Amnesie code

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Grenze Russlands, 2010

Sie sind mittlerweile schon 11 Stunden unterwegs und seine Eltern konnten nichts anderes als sich gegenseitig die Haare zu raufen.

Seine Mutter bestand darauf, dass sie eine Pause abhielten, doch sein Vater wollte nichts davon hören, da er die ausgestorbenen Straßen ausnutzen möchte, bis sie die Grenzen endlich erreichten, wo der stundenlanger Stau erst richtig beginnen würde.

"Halt den verdammten Wagen an, ich steige aus!" 

Sein Vater blickte stur geradeaus, nur sein angespanntes Kiefer deutete auf seine Verärgerung hin.

Er war eher zurückhaltend, behielt seine Ansichten lieber für sich und überließ das Reden seiner temperamentvoller Ehefrau aber er war sichtlich erschöpft und ihr dauerndes Gejammer raubte ihm seine letzten Nerven.

Ihsan verdrehte seine Augen. Seine Mutter, eine Frau, die 10 Jahre jünger wirkte, als sie tatsächlich war und immer bewundernde Blicke auf sich zog, konnte manchmal wirklich einen in den Wahnsinn treiben.

Er hatte den Tag durch geschlafen und könnte etwas Bewegung gut vertragen, aber er wollte unter keinen Umständen die Stimmung noch mehr aufheizen.

So steckte er sich seufzend seine Kopfhörer in die Ohren und drehte auf höchste Lautstärke, um die dramatischen Drohungen seiner Mutter nicht mehr mitkriegen zu müssen.

Irgendwann merkte er, dass das Auto still stand und seine Mutter über beide Ohren seinen Vater höchst lebendig anstrahlte, der nur brummend aus dem Fenster blickte.

Er verdrehte die Augen. Hatte sie ihn also mal wieder weich gekriegt. Er sprang aus dem Auto und inspizierte die Gegend. Ein altes Motel und weit und breit nichts.

Na super, dachte er sich und trug seine gewohnt desinteressierte Miene zur Schau. Seine Eltern diskutierten hinter ihm wieder einmal heftig um etwas und er machte sich schnell aus dem Staub, bevor sie sein Fernbleiben bemerken können.

Er setzte sich frustriert auf einen verdreckten Kanister und kickte einige Steine hin und her.

Zuvor hatte sein MP3 Player den Geist aufgegeben und er langweilte sich in dieser öden einsamen Gegend. 

Er nahm einen großen Stein in die Hand und warf in weit in die Ferne, während er die Sekunden zählte, bis er irgendwo aufprallte.

1, 2, 3, 9... Aber bei 16 war immer noch nichts zu hören.

Stirnrunzelnd beschloss er nachzusehen, wie weit sein Wurf es geschafft hatte. Aber bei der dritten Lichtung gab er es auf und strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. Er hatte den Stein aus den Augen verloren und die Hitze nahm ihm seine Abenteuerlust.

Am liebsten würde er sich einfach ins Gras legen und die Augen für einige Stunden schließen. Doch weder Schatten, noch eine Wiese waren in Sicht. Die Sonne brannte erbarmungslos auf den Asphalt hinab.

Er seufzte. Wo war jetzt das verfluchte Motel? Manchmal würde er sich allzu gerne selbst eine scheuern, um wieder zur Besinnung zu kommen aber der Mangel an Intelligenz schien sein stetiger Begleiter zu sein. 

Er schaute genervt um sich herum und dann erblickte er endlich etwas, das annähernd einem lebendigen Menschenwesen ähnelte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 05, 2018 ⏰

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