Das Monster

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Diese Geschichte ist für Leser unter 13 Jahren nicht geeignet. Ich habe euch gewarnt.

Und da stand sie.
Ihr Gesicht, oder das, was davon übrig geblieben war, war völlig zerstört. Eine riesige Narbe verlief quer von ihrer Schläfe über ihr linkes Auge, die Nase und die Lippen, bis zu ihrem Kinn. Das linke Auge war blind und lidlos, für immer halb geöffnet, der Augapfel darunter weiß und verschleiert. Die Nase war gespalten, der Mund verzerrt und bis zu den Knochen aufgerissen. Jemand hatte sie zusammennähen wollen, war jedoch kläglich gescheitert. Die Narbe war wulstig und entzündet; man konnte jedes Einstichloch der Nadel erkennen und alle Einschnitte, wo die Nähte verknotet wurden. "Mama...", hauchte Tessa und sank erschrocken auf ihre Knie. Tränen liefen ihr über ihre Wangen, als sie ihre Mutter sah- zumindest das, was von ihr übrig geblieben war. Bitte, sieh' mich nicht an. Ich bin ein Monster geworden; ein Etwas, war verdient hat, zu sterben. Marina verdeckte vor Scham ihr entstelltes Gesicht und wich einige Schritte zurück, als ihre Tochter zitternd eine Hand nach ihr ausstreckte. Tessa knirschte verbittert mit den Zähnen, wischte sich die Tränen weg und stand wieder auf. "Wer hat das angestellt?", knurrte die 16- Jährige. Marina wollte etwas erwiedern, doch die Mutter brachte nicht mehr als ein Röcheln zustande. Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ein kleines Schild, das am Ende des Hügels stand: ZUM BLAUEN TIGER. Und da traf es Tessa wie ein Blitz. Das ' Zum Blauen Tiger' war ein altes, leerstehendes Hotel, dessen Besitzer ihr eigener Vater war. Und der war zudem ein Wissenschaftler, der gerne mit Menschen experimentierte. Marina wrimmerte kläglich und machte ihre Tochter auf weitere Narben am rechten Arm aufmerksam. Auch diese waren entzündet und gelbliches Eiter quoll aus mehreren Stellen hervor. "Ich bringe diesen Mistkerl um! Er wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein!!", schrie Tessa wutentbrannt auf. Ihre 27- Jährige Mutter nickte. In ihrem gesunden Auge loderte nun ein Feuer der Rache. Sie wollte Vergeltung, selbst wenn noch mehr Blut fließen musste. Als ob Tessa ihre Gedanken lesen konnte, fügte der Teenager düster hinzu: "Vater muss für das bezahlen, was er angerichtet hat. Und zwar mit seinem Leben."

Als die beiden Frauen am Hotel 'Zum Blauen Tiger" angekommen waren, konnte Tessa ihre wahnsinnige Mordslust nur mit viel Mühe unter Kontrolle halten. Sie steckte ihren Dolch, der mit Leder umwickelt war, in ihre linke Hosentasche und holte ihren Revolver heraus. "Das Ding könnte uns behilflich sein.", murmelte Tessa grinsend, während sie die Pistole sorgenlos hin und her jonglierte. Marina wunderte sich, woher diese Waffen stammten, doch sie zuckte nur mit den Schultern und beließ es dabei. "Und du", sagte Tessa und drückte ihrer jungen Mutter ein scharfes Taschenmesser in die Hand, "benutzst das zur Sicherheit." Marina betrachtete es skeptisch, bevor sie den Griff fest umklammerte und zustimmend nickte. Das ihre Tochter so besessen vom Töten war, machte ihr etwas Angst, doch gleichzeitig spürte sie eine Art von Befriedigung sich in ihrem Körper ausbreiten. Die Beiden liefen angespannt und kampfbereit die Wendeltreppe hoch, bis sie vor dem Büro des berühmt berüchtigten Wissenschaftlers Casper Hasting ankamen. Tessa's Vater. Die Tür war vermodert und hatte viele kleine Stellen, aus denen winzige Maden hervor quollen. Riesige Blutflecken waren auf dem verrosteten Türgriff zu sehen. "Also gut... Dann wollen wir mal sehen, was uns hier erwartet.", seuftzte Tessa und öffnete die Tür. Das Büro sah vollkommen normal aus. Es hatte einen Schreibtisch, auf denen mehrere Stapel Papiere lagen. Eine dunkelrote Lampe, die von der Decke hing, tauchte das weiße Zimmer in ein warmes Rot ein. In einem dunkelbraunen Regal stapelten sich mehrere Trophäen und Urkunden, die der Vater während seiner Karriere erhalten hatte. Marina blieb jedoch genau wie ihre Tochter unbeeindruckt und durchwühlte alles. Nach einer Weile flüsterte Tessa lächelnd: "Ich hab's." Sie nahm ein wandgroßes Gemälde von der Wand, das sie und ihre Eltern auf einem Bootstrip zeigte, und schmiss es rücksichtslos auf den Boden. Hinter diesem Bild war eine Geheimtür versteckt. Als Marina neugierig zu ihrer Tochter trat und Tessa mit dem Revolver in der einen Hand die Tür öffnete, mussten  die Frauen kräftig schlucken. Da stand er. Casper Hasting, in eine hintere Ecke gedrängt, angsterfüllt, verzweifelt und umzingelt von mehreren Menschen. Wenn man sie noch so bezeichnen konnte. Wie bei Marina waren sie völlig entstellt und wiesen auf dem ganzen Körper ernsthafte Verletzungen hervor. Sogar Kinder waren unter den Opfern. "Sieht aus, als hätten wir Verstärkung.", behauptete Tessa und kicherte. Marina versuchte erneut, etwas zu sagen: "Dann...lass....uns...los...legen!", der Wind pfiff ihr durch ihre offenen Wangen. Casper blickte auf, als er die Stimme seiner Frau hörte. "Marina, Tessa! Helft mir bitte!", bettelte der Wissenschaftler. In seinen Augen lag keine Bitte, sondern pure Angst und Verzweiflung. Tessa grinste, als ein Mann ohne Nase ihrem Vater gewalttätig ein Ohr ausbiss, während dieser schmerzerfüllt aufschrie. Es war ein angenehmes Gefühl, den Mann, der mit seiner eigenen Frau und weiteren Menschenleben experimentiert hatte, in einem solchen Zustand vorzufinden. Mehrere Personen drängelten hasserfüllt sich auf Casper Hasting und rissen, bissen und schnitten ihm Dinge heraus, die ganz sicher nicht mehr nachwachsen würden. Marina hatte auf einmal ein mulmiges Gefühl im Magen. Ihr Mann war sogar schlimmer zugerichtet als sie selbst. Tessa sah eine Weile zu und murrte angewidert: "Nun sieht er so aus, wie er schon immer gewesen ist: unmenschlich und ekelhaft. Aber das ist noch nicht genug." Marina blickte ihre Tochter ungläubig an. Tessa starrte das Trauerspiel weiterhin ohne jegliches Mitgefühl an, als sie mit finsterer Miene antwortete: "Er hat dein und mein Leben schon mehr als einmal auf's Spiel gesetzt und jetzt auch das dieser Menschen. Wer weiß, wie viele Leben Vater schon auf dem Gewissen hat? Vielleicht wärst du heute ebenfalls draufgegangen, Mom. Dieses Schwein kann das alles nur mit einer Sache wiedergut machen: Mit seinem Tod. Und selbst dann werden die Opfer und Du immer noch an den Nachfolgen leiden müssen." Tessa's Rede ließ Marina noch hungriger auf den Tod von Casper werden. Sie hatte Recht: Er musste sterben. Und zwar noch heute. Marina holte mit ihrem Taschenmesser aus und traf zielsicher auf das linke Auge des Täters. Blut lief ihm seine Wange herunter. "Du miese Hure!!! Wie kannst du es wagen, mir das anzutun?!!", kreischte der wahnsinnig gewordene Wissenschaftler. Und das ist erst ein kleiner Vorgeschmack, dachte sich Tessa amüsiert. Sie warf einem der Menschen ihren Dolch hin, der dieses geschickt auffing und in das rechte Auge stach. Ein weiterer, ohrenbetäubender Schrei war zu vernehmen. "Aus dem Weg. Ihr hattet euren Spaß, wir sind dran." Alle machten Platz, als Tessa und Marina an ihnen böse grinsend vorbeistolzierten. "Heyy, Daddy! Hast Du uns vermisst?", fragte Tessa mit einer zuckersüßen Stimme. Casper Hasting schüttelte verzweifelt den Kopf. Doch er hielt augenblicklich still, als ihm seine eigene Tochter ihm eine Waffe auf den Kopf richtete. "Irgendwelche letzten Worte?" Der Mann wollte etwas erwidern, doch durch den ganzen Schmerz waren seine Stimmbänder wie gelähmt. "Nein? Bist Du dir sicher?", fragte Tessa gespielt verwirrt, "...Na schön. Ich dachte, es würde mehr Spaß machen, dich zu töten. Aber wie du willst." Sie drückte ohne Zögern auf den kleinen Auslöser. Ein gewaltiger Schuss ertönte und Casper Hasting lag tot auf dem kalten Fußboden. Ein riesiges Loch, das in nur kurzer Zeit von Blut und Eiter überzogen war, trohnte auf seinem Kopf. Auf den Wänden waren überall Blutspritzer verteilt, die zum Boden herunterliefen. "Es ist vorbei. Das Monster ist tot", flüsterte Tessa und blickte ihre Mutter warm an, die ihren Blick erwiederte. Sie hatte ein weiteres Mal Recht: Das Monster war tot.

Woohoo! Ich wusste am Anfang gar nicht, dass ich sowas schreiben kann!

Blumensee

One Shots & NominierungenWhere stories live. Discover now