Unter dem Schleier

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Hi. Mein Name ist Aysel Najiba, ich bin Iranerin, bin 18 Jahre alt und lebe seit neun Jahren in München. Und außerdem trage Ich seit Ich denken kann, etwas, das an eine Art Gardine für's Gesicht erinnert. Meine Eltern nennen das religiöser Schleier, Ich nenne das eine selbstverständliche Abschreckung von Menschen in meiner Altersklasse. Also, nur kurz zur Erleuchtung, dieses Teil verschreckt echt alles Lebendige im Umkreis von einem Kilometer. Und das Ding vor meinem Gesicht hat auch dafür gesorgt, dass nie jemand etwas mit mir zutun haben wollte, weder die Mitschüler, noch meine Lehrer. Also für mich ist das natürlich die reinste Qual, für meine Eltern die Möglichkeit, mich dazu zu bringen, dass Ich mich in der Schule mehr anstrenge und mich auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentriere. Lernen eben. Aber hey, sicher zwingen sie mich zu sowas. Ist ja nicht so, dass meine Wenigkeit einen Einserschnitt in jedem Fach hat, wenn man Sport nicht dazu zählt. Aber jetzt wieder zurück zum Schleier: Klar fragen sich manche von euch "Wieso ziehste des Ding nich' einfach aus? Bist ja schon volljährig!" Erstens lebe Ich noch bei meiner Familie, die ungefähr eine ganze Fußballmannschaft ersetzen könnte, und verdiene noch kein eigenes Geld. Zweitens, versuch mal, einem streng gläubigen Moslem weis zu machen, du bräuchtest keine Burka (so heißt diese Monströsität (hab's zumindest mal irgendwo gelesen) ). Drittens, gilt der Schleier entweder als Zeichen von Reinheit und Unschuld und Religiosität oder es zeigt, dass du schon vergeben bist. Ich bin weder noch und muss trotzdem mit einem Schleier rumlaufen, der mich von der Außenwelt abtrennt.

So, jetzt aber genug von mir, denn nun kommen wir zu der eigentlichen Geschichte:

Es war an einem 17. März, soweit Ich mich erinnere. Damals war Ich mit meiner Mutter auf dem Weg zum Olympiapark. Ohne Schleier. Weshalb? Ganz einfach. Der Schleier wurde in diesem Jahr in Deutschland entgültig abgeschafft!! Ich freute mich riesig. Es hieß zwar nicht, dass Ich jetzt einfach ohne Kopftuch herumlaufen konnte. Nein, das würde meiner Mutter und meinem Vater gar nicht in den Kram passen. Aber nun würde mich jeder Mensch anhand meines Gesichts erkennen. Ich war nicht mehr die "Eigenartige". Ich war in den Augen der Bürger normal. Also, als meine Mutter und Ich gerade mal am Olympiapark angekommen sind, entdeckte Ich zwei Frauen, die eine Burka trugen. Sie saßen auf einer Bank und unterhielten sich auf arabisch: "Ich glaube es ja nicht! Guck dir mal an, wie viele unbetuchte Frauen hier herumspazieren! Das ist ja haram, dieses Land! (Haram ist ein anderes Wort für Sünde) " Um sie herum waren weitere Leute, die über sie tuschelten. Ich hörte solche Dinge, wie: "Scheiß Ausländer. Kennen die unsere Regeln nicht?" "Sollen die doch bleiben, wo der Pfeffer wächst!" Meine Mutter packte mich sanft am Arm, um zu verhindern, dass Ich gleich auf diese Menschen los sprang und ihnen die Augen auskratzte. "Ich versuche mal, mit den Frauen zu reden.", versprach sie mir. Dann schlenderte meine Mutter zu ihnen hin und sprach mit ihnen, auf arabisch, versteht sich: "Ihr dürft keine Burka mehr tragen, das ist verboten worden." "Als ob!", zischte die ältere Frau mit Schleier, "Was weißt du schon, du Ungläubige!!" Meine Mutter trat einen großen Schritt zurück und blickte die Musliminnen scharf an. "So lasse Ich nicht mit mir reden", stellte sie klar, bevor sie wieder zu mir stolzierte. "Lass ihnen ihre Zeit, um das zu verstehen, Liebes.", erklärte sie mir sanft. Ich blickte ein letztes Mal zu den Frauen, dann nickte Ich bedauernd. "Dann lass uns weitergehen", seufzte Ich.

Blumensee
Ich hatte eigentlich vorgehabt, gestern dieses Kapitel zu veröffentlichen, doch dann ging es mir nicht so gut.

Ciao

One Shots & NominierungenWhere stories live. Discover now