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Wegzurennen, war niemals mein Plan.
Ich denke, dass wegrennen auch niemals sein Plan war, als wir uns noch in Sicherheit wiegen konnten.
Als wir Leute zu uns nach Haus einladen konnten, da niemand eine Ahnung davon hatte, wer wir in Wirklichkeit sind.

Und jetzt müssen wir abhauen?
Unser Haus verlassen?
Vielleicht ein neues Land suchen, in dem wir uns verstecken können?

"DAS IST DOCH KEIN LEBEN!", rufe ich zu T, während ich mit meinen Händen alles mögliche tue, um so schnell wie ich kann unsere Sachen in eine Tasche zu packen, die wahrscheinlich niemals groß genug sein könnte, um meinen Wunsch nach mehr Raum befriedigen zu können.

"WAS SOLLEN WIR SONST TUN?!", ruft er zurück, und ich höre die Verzweiflung in seiner dunklen Stimme. Seine Schritte durch das Haus. Ich kann sogar sicher sein, dass er immer wieder nach draußen sieht. Das würde er tun. Das tut er bestimmt auch.

Im nächsten Moment steht er in der Tür zu unserem Schafzimmer, starrt auf die Wand hinter mir, anstatt dass er mich ansieht, wie ich am Boden kauere und mit Tränen in den Augen die Tasche zu stopfen versuche.

"Willst du mit der Waffe jemanden erschießen?"

Müde schaut er zu mir herunter. In seinen Augen spiegelt sich nichts als Schmerz und Leid wieder. Sie sehen leer aus. Leer, ganz einfach durch das Auftauchen der Fremden vor unserem Haus. Leer, da er weiß, was wir tun müssen, um unsere Familie zu beschützen und nicht wieder getrennt zu werden.
Leer, wir beide könnten sterben.
Leer, unsere Kinder könnten sterben.
Leer. Wir verlieren alles.

"Kommt drauf an-", er sagt dies, als sei es eine Notwendigkeit. Jemanden zu töten, damit wir weiter am leben bleiben können. "Willst du, dass unsere Kinder erwachsen werden können?"

"Ich-"

"Ich hab auf die Frage keine Antwort erwartet.", raunt er, "Das reicht an Klamotten, wir können nicht noch länger hier bleiben und darauf warten, dass die Polizei hier auftaucht. Ich will diese Leute nicht mit offenen Armen empfangen, sondern verschwinden. So weit und schnell wie nur irgendwie möglich. Ganz egal wie."

Es ist sein Blick, der mich betäubt und innehalten lässt. Dieses trotzige in den blauen Augen, die sich zu kleinen Schlitzen verengt haben, bevor er sich umdreht und zu dem Zimmer von Ethan und Avery spurtet. Sein Shirt am Rücken ist an manchen Stellen durch Schweiß verdunkelt.

Ich kneife meine Augen zusammen, lasse mich etwas der Tasche vor mir entgegen sinken und atme tief ein und aus. Mein Puls rast förmlich und mein Herz hört nicht auf zu schlagen, als wäre es das eines Kolibris.
Er macht es mir nicht leicht. Er hat es mir nie leicht gemacht. Nicht, als ich ihn kennengelernt habe. Nicht, als ich für ihn im Gericht gelogen habe. Nicht, als ich ihn im Gefängnis gefunden habe. Oder er mich. Und auch keine Minute auf unserer Flucht, hat er es mir je leicht gemacht.

Genau wie jetzt. Er macht es mir schwer. So schwer, all das, unser Leben, für einen Bruchteil hinter uns zu lassen und zu verschwinden. Dann auch noch mit zwei Kindern, die denken, dass wir auf eine Urlaubsreise gehen.

Damals sagte er, er wolle nie, dass seine Frau und seine Kinder jemals sagen müssten, ihr Familienvater sei ein Mörder.
Und jetzt müssen zwei Kinder sagen, dass sie einen Mörder zum Vater haben, und eine Frau, dass sie selbst eine Mörderin ist.

Ich will verhindern, dass Ethan und Avery genau dies sagen müssen.
Ich will verhindern, dass sie herausfinden, weshalb wir wirklich gehen müssen.
Weshalb ihre Mum und ihr Dad manchmal zu paranoid sind, um normal sein zu können.
Weshalb sie beide so tun, als hätten sie wirklich einen zweiten Vornamen, der aber auf keinem Ausweis oder Pass steht.

"Bist du fertig?!", ruft er mir zu, und ich höre seine Stimme wie in einem Tunnel, der den Schall 8-Mal wieder zurück wirft.

Fertig mit packen? Nein. Ich könnte noch tausend Dinge einpacken, und hätte noch immer nicht genug, um mich sicher zu fühlen.
Da hilft auch keine Waffe, die mein Ehemann bei sich trägt, um uns alle beschützen zu können.

Runaways. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt