Mit einem "Autsch!" wachte ich auf, mir war jemand auf den Fuß getreten. Ich riss meine Augen auf. Alle strömten von der Tribüne herunter und umkreisten Curtis. Auch Elisa. Warum hatte sie mich nicht geweckt? Ich sprintete ihr hinterher und holte sie ein. "Elisa", schnaufte ich.
"Oh hi, du bist wach."
"Warum hast du mich nicht geweckt? Wäre ich nicht durch Zufall wach geworden, hätte ich alles verpasst."
"Ach Quatsch! Das bisschen Theorie ist doch nicht wichtig."
Ich schaute sie fassungslos an. Natürlich war es wichtig. Wie sollte ich mich denn sonst hier zurecht finden?
"Mach dir keine Sorgen, ich habe mir doch alles gemerkt."
"Ja und weiter? Was mache ich dann, wenn wir wieder getrennte Wege gehen?"
Jetzt hatte ich sie auch aus der Fassung gebracht. Sie schaute mich an, als würde ich eine andere Sprache sprechen.
"Wer hat denn gesagt, dass wir getrennte Wege gehen werden?"
Ich dachte nach. Elisa war zwar nett und in irgendeiner Weise hatte sie mich ja grade dazu gezwungen ein Team mit ihr zu bilden, aber aus anderen Videospielen habe ich gelernt, dass ich das Spielen in Gruppen nicht mochte. Man muss ständig auf die anderen Mitglieder aufpassen und darf selber nicht verloren gehen. Außerdem muss man immer einem Anführer hinterherlaufen und wenn man die Gruppe selbst anführt, darf man sich keine Fehler erlauben. Kurz gefasst - nichts für mich! Ich sah in Elisas große Augen und sagte das, was mir in diesem Moment als die einzige richtige Antwort erschien.
"Stimmt."
Somit hatte ich nicht ja und nicht nein gesagt, sondern lediglich bestätigt dass keiner gesagt hatte, dass wir getrennte Wege gehen müssten.
"So, sind alle da? Gut. Nun fangen wir mit der Praxis an. Als erstes bildet ihr alle Zweiergruppen und holt eure Waffen aus dem Inventar.", rief Curtis über den Platz.
"Sue?", fragte Elisa.
"Ja?"
Sie machte eine alberne Verbeugung.
"Möchtest du gegen mich kämpfen?"
"Es wäre mir eine Ehre.", sagte ich mit verstellter Stimme.
Wir lachten und nahmen unsere Waffen aus dem Inventar. Ich hatte ein langes dünnes Schwert, welches schwer in meiner Hand lag. Der goldene Griff glänzte in der Sonne, genauso wie das helle Metall der Klinge.
"Als nächstes stellt ihr euch in die Ausgangsposition... Etwa so..."
Inzwischen stand Curtis auf einer Erhöhung - einem alten Baumstumpf und machte die verschiedenen Bewegungen vor, welche wir nachahmten. Bei einigen sahen sie ziemlich lächerlich aus, ungefähr so, als wollten sie mit einem Zahnstocher etwas sehr ungeschickt aufspießen und rutschten dabei ab.
"Zum Glück ist bis jetzt noch kein Unfall passiert", flüsterte ich Elisa zu.
"Ja, hoffen wir mal, dass das auch so bleibt, diese Klingen hier sehen ziemlich scharf aus."
Sie hielt ihr Schwert vor sich und schaute über die blitzende Klinge hinweg.
"Hey, pass mit dem Ding auf", lachte ich.
Sie nahm es wieder herunter, doch in dem Moment, als sie das Schwert auf Hüfthöhe hielt, stieß jemand von hinten gegen sie, und Elisa fiel, heute schon zum zweiten Mal, auf mich.
"Ach du scheiße! Sue?!"
Beim Fall hatte ich mir den Kopf gestoßen und Seitenstechen bekommen. Aber warum bekam man von einem Sturz Seitenstechen? Jemand tätschelte mir die Wange. Was sollte das? Ich öffnete meine Augen und sah eine verzweifelte Elisa, die sich über mich gebeugt hatte. Sie hatte einen roten Kopf und ihre Augen glänzten. Ich richtete mich auf.
"Heey, Elisa, ist doch alles gut."
Sie sagte nichts. Ich muss schon zugeben, dass mir diese Situation auch ziemlich peinlich war, bei ein paar einfachen Übungen hinzufallen und sich den Kopf zu stoßen - aber deswegen musste sie doch nicht gleich heulen. Ein paar Leute standen um uns herum, rissen die Augen auf und hielten sich die Hände vor den Mund, oder standen einfach nur da. Ich stützte mich auf die Hände und fasste mir an den Kopf, als mir plötzlich auffiel, dass sich der Boden unter mir dunkelrot gefärbt hatte. Geschockt sprang ich auf. Was war das? Blut? Nein. Oder? Es war wohl doch ein Unfall passiert. Aber warum lag ich in dem Blut? Ich fasste mir an die schmerzende Seite, in der Hoffnung, dass das Stechen aufhörte, als mich etwas in die Hand pikste. Ich schaute an mir herunter und sah eine lange Klinge, welche in mir steckte, rechts neben dem Bauchnabel. Ich hielt die Luft an. Blut quirlte aus meinem Bauch und mir wurde schlecht. Doch es tat erstaunlich wenig weh, ein Schwert in sich stecken zu haben, ich spürte lediglich ein leichtes Stechen.
"Was ist denn hier los?", fragte Curtis.
Elisa sah ihn mit Tränen in den Augen an und zeigte auf mich.
"Ohje. Naja, halb so wild."
Elisa und die Umherstehenden starrten ihn verblüfft an.
"Es sieht schlimmer aus, als es ist. Deswegen haben wir hier einen Schmerzregler, normalerweise ist er immer auf 5 eingestellt und hier in der Stadt steht er sogar auf 8. Das heißt man fühlt fast gar keinen Schmerz. Die Einstellung 10 würde dem normalen Schmerz im Reallife gleichen. Also macht euch keine Sorgen."
Er stellte sich vor mich und noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, zog er mit einem Ruck das Schwert aus mir heraus. Obwohl ich nicht viel Schmerz spürte, musste ich trotzdem das Gesicht verziehen. Warum? Weil ich dieses Mal spüren konnte, wie das kalte Metall durch meine Haut Schnitt. Curtis legte eine Hand auf meine Schulter. Mit der anderen stützte er sich auf Elisas Schwert, von welchem mein virtuelles Blut tropfte - irgendwie gruselig. Dann kramte er in seinem Inventar herum und zog ein rotes Fläschchen hervor. Er öffnete es und verteilte den Inhalt auf meiner Wunde.
"Eigentlich ist dieser kleine Vorfall perfekt um euch zu zeigen, was man in Notlagen tun kann.", sagte er mit einer erstaunlichen Gelassenheit.
"Also, die hellrote Flüssigkeit, aus dieser kleinen Flasche hier, ist ein Heiltrank. Seht ihr, wie die Lebensanzeige dieser jungen Dame hier wieder steigt? Ja, Tränke können in verschiedenen Situationen ziemlich nützlich sein und Leben retten."
Während Curtis weiterredete und ich schon wieder nicht zuhörte, beobachtete ich das Loch in meinem Bauch, welches von Sekunde zu Sekunde kleiner wurde, und plötzlich ganz verschwand - so als hätte es nie existiert.
Die restliche Zeit verging wie im Fluge und als der Kurs zu Ende war, bekam ich plötzlich Hunger. Es war erstaunlich, dass die Entwickler sogar an so etwas gedacht haben. Inzwischen war es auch schon dunkel geworden, als es mir plötzlich einfiel: Ich musste nach Hause! Meine Mutter hatte mich wahrscheinlich schon längst durchschaut und bemerkt dass ich nichts für die Schule tat, sondern TMDO spielte. Bestimmt saß sie inzwischen mit meinem Vater am Küchentisch und plante meine gerechte Strafe.
"Elisa, ich muss gehen."
"Echt? Schade nach all der Aufregung hab ich ganz schön Hunger, ich dachte ich könnte dich als Entschädigung zumindest auf ein Essen eingeladen."
Auch wenn sich mein Gewissen dagegen wehrte, gewann mein Magen.
"Okay, aber wir müssen uns beeilen."
"Du, wegen vorhin... Sorry nochmal."
"Ist schon gut, war ja keine Absicht. Außerdem glaube ich du warst geschockter als ich."
Sie schaute auf den Boden
"Kann sein."
"Weißt du überhaupt, wo man hier etwas zu Essen bekommen kann?", fragte ich.
"Als du geschlafen hast, hat Curtis erzählt, dass man sich das meiste erjagen und dann mit der Kochfähigkeit zubereiten müsste, allerdings bekäme man an den kleinen Ständen am Markplatz auch etwas."
"Okay, dann auf zum Marktplatz."
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Too Many Doors online
FantasyToo Many Doors Online (kurz TMDO) ist ein "reales" Multiplayer-Game, in dem sich Sue das Ziel gesetzt hat die beste Spielerin zu werden. Doch das wird nicht so einfach - das Spiel läuft nämlich nicht ganz fehlerfrei.