Prolog - Part 2/2

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Unter einem knorrigen Baum stößt schließlich der Hauptmann zu mir.
„Auch kein Glück?", frage ich, obwohl ich die Antwort schon weiß. Es gäbe Jubel im Hof, neidisches Getuschel und lautes Rufen. Und er wäre dann nicht hier.
„Nein", antwortet er trotzdem und setzt sich neben mich.
„Vielleicht ist das ja ein Zeichen", murmele ich leise.
„Glaubst du, wir sind im Unrecht?", fragt der Hauptmann neugierig und lehnt sich an den Stamm. Wir führen solche Unterhaltungen oft, bevor wir wieder in den Kampf ziehen.
„Ist es Recht, junge Mädchen für den Kampf einzuziehen?", erwidere ich nachdenklich und starre in den Himmel.
„Sieh sie dir an", meint der Hauptmann und ich folge seinem Blick. Die frischen Rekruten verlassen ebenfalls den Hof, enttäuscht miteinander redend.
„Sie haben alle so früh angefangen wie du", fährt er fort. „Nur hast du deine Ausbildung früher beendet."
„So alt, wie die sind, haben sie die Ausbildung wahrscheinlich schon vor mir angefangen", bedenke ich desinteressiert und starre wieder hoch zu den Wolken. Sie sind grau und dick.
„Jetzt werd' bloß nicht eingebildet", holt der Hauptmann mich auf den Boden zurück und steht auf. Ich tue es ihm gleich und gemeinsam folgen wir den Neuen vors Podest.

„Ich bin enttäuscht!", die Worte hallen über den Hof wie ein Donnerschlag. Der König sieht von oben auf uns herab. Keine Spur von Freundlichkeit oder Stolz ist noch darin zu sehen.
„Nicht einer von euch, hat es geschafft, Illmande zu ziehen. Habt ihr alle vom Hass verunreinigte Herzen, oder seid ihr dem Schwert nicht würdig? Kämpft für euer Land und findet es heraus. Falls es einem von euch möglich ist, sich vom Hass zu befreien, steht ihm jederzeit ein neuer Versuch zur Verfügung."
Damit dreht er sich um, der rote Mantel weht um seine Beine, und verlässt den Hof.
Bevor irgendjemand etwas sagen kann, ertönt das Horn. Der dunkle und tiefe Klang hallt von den Steinmauern wieder und brennt sich in die Köpfe der neuen Soldaten ein.
Sofort kommt Bewegung in die Truppen. Schnell finden sich alle bei ihrem Hauptmann ein. Die Mitte des Hofes ist wie leergefegt.
„Sie greifen also an", stellt der Hauptmann fest. Wir stehen unter dem knorrigen Baum. Die anderen Truppen sind nicht weit entfernt. Die neuen Rekruten sehen aufgeregt und ungeduldig zu den großen Eichentoren, die in die Außenmauer des Schlosshofes eingelassen sind.
„Ich weiß, die Neuen unter uns sind ungeduldig, aber ich habe euch noch etwas zusagen", sagt er. Die Älteren können sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie die schuldbewussten Gesichter sehen.
„Es ist meine Verantwortung euch lebend durch dieses Tor zu führen. Sowohl vor, als auch nach dem Kampf. Also keine Heldentaten. Keiner geht allein. Falls sich unsere Truppe trennen muss, geschieht das in Dreiergruppen. Nicht mehr und auf keinen Fall weniger. Habt ihr das verstanden?"
„Ja, Sir",rufen wir im Chor. Man kann förmlich die Bewunderung der Neuen heraushören.
„Stellt euch auf", ruft der Hauptmann. Das kampfeslustige Funkeln ist in seine Augen zurückgekehrt. „Wir ziehen in die Schlacht."

In Zweierreihen folgen wir dem Hauptmann durch das Tor. Vor uns reitet die ranghöhere Truppe.
„Du wirst verehrt, Hauptmann", sage ich grinsend. Der Kopf des Mannes vor mir dreht sich leicht, sodass ich seine gehobenen Mundwinkel erkennen kann.
„Na, endlich. Da arbeite ich schließlich seit meiner Beförderung drauf hin", erwidert er lachend. Die jungen Rekruten hinter mir tauschen unruhige Blicke aus. Vor ein paar Minuten waren sie alle noch aufgeregt und eifrig, gegen den Feind zu kämpfen, doch so langsam spüren sie den Druck des Schlachtfeldes.

Wir verlassen den Schlosshof und das Gras und betreten das sandige Umfeld des Schlosses.

Willkommen in Etrus. Dem Wüstenland von Utrein. In den Städten gibt es künstlich angepflanztes Gras und Bäume. Ansonsten haben wir nicht viel. Aber durch unser ganzes Land ziehen sich mehr Flüsse, als irgendwo sonst.
Das Nachbarland Préidor ist reich an Wäldern, Büschen, Pflanzen, Gras und Früchten. Jedoch haben sie nur ein paar Flüsse, die weit an der Landesgrenze liegen, weshalb die Landesmitte nach und nach verkümmert.
Es ist schwer im Sand zu laufen, aber wenn man hier aufwächst, gewöhnt man sich daran. Jeder, der von hier kommt, hat kräftige Beine, mit denen man auf normalem Boden unglaublich hoch springen kann. Zumindest beschreiben es die umstehenden Länder so.

Das Herz der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt