Gefühlsblindheit

sechs

Nicht gerade eine meiner leichtesten Übungen... Das ist noch untertrieben. Ich bin super schlecht in allem, was mit Gespräche führen zu tun hat.
Also bleibt mir nichts anderes übrig, als auf diese Party zu gehen... mit ihr.

Gehen ist dabei wörtlich zu nehmen. Wir laufen nämlich zu Fuß zu der Party. Womit ich normalerweise kein Problem habe, stellt sich heute jedoch als schwieriger heraus. Luisa ist die ganze Zeit am erzählen, sie lässt mir nicht mal Zeit zum Atmen. So weiß ich am Ende, dass sie bei ihrer Oma wohnt, weil sie sie pflegt und dort eine Ausbildung zur Krankenschwester macht. Sie ist gerade zu Besuch hier, weil sie ihre Familie vermisst. Bald muss sie wieder zurück. Sie freut sich mich kennengelernt zu haben.

Schön und gut, aber warum nimmt sie dabei meine Hand? Wir laufen durch die dunklen Straßen zu einer Party auf die mich Quinn mitnehmen wollte und halten Händchen, ohne Quinn.

Luisa lächelt mich die ganze Zeit an. Scheinbar ist sie wegen irgendwas glücklich.

Meine Hand wird langsam schwitzig und ich will sie am liebsten wegziehen, aber ihr Griff ist ziemlich fest. Um so mehr freue ich mich, als sie endlich sagt:„Wir sind da."

Vor mir ist ein in buntem Licht scheinendes Gebäude, ganz im Gegensatz zu dem Ort, wo die letzte Party stattfand. Dort war alles eher ruhig und gedeckt und das mochte ich. Ebenfalls im Gegensatz dazu, dröhnt die Musik hier schon laut und ist von weitem nicht zu überhören.

Luisa lächelt. „Heute feiern wir eine richtige Party, Quentin. Ganz nach meinem Geschmack!" Sie geht rückwärts auf das Gebäude zu und schwingt dabei mit den Hüften. „Du wirst es lieben!", ruft sie und schmeißt die Faust in die Luft. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob sie damit mich meint oder zu sich selbst spricht...

Wir betreten das Gebäude und stellen uns an eine lange Warteschlange an. Ich bin mir nicht sicher, was ich mit meinen Händen machen soll, jetzt wo Luisa die Eine losgelassen hat. Also stecke ich sie in meine Taschen, bis wir in dem lauten Raum mit vielen Lichtern stehen. Luisa hat einer Frau Geld gegeben und dafür hat sie uns einen hässlichen Stempel auf den Handrücken gemacht. Kein guter Tausch wie ich finde...

Die Musik ist so laut, dass Luisa mich anschreit, damit ich sie verstehe. Erst dachte ich, dass das ziemlich unhöflich sei, aber besser so, als das sie mir zu nah kommt. Das kann ich nämlich gar nicht leiden.
„Willst du auch etwas trinken?" Ich denke kurz drüber nach und nicke schließlich.
„Schön, bin gleich wieder da."

Ich bleibe an Ort und Stelle stehen und schaue mich um. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer tanzen und lachen und trinken. Sie sehen fröhlich aus, insoweit ich das erkennen kann. Jetzt fühle ich mich hier noch mehr fehl am Platz als sowieso schon. Wieso ist Quinn nicht hier? Wenn sie bei mir ist fühle ich mich irgendwie sicherer und nicht ganz so fehl am Platz. Das schafft sonst keiner, nicht mal meine Eltern.

Luisa ist nach circa 15 Minuten wieder da und zieht mich in eine Sitzecke und auf den letzten freien Platz. Ich sitze; sie steht. Sie lächelt wieder ihr strahlendes Lächeln und entblößt ihre geraden Zähne; ich starre neutral geradeaus.
Ich trinke ein Schluck und verziehe das Gesicht. Sofort muss ich husten. Quinns Schwester kichert: „Sorry, ist wohl etwas stark. Du trinkst nicht oft Alkohol oder Quentin?" Ich schüttle den Kopf während ich fieberig darüber nachdenke, wo ich meinen Mund ausspülen kann.

„Hast du Lust du tanzen?" Luisa hat die ganze Zeit durchgehend gequatscht und endet jetzt mit dieser Frage. Ich bin froh, von diesem Stuhl wegzukommen und nicke schnell. Während ihrem Monolog kam sie mir immer näher, so dass sie schon zwischen meinen Beinen stand, über welche sie immer wieder strich. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander getrennt. Selbst ich weiß, dass es unhöflich ist, einem praktisch fremden Menschen so auf die Pelle zu rücken. Nicht mal der Alkohol hat sie erträglicher gemacht, dabei heißt es doch immer, Alkohol sei die Lösung für alles.