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Ein metallenes Geräusch dringt an mein Ohr. Ein Hammer? Repariert jemand ein Schwert?
Leise Stimmen dringen durch die Watte in meinen Ohren.

„Warum hast du sie nicht einfach liegen lassen?"

Ein Fluss. Das Rauschen des Wassers ist lauter, als der Rest. Ganz in der Nähe.
Wo bin ich? Im Schloss kann man die Flüsse nicht hören...
Es riecht gut hier. Nach Essen. Hühnerfleisch, wenn ich mich nicht irre...
Und es riecht warm...
Wie lange ist es her, dass ich etwas Warmes gegessen habe? Die Küche bemüht sich schon lange nicht mehr...

Die Schwere lastet unangenehm auf meinem Körper. Drückt mich nach unten. Die Matratze ist hart. Sie zwickt, als wäre sie mit Stroh gefüllt, anstatt mit Wolle.
Im Schloss schlafen wir immer in angenehmen Betten...
Es klingt irgendwie ... friedlich. Die Stimmen klingen nicht angespannt, oder genervt. Sie sind fröhlich und warm.

Meine rechte Gesichtshälfte schmerzt. Es ist ein brennender Schmerz. Kommt das von der Lichtkanone? Habe ich den Strahl etwa doch abbekommen?
Das Brennen wird stärker und ich winde mich hin und her. Ein Wimmern dringt aus meiner Kehle, ehe ich es zurückhalten kann.

„So etwas muss weh tun", die Stimme ist tief und alt. Aber irgendwie klingt sie auch weise. „Da führt kein Weg drum herum. Die Hitze einer Lichtkanone lässt einen nicht so einfach los."
Die Stimme klingt resigniert. Müde.
Erschöpft öffne ich langsam die Augen. Ich blinzele mehrmals.
Mein rechtes Auge fühlt sich seltsam an. Geblockt. Panisch setze ich mich auf und taste meinen Kopf ab. Ein weiches Stück Stoff ist über mein Auge, quer über den Kopf und über dem rechten Ohr gewickelt.
„Du hast schwere Verbrennungen", fährt die Stimme ruhig fort. „Dein Haar über dem rechten Ohr wird wohl nicht mehr nachwachsen, aber du wirst es sicher mit deinem restlichen Haar verdecken können."
„Was ist mit meinem Auge?", frage ich. Meine Stimme zittert. Ängstlich lasse ich meine Hände sinken. Meine Stimme hat noch nie gezittert.
„Wir haben den Verband drüber, damit wir alle Verbrennungen abdecken können", erwidert der alte Mann. Ich drehe den Kopf.
Er ist klein, die Haare sind bereits ergraut. Die Brille auf seiner Nase ist rund und das Glas zerkratzt. Die Falten sehen aus wie das Ergebnis von Kummer, aber ich sehe auch ein paar Lachfalten um die Augen.
„Wo bin ich?", will ich wissen, als ich ihn gemustert habe und drehe den Kopf. Es ist ein unangenehmes Gefühl, dass mein Sichtfeld jetzt erheblich eingeschränkt ist.
„Du bist in Skoton", sagt der Mann.
„Das kann nicht sein", widerspreche ich verwirrt. „Die Stadt ist verfallen und verlass-"
Ich stocke.
„Ich bin bei den Préidoren", flüstere ich und sehe mich hektisch um. Das Bett auf dem ich liege ist von drei Wänden umgeben. Der Rest des Raumes wird durch einen braunen Vorhang verdeckt, der in einigen Metern Entfernung hängt, sodass genug Licht von oben und von den Seiten reinkommen kann.
„So kann man es natürlich auch nennen", stimmt mir der Mann mit schräg gelegtem Kopf zu.
„Warum bin ich hier?", misstrauisch sehe ich den Mann an und krieche ein Stück von ihm weg.
„Raphael hat eine schwäche für Mut und kleine, süße Mädchen. Und gegen beides zusammen kommt er einfach nicht an", sinniert der lächelnd.
„Wen nennst duhier klein-", fauche ich und werfe die Decke beiseite. Ganz nah neben mir klirrt etwas. Geschockt schaue ich nach unten. Eine Kette ist an meinem Handgelenk befestigt. Eine schwere Kette, die in der Wand verankert wurde.
„Was soll das?", frage ich wütend.
„Du bist immer noch der Feind. Wir können dich nicht einfach frei herumlaufen lassen", erklärt der Mann und steht auf. „Ich werde den Hauptmann holen."
Meine Wut verschwindet und nur die Angst bleibt zurück. Unruhig starre ich den Vorhang an, der sanft im Wind weht. Was wird der Hauptmann mit mir machen? Mich töten? Mich als Geisel nehmen?
Ich schüttele den Kopf. Der König interessiert sich nicht für einfache Soldaten. Ich wäre als Geisel vollkommen wertlos.
Mein Blick wandert hin und her, während ich auf die Rückkehr des alten Mannes warte.
Was soll ich tun? Ihn angreifen? Was würde der Hauptmann mir wohl für einen Befehl geben?
Ich schnalze verzweifelt mit der Zunge.
Dann fällt mein Blick auf einen runden Gegenstand auf dem verwachsenen Steinboden. Neugierig hebe ich ihn auf und drehe ihn um. Ein Spiegel ...
Ein Mädchen mit aschblonden Haaren und einem blaugrünen Auge sieht mir entgegen. Die Wangen sind ein wenig eingefallen und sie ist blass. Außerdem ist ihre Stirn mit Schweiß bedeckt. Hastig wische ich ihn weg. Der Verband verdeckt mein rechtes Auge und die Brandwunde über meinem rechten Ohr. Im Moment spüre ich nur ein leichtes Brennen.
Der Vorhang bewegt sich und ich lege den Spiegel schnell wieder auf den Boden zurück.
Ein Mann von breiter Statur tritt ein. Seine Haare sind dunkel, genau wie seine Augen, aber es liegt keine Kälte in ihnen.
„Was habt ihr jetzt mit mir vor?", frage ich verärgert über meine Panik.
„Was haben wir jetzt mit dir vor... das ist eine gute Frage. Immerhin bist du der Feind. Selbstverständlich können wir dich nicht einfach gehen lassen und als Geisel wirst du auch nichts taugen. Töten ist auch nicht ideal, sonst hätten wir es uns sparen können, dich zuverarzten", überlegt der Hauptmann, den Blick über die bewachsenen Wände schweifen lassend.
„Also", mit einem mal wird sein Blick ernst, als er sich auf den Schemel neben dem Bett hockt. „Was kannst du mir über eure Verteidigungslinien sagen?"
„Nichts", antworte ich mit verengten Augen. Informationen. Das hätte ich mir gleich denken können.
„Dann wird dein Aufenthalt hier wohl nicht sehr angenehm werden", seufzt der Mann und fährt sich durch das dunkle Haar.
„Das ist mir egal", erwidere ich kalt.
„Das glaube ich dir nicht. Dafür zittern deine Hände zu sehr", sagt der Hauptmann. Schnell verstecke ich meine Hände unter der Decke. Als ich ihn weiterhin einfach nur anstarre, seufzt er.
„Was macht ein so junges Mädchen wie du, bei der Armee?", will er stattdessen wissen, sich leicht zurücklehnend.
„Das geht euch nichts an", verweigere ich die Antwort.
„Na gut. Es ist deine Entscheidung, aber wenn du es hier wenigstens ein klein wenig angenehm haben willst – das schließt ein Mittel gegen die Schmerzen mit ein –, dann solltest du zumindest auf eine meiner Fragen antworten", droht er, steht auf und geht. Sprachlos starre ich ihm hinterher. Schmerzmittel? Panisch fasse ich mir an den Verband.
Vielleicht sollte ich anfangen ein Tagebuch zu schreiben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier wieder lebend oder halbwegs bei Verstand rauskommen werde ...

Ein stechender Schmerz schießt durch meinen Kopf, sorgt dafür, dass ich mich im Bett hin und her wälze.

Meine Gedanken werden immer schneller und drehen sich doch nur im Kreis, während ich gleichzeitig keine Ahnung habe, was ich eigentlich denke.

Meine Kleidung ist vom Schweiß durchnässt und klebt an meiner Haut.
Hinter meinem rechten Auge herrscht ein gewaltiger Druck, dass ich es mir am liebsten auskratzen würde, aber da ist immer noch dieser verdammte Verband. Er drückt und kratzt und ist warm und durchnässt.

Mein Handgelenk ist aufgeschürft von dem Versuch, die Kette loszuwerden, aber sie sitzt so fest wie eh und je.

Ich strampele immer wieder meine Decke weg, aber irgendjemand legt sie ständig zurück. Es wird immer wärmer hier.

Die Umgebung ist zu laut. Das Klopfen des Hammers treibt mich noch in den Wahnsinn. Ich  will einfach nur, dass es aufhört!

Mein Hals tut weh. Möglicherweise schreie ich schon seit Stunden, oder ich kauere in Stille. Ich bin mir nicht sicher. Ich kann es nicht auseinanderhalten.

Mein Atem ist flach und schnell und trotzdem habe ich das Gefühl, ich könne jeden Moment ersticken.

Kommt das wirklich alles von der Lichtkanone? Oder haben sie mir irgendeine Droge gegeben, damit ich ihnen Informationen liefere?

Kann ich ihnen überhaupt noch widerstehen, wenn sie jetzt fragen? Ich weiß nicht, ob ich noch die Kraft dazu habe.

Selbst wenn ich mich dazu bereit erkläre, wer garantiert mir, dass sie die Schmerzen lindern? Dass sie die Hitze senken? Die Luft in meine Lungen zurückkehren lassen?

Wie kann ich mich überhaupt an sie wenden? Ich bin mir nicht sicher, ob meine Stimme noch funktioniert.

„Hast du genug?", die Stimme ist leise und hat einen gemeinen Unterton.

„Willst du, dass es aufhört?"

„Ich habe dich schreien gehört."

Es klingt irgendwie nicht nach dem gegnerischen Hauptmann. Er hat ganz anders geredet.

„Sie nur, wie verschwitzt du bist."

Meine Hand schnellt unter der Decke hervor und packt das Hemd des Mannes neben dem Bett. Ich ziehe ihn zu mir herunter und mich gleichzeitig hoch. Tränen stehen in meinen Augen, lassen alles verschwimmen.

Es tut so weh.

Es brennt so fürchterlich.

Ich kann nicht mehr.

Ich kann nicht mehr.

„Ich kann nicht mehr", ein Krächzen dringt aus meiner Kehle, während die Tränen meine Wangen hinablaufen. Ich starre in die verdutzten, blauen Augen des Mannes.
„Bitte", flehe ich. Ein dicker Kloß blockiert meinen Hals und ich senke schluchzend den Kopf.

Ich kann nicht mehr...  

Das Herz der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt