Second Hour
Oliver lag nun da, reglos starrten seine leeren Augen an die weiße Decke. Er dachte über nichts nach. Wieso auch? Was brachte es ihm? Niemand wäre mehr da, der sich seine Gedanken anhören würde. Niemand.
Dean war fort.
Seine Eltern hatte Oliver nie kennen gelernt; an sie könnte er sich auch nicht wenden.
Wer weiß auch, wie sie wären? Ob sie ihm helfen würden? Oder ob sie ihn einfach in eine Klinik stecken würden. Sagen würden: „Herr Doktor, mein Sohn, er ist verrückt. Er hat das Verlangen sich zu verletzen. Er redet nicht mit uns. Mit niemandem."
Oliver hatte das erste Mal wirklich angefangen zu sprechen, als er in die fünfte Klasse einer Hauptschule eingeschult wurde.
Er steigerte sich erstaunlich schnell und war schon in der siebten Klasse auf dem Gymnasium. Oliver war schon immer schlau. Früher las er unheimlich viel. Egal über was. Mal über die Physik, mal die Religion, mal die französische Geschichte. Es gab kein Thema, was ihn nicht interessierte.
Außer vielleicht die Libido anderer. Seine eigene verstand er nie. Sie war irgendwie nie da.
Vielleicht hätte seine Mutter gesagt: „Wie willst du mir jemals Enkel zeigen, wenn du doch keine Frau haben willst?"
Ja, vielleicht hätte sie das gesagt. Das wusste Oliver nicht. Wie auch, er hatte sie nie kennen gelernt.
In seiner Vorstellung waren seine Eltern früher, als er auf die Welt kam, zu jung um mit einem Baby klar zu kommen. Sie wussten nicht weiter und brachten es in ein Heim, in der Hoffnung, dass es dem kleinen Oliver Black besser gehen würde als bei ihnen.
Die Wahrheit, die kannte er nicht.
Heute stellte er sich seine Eltern so vor: altmodisch, verklemmt, rechtsradikal, homophob, konservativ, rassistisch.
Egal wie sehr Oliver auch in den letzten Jahren immer versuchte seine Eltern als gut dastehen zu lassen, es gelang ihm nicht.
Doch das fand er keineswegs schade.
Er würde nicht enttäuscht werden, wenn sie wirklich so wären. Er wollte sie nie kennen lernen. Wieso auch? Sie hatten ihn weggeben.
Sie wollten ihn nicht, warum sollte er also sie wollen?
In Olivers Kopf machte das Sinn, in Deans auch.

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Twelve Hours
Genç KurguKeine Motivation doch mal aufzustehen. Keine Motivation ein wenig raus zu gehen. Keine Motivation jemanden anzurufen. Keine Motivation um mit jemandem zu reden. Keine Motivation um irgendetwas zu tun.