Von 12 bis Mittag

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Kapitel 12

Von Zwölf bis Mittag

Leise summend füllte Ginny die fertigen Heiltränke in kleine Flaschen und verkorkte sie. Auch wenn die Arbeit im Krankenflügel nicht das war, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte, so machte es doch Spaß und sie genoss ihre Zeit mit Poppy und den Umgang mit den Schülern. Vor allem Schülerinnen kamen immer häufiger zu ihr, um sie um Rat und ihre Meinung zu fragen, da sie nicht zum Lehrkörper gehörte und die Schüler sie für noch relativ jung hielten, auch wenn keiner auch nur die geringste Idee davon hatte, dass sie in Wirklichkeit sogar jünger als einige der älteren Schüler war.

„Guten Morgen, Mrs Harrison."

Reflexartig packte Ginny ihren immer griffbereiten Zauberstab, sprang herum und hatte schon einen Fluch auf den Lippen, bevor ihr überhaupt bewusst wurde wer da hinter ihr stand.

„Oh, Professor Dumbledore! Entschuldigen Sie bitte mein paranoides Verhalten. Macht der Gewohnheit."

„Oh keine Sorge, meine Liebe. Es ist ganz meine Schuld. Ich hätte mich nicht so heran schleichen sollen."

„Ach Unsinn, ich war nur völlig in Gedanken.", gab Ginny kleinlaut zurück.

„Wie gefällt Ihnen die Arbeit hier auf der Krankenstation?", fragte Dumbledore neugierig.

„Sehr gut! Es macht mir sehr viel Spaß. Und das Beste ist, dass ich nicht fest gebunden bin, sondern mich zwischendurch gut um Teddy kümmern kann."

„Es freut mich, dass es Ihnen so gut gefällt. Was haben Sie denn vorher gemacht?"

„Ich? Ähm, nichts. Ich hab mich vorher um Teddy gekümmert."

„Oh natürlich, wie dumm von mir überhaupt zu fragen.", antwortete Dumbledore, aber Ginny hatte zunehmend das Gefühl, dass Dumbledore dabei war sich eine Meinung zu bilden. Sie fühlte sich immer unwohler und wünschte sich Harry wäre hier. Er wusste bei solchen Gelegenheiten immer was zu sagen war und auch wenn er nicht sonderlich gut war, so hatte er jedenfalls theoretisch Ahnung von Okklumentik. Ginny andererseits hatte keine Ahnung und war versuchte deshalb sich so weit wie möglich an die Wahrheit zu halten.

„Womit kann ich Ihnen denn helfen? Sie sind doch sicherlich nicht hier um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, oder?", fragte Ginny schnell um das Thema zu wechseln.

„Nun, meine Liebe, eigentlich bin ich hier, um Sie zu fragen ob Sie die Weihnachtsferien hier in der Schule verbringen wollen, oder ob Sie nach Hause zu Ihrer Familie fahen wollen."

„Oh, ähm.... Ich denke wir werden wohl hier bleiben. Ich meine, wir haben zwar noch nicht darüber gesprochen, aber ich habe schon gehört, dass Weihnachten in Hogwarts ein tollen Erlebnis sein soll, das werden wir uns wohl nicht entgehen lassen.", beeilte sie sich zu versichern.

„Gut. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.", sagte Dumbledore ruhig und verließ die Krankenstation.

Den ganzen Tag über versuchte Ginny herauszufinden, wie sie ihre Gedanken im Bezug auf Dumbledore Harry gegenüber am besten aussprechen sollte. Doch die richtigen Worte fielen ihr einfach nicht ein. Erst am Abend, als Harry neben ihr schon fast schlief, rang sie sich dazu durch ihm von ihrem Gespräch mit Dumbledore zu erzählen.

„Dumbledore war heute bei mir.", sagte sie ruhig in die Stille hinein.

„Mh", murmelte Harry nur schläfrig.

„Er hat gefragt, ob wir Weihnachten in Hogwarts bleiben oder zu unserer Familie fahren."

„Mh"

„Aber eigentlich wollte er mich wohl nur ausfragen. Er hat gefragt, was ich nach der Schule beruflich gemacht habe."

„Mh"

„Und ich hab mich gefragt, wieso wir Dumbledore nicht einfach die Wahrheit sagen können.", als Ginny endlich ausgesprochen hatte, was sie nun schon so lange beschäftigte, schien es zwischen den beiden in der Luft zu hängen. Ginny konnte förmlich spüren, wie Harry neben ihr schlagartig hellwach wurde. Einen Moment lang war es still, dann erfüllte plötzlich Licht den Raum und Ginny sah in Harrys ernste Augen.

„Das geht nicht. Die Gefahr ist zu groß.", sagte er ruhig.

„Gefahr? Wir reden hier von Dumbledore! Traust du ihm etwa nicht?", fragte sie halb im Scherz.

„Ob ich Dumbledore traue?! Nicht von zwölf bis Mittag!", rief Harry und begann herzlich zu lachen, als er Ginnys völlig entsetzten Gesichtsausdruck sah.

„Soll das heißen, dass du ihm traust?", fragte er sie.

„Natürlich! Wir reden hier von Dumbledore!", antwortete sie empört.

„Ganz genau. Und ich bezweifle ja auch nicht, dass Dumbledore immer nur das Beste im Sinn hat, jedenfalls das, was er für das beste hält. Aber ich traue ganz einfach seinen Methoden nicht."

„Wie kannst du sowas nur sagen? Nach allem was er für dich getan hat?!"

Einen Moment lang sah Harry Ginny ruhig an, dann sagte er: „Ich bestreite nicht, dass Dumbledore große Dinge getan hat. Für mich und für uns alle, aber er hat jahrelang großen Einfluss auf die Leben sehr vieler Menschen genommen. Er hat immer nach seinen eigenen Motiven gehandelt und getan was er für richtig hielt und das meiner Meinung nach ohne Rücksicht auf Verluste. Er hat die Strippen gezogen, Ginny."

„Aber es ist doch gut ausgegangen!", rief Ginny und fühlte wie ihre Augen sich mit Tränen füllten.

„Das ist es, aber es lag nicht nur an ihm, sondern an uns allen. Genauso gut hätte es ein völliges Desaster geben können. Es war ok für uns zu Dumbledore zu laufen, solange wir Kinder waren, aber das ist vorbei. Du bist erwachsen und musst genau wie ich beginnen dich auf dich selbst zu verlassen und deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich habe schon lange aufgehört, mich auf andere zu verlassen und das musst du auch tun. Wir sind keine seiner Schüler mehr." Dann lächelte er, strich ihr die Tränen aus dem Gesicht und fragte: „Was genau würdest du dann sagen? Sowas wie: Hi, ich komme aus der Zukunft, schicken Sie mich zurück?"

Da musste auch Ginny lächeln: „Also so genau hab ich mir das noch nicht überlegt, es fühlt sich nur gut an, zu wissen, dass er da ist und helfen kann."

„Stell dir mal vor, irgendjemand würde herausfinden wer wir sind. Die Auswirkungen wären katastrophal! Ich weiß, es ist viel schreckliches in unseren Leben passiert, aber jedes kleine Detail, das wir verändern könnte alles verändern!"

„Würden wir beispielsweise versuchen deine Eltern zu retten..."

„Dann würde Voldemort nicht verschwinden und wie viele Menschen dann sterben würden können wir uns kaum ausmalen."

„Na gut.", sagte Ginny resigniert, als sie sich wieder in ihre Decke kuschelte, „dann werden wir es einfach auf uns zukommen lassen und dafür sorgen, dass keiner irgendwas erfährt."

„Genau das werden wir tun.", stimmte Harry ihr zu, kuschelte sich an sie und löschte das Licht.   

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