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"Was hat meine Mutter damit zu tun?"

Wieder drücke ich auf die Taste des Sperrbildschirms. Sehe die Anzahl der verpassten Anrufe. Die Vier brennt sich schon fast in mein Gedächtnis.

Meine Augen fliegen zu ihm rüber. Thaddeus lehnt seinen Kopf an der Lehne hinter sich an. Er atmet lange aus, schließt den Ordner und streicht über die drei Buchstaben auf dem Logo.

VPA.

Aber was heißt VPA?

"Was hat meine Mutter mit diesen Leuten zu tun?", frage ich wieder. Mein Mund ist trocken. Mein Durst treibt mich in den Wahnsinn. Mein Hals rau. Meine Stimme angeschlagen. Mein Gesicht pocht an den verletzten Stellen, genau wie meine Hand. Und mein Bauch dreht sich innerlich um.

"Ich weiß es nicht.", sagt er bloß.

"Und wieso-"

Ich höre sofort mitten im Satz auf zu sprechen, denn das Handy in meinen Händen fängt zu vibrieren an. Ein eingehender Anruf. Und auf dem Bildschirm steht der Name meiner eigenen Mutter.

Janice Preuß

Ich will gerade den grünen Hörer antippen, um den Anruf anzunehmen, da reißt Thaddeus mir das Handy aus der Hand.

"Aber-"

"Du wirst da nicht dran gehen!", schnappt er frustriert und angesäuert.

"Aber-"

"Lu, wir wissen nicht, was sie mit diesen Leuten am Hut hat, also wirst du nicht dran gehen, kapiert?"

Der Bildschirm wird wieder schwarz, nachdem der Anruf gelaufen ist. Ich seufze schwach. Lehne meine pochende Stirn gegen die kalte Fensterscheibe. Meine Augen sehen nach draußen. Und mein Herzschlag erhöht sich, als ich realisiere, wo Thaddeus das Auto geparkt hat.

Ich drehe meinen Kopf zu ihm. Meine Augen sehen in seine. Er nickt an mir vorbei und ich kann nicht anders, als ihn weiterhin anzuschauen. Ich kann nicht anders, als ihn anzustarren. Genau so, wie er zuvor den Horizont angestarrt hat. Ich kann einfach nicht anders. Als seien meine Muskeln eingefroren.

"Wieso hast du ausgerechnet hier geparkt?"

Er lächelt, packt das Handy zurück in das Handschuhfach vor mir. Seine Hand greift nach meiner und drückt sie. Ich sehe ihn noch immer an. Bis ich mich von seinen eisigen Augen lösen kann, vergehen wenige Minuten.

Erst, als ich den Balkon erneut sehe, die großen Fenster und das Wohnhaus, antwortet er mir.

"Ich dachte, du willst das alles vielleicht wieder sehen."

Ich sehe ein Licht, das in der Wohnung brennt, in der ich mal gelebt habe. In der er mit mir gelebt hat. Vor so vielen Jahren. Als wir noch jünger waren. Einiges jünger. Und ich ihn versteckt habe. Die Wohnung, in der sich diese eine Dusche befindet. Er der sich mal meine Sachen befanden. Oder vielleicht noch immer stehen, wenn sie nicht zwangsversteigert oder von meiner Mutter geholt wurden.

Ich frage mich sogar, ob meine Mutter noch mit meinem Vater verheiratet ist. Ob sie bereits geschieden sind, da sie so viele Streits hatten.

"Dort lebt jetzt jemand anders...", spreche ich meine Gedanken aus. "Dieser Jemand verbindet nichts mit den ganzen Räumen dort drinnen. Absolut nichts."

"Das hab ich damals über mein vorheriges Zuhause gesagt...", bemerkt er, und ich antworte: "Ich weiß, aber es ist die Wahrheit."

Er drückt als Antwort wieder meine Hand. Hält sie ganz fest und lässt seine Finger zwischen meine gleiten.

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