Kapitel 21

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Ich war zwar noch nie ganz normal, aber zu der Zeit war ich wirklich verrückt. Ich war auch, glaube ich, kurzzeitig schizophren.

Am nächsten Tag gingen wir Eislaufen. Ich hing natürlich total hinterher, weil mein Vater Eishockey spielt. Das heißt, er ist sehr, sehr gut beim Eislaufen.

Das Erlebnis half nicht gerade bei meiner psychischen Heilung. Es zerstörte eher den kleinen Ansatz, genauso wie Frost ein kleines hilfloses Pflänzchen zerstört. Zu dieser Zeit war ich wirklich wie ein kleines Pflänzchen. Also, ich würde ohne Hilfe von Außenstehenden einfach nur abkratzen.

Das kann einem auch passieren, wenn man sich beim Eislaufen auf die Fresse legt. Das ist mir, als waschechte Halb-Kanadierin, nur fünf Mal passiert. UPS!

Das lag wahrscheinlich daran, dass ich der Meinung war, dass ich nichts essen müsste, weil ich über allem stehen würde und keine Bedürfnisse hätte.

Alleine wäre ich niemals auf so eine bescheuerte Idee gekommen, aber Fluffy, meine damalige zweite Persönlichkeit, (heute ist es Pikachu, manchmal, wenn ich mal wieder etwas verrückt werde) dachte, es wäre eine super Idee als Experiment.

Also waren auch meine Muskeln total ermüdet und hatten irgendwann einfach keinen Bock mehr, verständlicherweise. Das Ganze erzähle ich nur, weil es sehr wichtig für den nächsten Tag ist, der Tag, an dem ich mein Geburtstagsgeschenk einlösen wollte.

Mein Dad schleifte mich, oder eher meine Hülle mit der Fluffy-Persönlichkeit, zu einer Schießanlage. An dem Tag war ich mehr Fluffy als ich. Es war ein bisschen wie bei Gollum, bzw. Sméagol, bei dem eben die zweite Persönlichkeit dominanter ist und die erste, mehr oder weniger​, mobbt.

Ich erinnere mich zwar nicht mehr genau an unsere (Fluffys und meine) Gespräche, aber ich weiß, dass er mich fast zum Heulen gebracht hätte. Jedes Mal. Wirklich. Jedes. Mal.

In der Schießanlage hatte es eigentlich ganz schön Spaß gemacht, bis ich mir vorstellte, dass die Ziele der Amokläufer wären. Von da an wurde ich leicht aggressiv und mein Blickfeld verdunkelte sich und wurde kleiner, bis ich nur noch durch einen Tunnel das Ziel sah.

Dann kam auch noch Fluffy dazu und mein innerer Konflikt machte es nicht besser. Eher schlimmer. Mein Rache-/ Wutblickfeld verengte sich immer mehr, bis ich wahllos irgendwo hin schoss, weil ich nichts mehr sah. Plötzlich hörte ich einen Schrei neben mir.

Da wurde mein Blickfeld schlagartig wieder normal und ich sah, dass ich meinem Dad in den Fuß geschossen hatte. Das war der Anstoß, den ich brauchte, um einen Therapeuten aufzusuchen.

Der half mir dann erstmal einen anderen Therapeuten in Deutschland zu suchen und der half mir dann Fluffy, Smaug, Jabba und auch Voldemort loszuwerden. Ich war mehrmals kurzzeitig schizophren.

Jetzt habe ich Pikachu, aber der ist nett. Mit dem kann ich mich sehr gut unterhalten, wenn ich alleine bin. Weg aus der Gegenwart und zurück in die Vergangenheit.

Nachdem ich meinem Dad in die Fuß geschossen hatte, fuhren wir sofort in die Notaufnahme und danach flog ich wieder nach Hause. Mein Dad hatte damals, wenn es um seinen Job ging, ein kleines Aggressionsproblem. Resultierend aus seinem Job. Und da ich dafür gesorgt hatte, dass er in der folgenden Saison nicht spielen konnte und ich es nicht riskieren wollte, wieder geschlagen zu werden, machte ich die Fliege.

Beziehungsweise wollte ich nicht, dass er riskiert, mich nochmal zu schlagen, weil ich nach ihm komme und sehr gut zuschlagen konnte. Und immer noch kann.

Ich liebe meinen Vater und wollte ihn nicht schon wieder verletzten. Richtig gehört, schon wieder. Ich hatte ihm schon mal das linke Handgelenk gebrochen. Da hatte er mich zum ersten Mal geschlagen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war meine Familie wirklich ganz schon zerstört.

Aber jetzt ist sie noch zerstörte. Andere Geschichte. Ich nahm den nächsten Flug nach Hause. Am Flughafen holte mich dann meine Mom an und ich merkte, dass die Glasscheibe, durch die ich die Welt vorher gesehen hatte, verschwunden war.

Ich fing an, wieder normal zu leben. Es war ein so schöner Tag, mal davon abgesehen, dass ich meinen Vater angeschossen hatte, es regnete und das Schlimmste von allem: mein Exfreund im Regen vor meiner Haustür gesessen hatte.

Warum ich hier bin...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt