Kapitel 8: Berührungsängste

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«Autsch.», fluchte jemand leise. Ich wurde auf einen Schlag hellwach und sprang sofort auf. Meine Hüfte schmerzte dabei. «Sorry, ich wollte nur nach dir sehen.», flüsterte Manuel und rieb sich den Kopf. Anscheinend hatte er sich gestoßen. Beruhigt holte ich tief Luft.
«Hast du was getrunken?», fragte ich, da ich eine Alkoholfahne roch.
«Vielleicht.», hikste er und musste lachen. «Vielleicht aber auch nicht.», faselte er weiter.
«Also hast du.», stellte ich fest und legte mich wieder hin. Er setzte sich ans Fußende und drehte sich zu mir.
«Eigentlich trinke ich nie.», sagte er.
«Warum?», fragte ich nach.
«Damit ich mir den Kopf nicht stoße.», antwortete er trocken. Es dauerte kurz, bis ich seine Andeutung verstand. «Ne, in Wirklichkeit bin ich einfach nicht der Typ dafür.», redete er weiter.
«Was für ein Typ bist du denn dann?», fragte ich nach. Er hikste.
«Naja.. also heute.. naja also eigentlich gestern hab ich eine Bank ausgeraubt. Oh und ich hab jemanden erschossen.», fing er an.
«Hast du das schon mal vorher?», fragte ich jetzt interessiert.
«Eine Bank ausgeraubt oder jemanden erschossen?», fragte er verwirrt.
«Das Zweite.», antwortete ich, auch wenn ich beides wissen wollte.
«Nein, war mein erstes Mal.», sagte er plötzlich etwas deutlicher. «Deins auch, oder?», fragte er nach. Ich sagte nichts. Sofort kamen mir die Bilder wieder hoch. Der Wachmann unter dem Schreibtisch. Die Cops in dem Wagen. Ich merkte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten. «Ich hab's dir angesehen.», sagte er leise. Ich schluckte. Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten und schluchzte. «Hey.», sagte er behutsam und rutschte zu mir hoch. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.
«Was bin ich nur für ein Mensch?», weinte ich leise.
«Auf jeden Fall kein Schlechter.», antwortete er und legte seinen Arm um mich. Es tat gut seine Nähe zu spüren. Es war schon lange her, dass ich jemanden so nahe war. Einerseits habe ich nie wirklich Zeit und dann sind da auch noch meine Bindungsängste. Ich versuche schon mein halbes Leben herauszufinden, woher ich diese Ängste vor festen Bindungen habe, aber ich fand nie eine Anwort darauf. Anscheinend bin ich einfach nicht dafür gemacht. «Lexa?», fragte er leise. Mein Herz stoppte.
«Ja?», sagte ich mit zittriger Stimme.
«Macht es dir was aus, wenn ich mit hier im Bett schlafe?», fragte er vorsichtig. Ich verstummte. In meinem Kopf ratterte es nur. «Fuck, es tut mir leid. Ich hab zu viel getrunken.», murmelte er und war im Begriff aus dem Bett zu klettern. Ich holte tief Luft.
«Bitte bleib.», sagte ich kurz und knapp.  Zu mehr war ich nicht fähig. Er schaute zu mir. Ich erkannte die Umrisse seines Körpers in der Dunkelheit. «Bitte.», wiederholte ich so leise, dass man es kaum hätte verstehen können. Endlich kam er wieder näher. Ich teilte meine Decke mit ihm und legte meinen Kopf auf seine Brust. Ich hörte, wie sein Herz etwas schneller schlug. Seine rechte Hand lag auf meiner Schulter, wo er seine Finger im Uhrzeigersinn kreiste. Ich schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder einschlief.

«Na sieh mal einer an!», eine laute Stimme riss mich aus dem Schlaf. Es war Maxx. «Die zwei Süßen!», lachte er. Ich rieb mir die Augen.
«Wie spät ist es?», fragte ich und setzte mich auf. Neben mir lag Manuel und schlummerte noch.
«9 Uhr. Ich will eure Zweisamkeit ja nicht stören, aber wir sollten langsam aufbrechen.», sagte Maxx mit einem riesigen Grinsen. Ich verdrehte die Augen.
«Wir kommen gleich.», meinte ich und legte mich wieder hin.
«Das will ich hoffen!», lachte er und ging. Ich verdrehte nochmals die Augen, auch wenn er es nicht sehen konnte. Vorsichtig drehte ich mich zu Manuel um. Er sah so friedlich aus, wenn er schläft. Schon fast wie ein kleines Baby.
«Hey, wach auf.», flüsterte ich zu ihm. Er rührte sich nicht. «Manuel!», rief ich etwas lauter. Er zuckte nur kurz. «Fuck! Sie sind hier! Manuel! Die Cops! Wach auf!», schrie ich. Perplex schoss er in die Höhe und fuchtelte mit den Armen. Ich krümmte mich vor Lachen.
«Wirklich lustig.», sagte er mit einer belegten Stimme, als er realisierte, dass ich ihn verarscht hatte. Ich lachte weiter. Er fiel zurück ins Bett und rieb sich verschlafen die Augen.
«Tut mir leid.», log ich.
«Ja, ja.», entgegnete er kalt. Ich drehte mich zu ihm und schaute ihm in die Augen.
«Hast du ansonsten gut geschlafen?», fragte ich mit einem leichten Grinsen.
«Ja schon, du?», fragte er nach.
«Vielleicht.», grinste ich. Er lächelte. Kurz vergaß ich, wo wir gerade waren. «Wir müssen los. Maxx und Dylan warten schon auf uns.», sagte ich dann. Er nickte und stand auf. Ich tat es ihm gleich.
«Wie geht es deiner Hüfte?», fragte er nach, als er sah, wie ich ohne Probleme das Bett verlassen konnte.
«Viel besser.», antwortete ich ehrlich. Wir sammelten unsere Sachen ein und gingen hoch auf das Deck. Anschließend kletterten wir von dem Boot und entdeckten Maxx und Dylan in der Nähe von der Anlegerstelle. Hinter einem Hügel befand sich ein Parkplatz.
«Endlich.», rief Maxx. Wir sagten nichts darauf und gingen einfach auf sie weiter zu. «Und Lexa? Ist er gut im Bett?», lachte Maxx.
«Besser als du.», antwortete ich trocken. Manuel schluckte.
«Woher willst du denn das wissen, Madame?», fragte er leicht beleidigt zurück.
«Tja.», entgegnete ich nur. Wir gingen alle Richtung Parkplatz, wo nur wenige Autos parkten.
«Welches ist der Dame heute recht?», fragte Maxx spielerisch. Es war ja klar, dass Maxx kein Tag auskommen würde, ohne ein Auto zu stehlen.
«Wie wär's da drüben mit dem weißen GTI?», fragte ich und ging auf ihn zu.
«Hervorragende Wahl.», bemerkte Dylan. Maxx knackte das Auto innerhalb weniger Sekunden und schloss es kurz. Wir stiegen alle ein und fuhren wieder Richtung Stadt. Die Stadt, in der wir vor weniger als 24 Stunden eine Bank ausgeraubt hatten. Die Stadt, die nach uns allen sucht. Die Stadt, die allerdings keinen blassen Schimmer hat, wer wir sind.

Vom großen Geld, Kriminalität und Intimität / GLP FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt