenhändig dafür, dass du nie wieder einen Job irgendwo bekommst". Und ihre smaragd- grünen Katzenaugen machten es nicht wirklich besser. Trotzdem ließ Ich ebenfalls ein Lächeln über meine Lippen gleiten und strahlte sie vom riesigen Spiegel in meinem Umkleideraum aus an: "Ich werde mir heute entsprechend viel Mühe geben, liebe Saskia!" "Aber überanstrenge dich nicht wegen deinem Bein, Flora.", säuselte sie in einer ekelerregend lieblichen Stimme zurück. Gott, wie ich diese Frau hasste. Für meine Wenigkeit waren Menschen wie sie nix weiter als ein Dorn im Auge. Ich nickte knapp, blickte über meine rechte Schulter und blinzelte Saskia mit einem fragenden Blick an: "Willst du noch etwas? Wenn nicht, dann geh bitte. Ich muss mich weiter fertig machen" Saskia spitzte ihre Lippen argwöhnisch (Apropos, die waren mal wieder sehr unauffällig in einem tiefen dunkelrot geschminkt. Die 32 Jährige sah sowieso schon aus, wie die genaue Kopie von Madonna aus, wieso dann noch so viel Schminke??) und lachte dann kurz  auf. "Selbstverständlich Flora! Sag bescheid, wenn du mich brauchst.", trällerte sie in ihrer schrillen Barbie-Stimme und verschwand im nächsten Moment hinter der hölzernen Tür, die einst mein Onkel hat für mich anfertigen lassen. Ich seufzte erst einmal tief durch. Diese Ruhe tat mir gut. Kein ständiges Rumgenörgele, keine lästige Stimme, die mich immer wieder kritisierte... Diese Ruhe wollte Ich nun für mich nutzen und packte mein Handy aus einem Rucksack, der am Ende des Raumes lag. Damit ging Ich wieder zurück vor den Spiegel, zog mein neues Bühnenkleid an -es war weiß mit schwarzen Ärmeln und einer schwarzen Schleife mit großen Köpfen am Rücken- und schaltete die Musik an. Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl, so unbeschwert lauschen zu können. Meine Sinne verloren sich immer mehr in den wunderschönen Klängen, bis Ich letztendlich eins mit dem Rhythmus wurde. Für den Moment gab es nichts, außer mich und die Musik. Wie von selbst begannen meine Füße, elegant von einer Seite zur anderen zu gleiten. Mein Handy vibierte zweimal, doch meine Ohren wollten es nicht wahrhaben und ignorierten alles um sich herum. Mir fiel nach einer Weile auf, dass Ich gerade unbewusst den Tanz für den heutigen Abend tanzte, aber Ich tanzte weiter. Währenddessen bemerkte Ich nicht, dass die Tür geklopft hatte und sich ein brauner Lockenkopf -meine Tante übrigens- durch diese schob: "Flo, du bist...gleich..dran..." Sie starrte mich mit offenem Mund an. War mir auch egal. Diese letzten Minuten sollte Ich in allen Zügen genießen und niemand sollte mich dabei unterbrechen können. "Flora...Du kennst ja doch die Schritte", hauchte meine Tante bewundernd.  "Ja..." Dann sah sie mich doch besorgt an: "Glaubst du, du kriegst das hin?" Ich stoppte und blickte sie warm an. "Klar! Ich schaff' das schon!"

Als Ich dann auf der Bühne stand, applaudierte das Publikum. Einige Leute pfiffen sogar. Ich nahm einen tiefen Atemzug, wartete, bis die Musik anging...und legte los.

PS.: Nein, das war nicht Ich, sondern eine sehr gute Freundin aus der Grundschule und die ist echt begabt! Ich hab bloß die Namen geändert.

Blumensee \\(^~^)//



One Shots & NominierungenWhere stories live. Discover now