Vierzehn

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A Z A D




»Gott, wie ich deine Tante liebe!« Kauend schloss Joshua seine Augen und stieß ein genüssliches Stöhnen aus. Das natürlich absichtlich übertrieben laut war. »Ich liebe sie! Ich liebe sie wie keine andere! Ich werde diese Frau heiraten!«
Cara, die sich ihnen genährt hatte, blieb wie erstarrt stehen. Augenverdrehend drehte sie sich wieder um und stampfte davon. Mit einem verschlagenem Grinsen sah Joshua ihr nach.
»Krieg dich wieder ein, Mann!« Azad verdrehte seine Augen. »Wenn du sie provozierst, wird das alles nur schlimmer machen. Außerdem reden wir hier über meine Tante
»Was schlimmer machen?« Sein Blick folgte immer noch Cara. Der heftige Schlag, den er von Azad kassierte, ließ seinen Körper zusammenzucken. »Alter!« Verärgert funkelte er Azad an.
»Wenn du nicht endlich aufhörst mit dem Scheiß, wirst du sie verlieren«, schnaubte Azad. »Reiß dich endlich zusammen, Adams. Hör auf, so zu tun, als würdest du sie nicht so sehen, wie ein Mann eine Frau sieht. Du magst sie, also sorg dafür, dass sie dir vertraut. Wenn du so weiter wartest, wird man sie dir vor der Nase wegschnappen. Billy hat auf jeden Fall Interesse, so wie er sie jedes Mal anschaut. Ich wette mit dir, es dauert nicht lange und er fragt sie nach einem Date.«
»Billy, der Schreibtischhengst?« Joshuas Stimme war düster. Entsetzten und Mordlust standen auf seinem Gesicht, gefolgt von grimmiger Belustigung. »Als ob sich Cara auf den einlassen würde.«
Angesichts der Selbstüberzeugung, die sein Partner an den Tag legte, hob Azad nur bedeutungsvoll eine Augenbraue. Plötzlich drang eine schrille Kinderstimme durch das Revier; ein Schreien, das ihn herumfahren ließ. Etwas in ihm sträubte sich, seine Sinne waren plötzlich in Alarmbereitschaft. Joshua sah ihn fragend an, doch er ignorierte ihn und lief stattdessen hastig einige Schritte in die Richtung, aus der der Kinderschrei gekommen war. Nicht nur er war aufgeschreckt worden, einige seiner Kollegen schauten ebenfalls in die Richtung. Er hörte sie Schluchzen, noch bevor er das Kind sah. Ein Polizist hatte ihren Arm ergriffen, während sie mit erstaunlicher Kraft dagegen ankämpfte. Der Mann wirkte panisch, fast verzweifelt, während er ihr ständig versuchte zu erklären, dass sie hier nicht rein dürfe und wo ihre Eltern seien. Wie erstarrt blieb er stehen, wütend auf seinen Kollegen, der das Kind in Angst versetzte. Der blonde Lockenkopf drehte panisch ihren Kopf, gewährte ihm einen Blick auf ihr Gesicht. Aber auch vorher war ihm schon klar gewesen, wer sie war.
»Lasslassen! Sofort!«, befahl Azad barsch. Fast im selben Moment rief Selin nach ihm und der Polizist ließ ihren kleinen Arm los, als hätte er sich an ihr verbrannt. »Azad abi!« Mit einem wilden Aufschluchzen rannte Selin auf Azad zu und umklammerte panisch seine Beine.
»Selin.« Er nahm das kleine Mädchen auf die Arme. Zitternd presste sie ihren kleinen Kopf in seine Halsbeuge, klammerte sich an seinen Hals fest. »Scht, Selin, ist schon okay.«
Er drehte sich um, während sein Kollege ihm dümmlich hinterher starrte. Er hasste es, Selin weinen zu sehen. Verzweifelt strich er ihr beruhigend über den Rücken. »Es ist alles okay, Süße.«
Ihr Schluchzen ging in ein Hicksen über, langsam beruhigte sie sich. »Möchtest du mir sagen, was los ist?«, fragte Azad sanft. Sie drückte sich fester an ihn und schniefte kopfschüttelnd. Joshua trat zu ihnen. »Aber Schokolade möchtest du bestimmt, oder?«, fragte er sie und sah ihr lächelnd in die Augen. Sie warf ihm einen langen, misstrauischen Blick zu, dann sah sie den Schokoriegel in Joshuas Hand an, ehe sie wild mit ihrem Kopf schüttelte und ihn wieder in Azads Halsbeuge vergrub. Mit gehobener Augenbraue sah Joshua zu seinem Partner. Azad konnte an dem belustigten Funkeln in seinen Augen erkennen, dass ihm gerade ein bescheuerter Spruch durch den Kopf ging. Finster und drohend kniff Azad seine Augen zusammen. »Süße«, sprach er wieder zu Selin, »wenn du nicht mit mir sprichst, kann ich dir nicht helfen.«
»Ich möchte zu meiner Schwester. Wo ist meine Schwester?« Ihre Stimme zitterte, aber sie blieb tapfer. »Sie hat es vergessen, oder? Sie hat es vergessen.«
»Was hat sie vergessen, Selin?« Sie hob den Kopf und sah ihn unter Tränen an. »Dass ich heute Geburtstag habe.«
Für einen Moment war Azad sprachlos, fasste sich jedoch schnell. Grinsend strich er ihr über den Rücken. »Und du denkst, deine Schwester würde so etwas Wichtiges vergessen? Sag mal, was würdest du davon halten, wenn ich dich zu ihr bringe und wir sie überraschen?«

 »Und du denkst, deine Schwester würde so etwas Wichtiges vergessen? Sag mal, was würdest du davon halten, wenn ich dich zu ihr bringe und wir sie überraschen?«

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Verschwörerisch legte Azad einen Finger an seine Lippen, während er mit dem Kopf auf die Wohnzimmertür deutete. Selin schenkte ihm ein Lächeln und umfasste die neue Barbie, die Azad ihr auf dem Weg hierher gekauft hatte, fester. Es war ein schreckliches Unterfangen gewesen, mit einem siebenjährigem Mädchen in ein Spielwarengeschäft zu gehen, und ihr die freie Wahl zu lassen. Sie hatten sprichwörtlich über eine Stunde in dem Geschäft verbracht und anfangs hätte Selin am Liebsten alles mitgenommen, auch wenn sie viel zu anständig war, um das laut zu äußern. Doch als er das glückliche Strahlen auf ihren Lippen sah, war es ihm wert gewesen. Es hatte ihm schier das Herz zerrissen, als sie ihm gestanden hatte, dass das die dritte Puppe sei, die sie besaß.
Mit einem lauten Kreischen stürmte das kleine Mädchen ins Wohnzimmer.
Bevor Azad Selin mitgenommen hatte, hatte er noch bei ihren Betreuern im Kinderheim angerufen. Sie hatte ihm gestanden, dass ihre Schwester sie eigentlich hätte abholen wollen, dass sie sie aber schon seit Tagen nicht gesehen habe. Sie hatte stundenlang in der Kälte vor der Grundschule gewartet. Sie hatte Azad gebeichtet, dass sie die Hoffnung hatte, er wisse, was mit ihrer Schwester sei. Da sie jedoch nicht wusste, wo er war, hatte sie beschlossen auf dem Polizeirevier nach ihm zu fragen.
»Schau mal!« Stolz reckte Selin ihrer Schwester die Puppe entgegen. »Das hat mir Azad abi gekauft!«
»Wow, wie schön sie ist! Hast du dich auch bedankt, Selin?« Liebevoll umfasste Rüya Selins kleinen Körper und zog sie an sich. Sie kniete vor ihrer kleinen Schwester, sah freudig zu ihr auf. Hastig nickte Selin. »Sie ist so schön, nicht wahr? Eine Prinzessin. Ich hatte noch nie eine Prinzessin. Und sie kann singen!« Demonstrierend drückte Selin den Knopf an der Kette ihrer Barbie und Gesang ertönte im Wohnzimmer. Azad stöhnte auf. Die Freude des Kindes war jedoch viel zu groß, als dass er es ernst meinen könnte. »Wird das jetzt immer so weiter gehen?«
Selin kicherte ungehalten. »Selbst schuld!«
Raubtierhaft stieß er sich vom Türrahmen ab, schritt mit zusammengekniffenen Augen auf sie zu. »Wenn ich dich kriege, wird dir das Lachen vergehen!«
Wild kreischend warf sich Selin hinter ihre Schwester, rannte danach jedoch durch den Raum, während Azad ihr hinterherjagte. Er sah Rüyas Schmunzeln, während sie ihre Schwester deckte.
Nach einigem Kreischen und Lachen rief Necmiye alle zum Essen auf. Selin war die ganze Zeit ganz unruhig und konnte nicht still sitzen. Als ihre Schwester sie gefragt hatte, wo sie sich hinsetzen wolle, hatte sie ohne zu zögern auf den freien Platz neben Azad gezeigt. »Ich glaube, du hast eine Verehrerin«, raunte ihm seine Tante verschwörerisch zu und lachte in sich hinein. Rüya war sich ebenso bewusst, dass ihre kleine Schwester ganz hin und weg war von dem älteren Mann. Zur Krönung brachte Necmiye Teyze einen Kuchen auf den Tisch, den sie zusammen mit Rüya gebacken hatte. Sieben Kerzen brannten auf ihr, während das kleine Mädchen überglücklich aussah. »Wünsch dir was«, forderte Azad sie auf.
»Von Allah?«, fragte sie. Rüya bejahte. Dann schloss sie konzentriert ihre Augen, ehe sie mit einem kräftigen Atemzug versuchte, alle Kerzen auszupusten.
Hinterher konnte Azad nicht einmal sagen, wie es dazu gekommen war, doch nach dem Essen hatte es Selin geschafft, ihn dazu zu bringen, mit ihr Barbie zu spielen. Doch, eigentlich konnte er doch sagen, wie sie es geschafft hatte: Sie hatte ihn angeschaut, mit diesen großen Augen und ihre Unterlippe vorgeschoben. Dann hatten Tränen in ihren Augen gestanden und ihre Lippe hatte angefangen zu zittern. Azad fluchte. Dieses Mädchen wusste, wie sie ihn erfolgreich zu Fall bringen konnte. Verflixte Özdemir-Schwestern!
Sie beide würden noch sein Untergang werden. Doch was sollte er machen?
Wenn es das war, was das Leben für ihn bereit hielt, dann war es eben so.

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