Theorie

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Die Tür war nicht abgeschlossen und als ich anklopfte, sprang sie auf. Wir schauten durch den Türspalt, welcher sich geöffnet hatte.
Auf der anderen Seite saß eine Frau, wahrscheinlich eine Sekretärin. Woran wir das erkannten? Sie hatte ihre dunklen Haare zu einem Dutt zusammengebunden, trug kein glitzerndes Outfit sondern eine weiße Bluse und eine Brille. Sie saß an ihrem Schreibtisch und schaute uns an - was mir jetzt erst auffiel.
"Hallo, kommt doch rein.", sagte sie freundlich.
Wir betraten das Zimmer - ein heller Raum und irgendetwas daran erinnerte mich an den Empfang einer Zahnarztpraxis.
"Was kann ich für euch tun?"
"Kann man hier Kurse besuchen?", fragte Elisa vorsichtig.
"Ja natürlich", sie kramte in verschiedenen Akten herum und zog eine davon hervor, "Ihr seht mir noch sehr unerfahren aus, was haltet ihr von dem Anfängerkurs?"
"Ja, bitte", platzte es erleichtert aus mir heraus.
Sie schlug die Akte auf und blätterte darin herum.
"Okay gut, dann lasst mich mal nachschauen... Ah ja - ihr scheint Glück zu haben, der nächste Kurs beginnt in fünf Minuten. Das wären dann für jeden von euch 7 Gold."
Elisa und ich schauten uns verzweifelt an. Geld? Wo bekamen wir denn jetzt Geld her? Sogar in Reallife war ich pleite, mein letztes Taschengeld hatte ich für dieses Spiel ausgegeben.
"Macht euch keine Sorgen. Anfangs bekommt jeder neue Spieler 30 Gold als Startkapital. Das Bezahlen ist ganz einfach. Ihr müsst nur euer Armband auf dieses Ding hier legen und bestätigen." Mit ihrer rot lackierten Hand machte sie eine schwingende Bewegung, woraufhin neben ihr eine durchsichtige Scheibe erschien, auf welcher geschrieben stand:
Bitte scannen sie ihre ID ein.
Elisa war zuerst dran. Sie drückte ihren Arm mit dem Armreif an die Scheibe und ein roter Lichtstrahl scannte es. Ich schaute meinen eigenen Arm an - bis jetzt war mir noch gar nicht aufgefallen, dass ich einen Armreif besaß. Er schlang sich mit goldenem Metall um meinen Arm und in seiner Mitte befand sich ein winziger Diamant. Nachdem ich wiederholt hatte, was Elisa tat, sagte die Frau hinter dem Schreibtisch: "Nun gut, beeilt euch, zum Anfängerkurs geht es da entlang.", und zeigte auf eine alte Holztür, rechts neben mir. Wir bedanken uns nochmal, drehten uns um und öffneten vorsichtig die knarrende Tür.
Was danach passierte, hätten wir beide nicht erwartet.
Auf der anderen Seite der Tür befand sich nämlich nicht wie erwartet ein kleiner Vorlesungsraum, sondern nichts - nichts! Nein, da wo eigentlich der Eingang sein sollte, befand sich eine Wand. Die Tür diente wohl nur zur Dekoration oder sollte das schon wieder ein schlechter Scherz sein? Elisa und ich schauten uns verwirrt an.
"Will die uns verarschen?", flüsterte ich.
Elisa zuckte die Schultern.
Noch bevor wir uns wieder umdrehen und nachfragen konnten, packte mich etwas an den Schultern und schob mich auf die Wand zu.
"Ah, halt!", schrie ich und versuchte mich zu wehren, indem ich meine Hände gegen die Wand stemmte. Doch ich fand keinen Halt und stolperte durch sie hindurch - ja du hast richtig gehört, ich stolperte durch die Wand! Meine Ellenbogen federten den Sturz ab, doch kaum hatte ich mich aufgerappelt, sprang mir jemand in den Rücken - Elisa. Zusammen fielen wir wieder hin.
"Ahh! Oh, das tut mir leid, Sue.", piepste sie verlegen, nachdem sie aufgestanden war.
"Kein Problem.", hustete ich.
Pflastersteine hatten zwar meine Hände und Knie aufgeschürft, doch das schmerzte erstaunlich wenig - um genau zu sein hatte ich fast gar nichts gespürt. Elisa tippte mir auf die Schulter.
"Sue..."
"Ja?"
"Sicher, dass alles in Ordnung ist?", fragte eine Männerstimme - warte mal, Männerstimme?!
Ich schaute hoch. Vor mir stand ein großer Mann in einer schweren Metallrüstung. Mit einer Hand stützte er sich auf ein Schwert und die andere hielt er mir hin.
Wo war der denn hergekommen? Plötzlich fiel mein Blick hinter ihn, auf eine riesige Tribüne, gefüllt mit Menschen. Was? Wo kam die denn her?! Manche lachten oder verkniffen es sich. Ich muss wohl ziemlich erbärmlich ausgesehen haben, als ich da so saß, denn der Typ vor mir packte mich und stellte mich vorsichtig auf die Beine.
"Ähm danke.", stammelte ich, deutlich verwirrter über diese Situation, als über die Wand, welche keine Wand war.
"Ihr kommt genau richtig, ich wollte grade mit dem Kurs beginnen.", sagte er und wendete sich wieder seinem Publikum zu.
"Nun gut, ich bin Curtis, und werde euch die wichtigsten Regeln dieser Welt beibringen."
Elisa hatte die ganze Zeit daneben gestanden und mich und die Leute angestarrt, ich glaube sie war auch ziemlich geschockt gewesen. Zusammen gingen wir zu den anderen Leuten auf die Tribüne. Als wir die Treppe hochstiegen, tippte mich jemand an. Ich drehte mich zu ihm. Ein Junge, mit Blonden Haaren und blauen Augen grinste mich an.
"Na ist der Boden weich?", lachte er.
"Blödmann!"
Ich drehte mich wieder um und setzte mich neben Elisa, welche inzwischen schon einen Platz gefunden hatte. Meine Arme verschränkte ich vor meinem Bauch und atmete tief durch. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, fiel mir auf, wie peinlich das grade gewesen war. Sicherlich hatte die nette Dame am Empfang so etwas nicht hervorgesehen, aber so behandelt man doch seine Kunden nicht!
"Das Training wird aus zwei Teilen bestehen. Der Theorie und der Praxis, doch zuerst ist die Theorie dran.", für mich hörte sich das schon wieder zu sehr nach Schule an, "Als erstes solltet ihr wissen, um was es hier überhaupt geht. Natürlich könnte ich euch nun die jahrelange Geschichte dieser Stadt erzählen, aber ich glaube ich liege nicht falsch, wenn ich behaupte, dass das hier niemanden interessiert, oder etwa doch?"
Keiner meldete sich - zum Glück!
"Also gut, es gibt fünf große Städte auf dieser Welt. Unser Stadt der Amaren, die Stand der Magnaen, der Cesuren, der Uhanen und der Mogronen. Vor einigen Jahren lebten alle Völker in Frieden zusammen, doch seitdem die Magnaen unseren König gefangen genommen und somit unser Bündnis gebrochen haben, herrscht  zwischen allen Städten der Krieg. Da es jedoch nicht möglich ist, Städte zu zerstören, oder innerhalb von ihnen zu töten, seid ihr hier sicher. So, nun zu den wichtigen Dingen: Unter den Optionen im Menü könnt ihr eure Lebensanzeige sichtbar machen. Darunter werden dann auch eure Ausdauer und euer Level angezeigt werden. Öffnet mal alle euer Menü."
Und somit entstand das Chaos, alle redeten durcheinander und es dauerte gefühlte zwanzig Minuten, bis alle es hinbekommen hatten ihr Menü mit "open Menü" zu öffnen. Curtis klatschte in die Hände, um die Menge wieder zum Schweigen zu bringen.
"Okay habt ihr es alle geschafft? Schön. Dann tippt ihr jetzt auf Inventar. Nun müsstet ihr alle eine Anfangswaffe in eurem Inventar finden und wenn ihr rechts auf den Pfeil tippt, könnt ihr eure Statistiken sehen, etwa wie viele Monster oder Leute ihr getötet habt. Außerdem könnt ihr nach einem Levelaufstieg hier eure Punkte für Skills und Eigenschaften verteilen."
Das was Curtis erzählte, schien zwar wichtig, aber langweilig. Ich hatte heute schon den halben Tag in der Schule gesessen und mir dort das Ohr abkauen lassen. Meine Konzentration war am Ende und meine Augen brannten. Ich schloss sie - wenigstens nur kurz. Dunkelheit...

Too Many Doors onlineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt