Die Stadt der Amaren

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Warmer Rasen berührte meine Hände, Arme und Beine. Ich strich darüber, bis mir einfiel, dass ich doch eigentlich eine lange Hose trug und somit die Grashalme gar nicht spüren konnte. Ich riss meine Augen auf und schaute nach. Für einen kurzen Moment erschrak ich, als mein Blick von meinen nackten Füßen, hoch zu einem kurzen Rock schwankte. Das letzte mal hatte ich einen vor drei Jahren auf der Hochzeit meiner Tante getragen. Dieser hier war rot und gewellt. Beruhigt lehnte ich mich wieder zurück, legte meine Hände auf den Bauch und strich über den Stoff meines Oberteils. Es lag ziemlich eng an, war beigefarben, hatte weiße Rüschen und rote Schleifen. Ich atmete Tief ein - die Luft roch nach Blumen und frisch gemähtem Rasen. In der Realität war es grade Winter und echt nicht schön draußen - aber hier - hier war das Wetter perfekt. So hätte ich noch ewig herumliegen können, aber dafür war ich ja schließlich nicht da. Langsam setzte ich mich auf und schaute mich um. Über mir erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel - so unendlich weit, wie der Ozean. Mein Blick wanderte weiter herunter, zu der Wiese, auf welcher ich saß. Plötzlich hielt ich die Luft an. In einem Abstand von ca. zwei Metern hörten die Grashalme einfach auf. Vorsichtig kroch ich an den Rand und schaute hinunter. Was ich sah war unglaublich - genau unter mir schaute eine riesige Stadt hervor. Meine Knie wurden weich und ich fing an zu zittern. Schnell sprang ich zurück in die Mitte der schwebenden Insel, auf welcher ich mich befand. Ich schaute zur Seite und bemerkte, dass dort weitere Inseln waren. Etwas weiter weg konnte ich einen Jungen erkennen, welcher vor einem Schild stand und dieses betrachtete - warte mal, einem Schild? Ich drehte mich im Kreis und bemerkte ein (mehr oder weniger) unübersehbares Holzschild hinter mir. Auf dem eingraviert war: Willkommen bei den Amaren. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, befinden Sie sich, zu Ihrer eigenen Sicherheit, auf einer kleinen Insel. Nebenwirkungen des ersten konvertierens wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel können durchaus vorkommen. Bei anderen Symptomen bitte umgehend eine Krankenstation aufsuchen. Sie bekommen nun eine Anfangswaffe, welche sich in Ihrem Inventar befinden wird. Für weitere Fragen können Sie das Menü öffnen, indem Sie: "open Menü" sagen. Wir werden Sie umgehend nach unten teleportieren, wenn Sie diese Nachricht mit "okay" bestätigen.
                             Okay.
Ich tippte das Okay an, woraufhin es einmal aufblinkte und im nächsten Augenblick stand ich schon inmitten einer lebendigen Stadt. Ich kam mir vor wie in einem Anime - ein echt ulkiges Gefühl! Überall freundlich aussehende Leute mit großen Augen, glatter Haut, langen Haaren und schönen bunten Kleidern. Ich stand mitten auf einem riesigen Marktplatz, mit dessen warmen Steinen ein hübsches Muster gelegt wurde. Erst jetzt, im stehen, bemerkte ich, wie lang meine eigenen Haare tatsächlich waren. Diese braunen Locken hingen bis zur Hüfte an mir herunter und glänzten im grellen Sonnenschein. Direkt gegenüber von mir stand ein großer Turm, auf dem eine mächtige Uhr thronte. 19:45, zeigte sie an. Mist! Ich kam zu spät zum Essen.
"Menü", sagte ich, doch nichts geschah.
"Achso, open Menü!"
Vor mir erschien eine Nachricht:

Ich schaute mich nochmal um, atmete die blumige Luft ein und drückte dann schweren Herzens auf "Spiel verlassen"

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Ich schaute mich nochmal um, atmete die blumige Luft ein und drückte dann schweren Herzens auf "Spiel verlassen".

Einige Sekunden später begriff ich, dass meine Augen zu waren, schlug sie wieder auf und schaute durch das abgedunkelte Visier vom Helm. Als ich den Helm absetzte und mich im Bett aufrichtete, bekam ich Kopfschmerzen - die besagten Nebenwirkungen. Ich dachte zwar, man könnte diese nur im Spiel bekommen, aber anscheinend war das auch so möglich. Plötzlich platzte meine Mutter herein.
"Sue! Hatte ich nicht 19:30 gesagt? Das Essen wird kalt!"
"Ist ja gut, ich komm gleich... Ich... mein Kopf..." , stammelte ich verwirrt.
"Beeil dich."
Ich seufzte, ohne Zweifel befand ich mich wieder in der normalen Welt. Dennoch versuchte ich mich zu sammeln und taumelte ins Bad. Dort angekommen ließ ich das Waschbecken voll laufen und hielt mein Gesicht in das kühle Wasser, welches den Schmerz vertrieb. Fünf Minuten später traf ich in der Küche ein und wer hätte es gedacht - alles war so wie immer - langweilig. Mein Vater saß mit seiner Zeitung am Küchentisch. Mein Bruder spielte mit seinem Essen, machte Quatsch und meine Mutter saß verärgert daneben und versuchte ihm beizubringen, dass man sein Essen isst, weil die armen Leute da draußen nichts haben. Ich setzte mich daneben und aß Nudeln aus der Verpackung vom Chinarestaurant, welche inzwischen kalt waren.

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