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"Mum? Hey...Mum?", höre ich immer wieder dieselbe Stimme. "Mummy?"

Ich reiße meine Augen auf. Mein Herz pocht und meine Glieder fühlen sich taub an. Meine Mund ist trocken und die Decke neben mir lag anscheinend einst über meinem Körper.

Ich schaue in eisige blaue Augen, die in meine schauen. Neben diesen Augen ein blonder Haarschopf, der den Kopf geneigt hat, mich mit großen Augen ansieht.

Ich fasse mir an mein Herz. Meine Augen schließen und öffnen sich wieder. Mein liegender Körper erhebt sich in eine sitzende Position. Ich liege in meinem Bett. Ich liege in dem Ehebett.

Ich bin...Zuhause?

"Everything okay?", fragt mich Ethan. Seine Stimme klingt so viel erwachsener. Seine Stimme klingt älter. Sein Aussehen ist älter.

Avery legt ihrem Bruder einen Arm um die Schultern und drückt ihn an sich. Ihre langen braunen Haare fallen ihr glatt über ihre Schultern. Ihre Augen scheinen mich an, umrandet von Schminke. Ihre Lippen mit einem rosa Lippenstift geschmückt. Sie ist älter. Sie ist ein Teenager.

Und mir wird immer klarer, was geschehen ist. Mir wird wieder bewusst, was passiert ist.

Und das alles bestätigt sich, als ich Schritte im Flur höre. Als ich das Tapsen mehrerer Pfoten auf dem Boden höre.

"Du hast geschrien.", informiert mich Avery und geht mit ihren langen Beinen mehrere Schritte zu der Schlafzimmertür, bückt sich, steht wieder auf und sagt erfreut: "Na, Pipi", zu dem kleinen schwarzen Geschöpf in ihren Armen.

Mit dem Hund kommt sie zurück zum Bett, setzt Pi vor meinen angewinkelten Beinen ab und wuschelt ihrem Bruder durch die Haare.

"Hey, nein, lass das!", faucht er ihr mit einem Lacher entgegen, den sie erwidert. "Meine Haare..."

"Seit wann kümmerst du dich so krass um deine Haare?"

"Seit wann interessierst du dich so krass für Jungs, huh?", neckt er sie und rammt ihr seinen Ellbogen in die Rippe, was sie zum genervten Aufstöhnen bringt.

"Was ist pa-", will ich beginnen, doch werde von jemandem gestört, der sich in den Türrahmen stellt und zu uns Dreien schaut. Mit einem halben Lächeln auf den Lippen, das schnell zu einem Ganzen wird.

"Du bist wach.", sagt er fröhlich. Und frei. Und ohne Handschellen. Und bei mir. Und er kommt rüber. Und er sieht auch älter aus. Und sein Bart ist viel voller als in meiner Vorstellung und seine Schultern sind breiter und die Stimme verruchter.

Mir bleiben die Worte im Hals stecken. Ich spüre seine Berührung, als er sich neben mich setzt und mir einen Kuss auf die Wange drückt, meine Hand nimmt und sie sich ansieht.

"Ich bin wach...", wiederhole ich seine Worte.

Hab ich das alles wirklich nur geträumt? Alles? Von Anfang bis Ende? Hab ich von der Vergangenheit geträumt? So detailliert und genau, dass es mir in einem Schauer den Rücken hinunterläuft?

"Was ist passiert?"

Er schaut mit seinen blauen Augen in meine. Seine Haare sind in ein dunkles, dreckiges Blond verfallen. Ethan's Haare sind hell, leuchtend und frisch.

"Du hast geschlafen."

"Lange", kommentiert Ethan zu der Aussage seines Vaters.

"Und dann hast du zu schreien angefangen und wir sind gucken gegangen, ob alles okay ist.", setzt Ave fort, steckt sich einige Strähnen ihrer Haare hinter die Ohren.

"Alles hat sich so real angefühlt...so echt..."

"Was hat sich echt angefühlt?", fragt mich T mit der angenehmen Stimme, die ich stundenlang hören könnte. Er könnte mir Ewigkeiten was erzählen.

Aber ich erzähle es ihm nicht. Ich sage nur: "Es war....nur ein blöder Traum. Nichts weiter.", und er sagt dazu nichts mehr, sondern küsst nur meine Hand und meint, dass alles okay ist.

In seinem Gesicht sind keine Verletzungen und sein Körper ist so gesund wie meiner. Er sitzt neben mir. Er hält meine Hand. Und Eth und Ave kommen zusammen mit Pi näher an uns heran gekrochen. Das Doppelbett scheint fast zu klein für uns alle zu sein. Es quietscht. Und alle Erinnerungen aus dem vermeintlichen Traum, entsprechen sogar der Wahrheit. Die damalige Flucht, was dann passiert ist. Alles, was er mir in diesem fiktiven Laster in Erinnerung gerufen hat, ist wirklich passiert. Alles, was irgendwie mit früher zusammengehangen hat.

Auch das Tagebuch vom Anfang ist hier. Es liegt neben mir. Auf dem Nachttisch, ein Stift oben drauf. Und ich habe Ave damals wirklich daraus vorgelesen. Alles entspricht der Wahrheit, der Realität, bis auf den Punkt mit der Flucht und den Detektiven. Die tauchten bisher nie auf. Nicht hier. Nicht im realen Leben.

Nicht im Jetzt, in dem ich seine Hand wirklich spüre und es sich nicht fern anfühlt. Im Jetzt, in dem ich in seine Augen sehe und da mein Glück liegt.

Im Jetzt, in dem wir mit unseren Kindern auf diesem Bett sitzen und lachen. Mit unserem Hund. Mit unseren Kindern. Ethan, der mit seinen 15 Jahren gesprächiger ist denn je. Mit Avery, die mit ihren 17 Jahren eine so wundervolle junge Frau ist, außerdem inmitten des Teenager-Daseins.

Und beide Kinder sind unsere Ebenbilder, könnten wundervoller nicht sein können.

Die wirkliche Realität, und damit kein Traum vom Davonrennen, Schmerzen erleiden und Verluste ertragen, übernimmt meinen wachen Zustand immer mehr. Ich beginne, unterscheiden zu können, was wirklich geschehen ist und was nicht. Fange an zu verstehen, wie mein echtes Leben aussieht.

Mein Leben, sein Leben, unser Leben. Und er ist bei mir, nicht etwa im Gefängnis. Und wir haben mit unseren Eltern nichts mehr zu tun. Und uns findet auch niemand, denn wir sind in England, unserem Haus, ganz für uns. Und Ardian hat uns niemals verraten. Und er ruft wöchentlich an. Und er besucht uns so oft er nur kann. Und das ist alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.

Ich brauche nur meine Familie.
Brauche nur Eth, Ave, Pi und T.
Ich brauche nur die Liebe, die sie mir geben.

Und jetzt gerade, hier, in genau diesem Moment, könnten die Wände fallen, da die Liebe diesen Raum so sehr füllt.

Und T legt seine Arme um mich und drückt mich an sich. Und mein Gesicht fühlt sich warm an, genau wie mein Körper. Und Pi versteckt sich unter der gigantischen Bettdecke und Ethan kriecht ihr nach, sodass sein Körper auch unter der Decke verschwindet. Und Avery lacht über ihn und Pi, und ihre Lache ist der von Thaddeus so ähnlich, dass es mein Herz erwärmt.

Ethan schaut unter der Decke hervor, Pi kriecht vor ihm hinaus. Seine Augen sehen zu uns hoch, ein Grinsen liegt auf seinen Lippen, die zwischen ihnen seine Zahnspange zeigen. Er hat ganz rote Wangen und seine blonden Haare fallen ihm über das linke Auge.

Avery lacht, sie lacht immer weiter und ich höre ich Lache so gern. Ebenso gern, wie ich die von Ethan und Thaddeus höre. Sie presst ihre Hand in sein Gesicht, legt sie Eth über die Augen und will ihn ärgern, worauf er damit reagiert, sie so auf die Matratze zu ziehen, dass sie mit ihrem Rücken hilflos unter ihm liegt und er sie kitzeln kann.

Beide lachen, T grinst und ich lehne mich in seinen Armen zurück. An meinem Finger begutachte ich den Ehering, der mich anfunkelt. Diesen sehe ich auch an T's Finger, da seine Hand meine umschlingt und festhält. Wärmt, Komfort gibt.

Ich schaue zu ihm hoch und sehe in einen Ozean, von dem ich nie wieder wegsehen will. Ich schaue zu ihm hoch und merke, wie mein Herz klopft. Ich merke, wie all der Schmerz verschwindet, den ich in meinem schrecklichen Traum gespürt habe. Merke, wie meine Muskeln entspannen und alles in mir zu Ruhe kommt.

"Weißt du noch, als du mir damals gesagt hast, dass ich dir Bescheid sagen soll, wenn ich mich unendlich fühle?"

Er lächelt, küsst meine Stirn und haucht mir ein leises: "Ja" entgegen.

"Ich fühl mich unendlich, T."

×××

>I'm a better me since I found my family
Look at my team we're free
Look at my, look at my team, we're free<

{DAT ADAM - S/O}

×××

THE END ♡

Runaways. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt