Kapitel 16

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Am nächsten Tag mussten wir Dad leider wieder zum Flughafen fahren. Das machte mich aber nicht so traurig, wie ich es erwartet hatte.

Ich war sogar etwas froh. Und das hatte einen ganz simplen Grund: am Abend davor hatten meine Eltern gevögelt, was mich zutiefst verstört hatte. Außerdem war das ein Sonntag, der bekanntlich neben Montag der schlimmste Tag in der Woche ist.

Das einzig Gute an dem Tag war, dass ich immer zu Trish ging und wir irgendwelche komischen Filme guckten. Aber das ging an dem Tag nicht, weil Trish bei ihrer Oma war.

Also guckte ich alleine Filme und war insgeheim neidisch auf Trish, weil sie ihre Großeltern direkt vor der Nase hatte und ich nicht. Die Eltern meiner Mutter sind vor 30 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und die Eltern meines Vaters waren in Kanada. Weil sie aber auch keine Ahnung hatten, wie Skype funktioniert oder generell das Ganze mit der Zeitverschiebung, sahen wir uns nur, wenn ich nach Kanada​ kam, um Dad zu besuchen.

Wenn man so darüber nachdenkt, war mein Leben gar nicht mal so schön, obwohl ich ständig angehimmelt wurde.

Ich war aber damals sehr wählerisch, weshalb ich auch keinen Freund hatte, mit dem ich hätte reden können. Das hat mich aber auch nicht wirklich gestört, ich war eher so ein Einzelgänger.

Aber genug von meinen sozialen Problemen. Ich erzähle das alles nur, weil ich an dem Tag einen weiteren, bedeutenden Schritt in meiner "Verbrecher-Karriere" machte.

Mir war langweilig, weswegen ich in Bikini mit dem Zug in die Stadt fuhr. Als ich von den verschiedensten, überwiegend männlichen Personen angestarrt wurde, wurde mir klar, wie viel Spaß es macht, das zu machen, was keiner erwartet. Von da an versuchte ich, so unberechenbar wie möglich zu werden.

Ich lernte außerdem, dass, egal wie schlau eine Person auch scheinen mag, man sie mit einem überragenden Sexappeal aus der Fassung bringen konnte.

Daraus formulierte ich ein Experiment: Ich wollte verschiedene Gruppen von Typen ansprechen und sehen, wie sie reagieren.

Ich startete bei einer Gruppe Nerds. Die Reaktion war wie in allen Serien und Filmen: Sie wurden rot, schauten mir nicht in die Augen und waren augenscheinlich erregt.

Die zweite Gruppe bestand aus "Fußballspielern", also Poser Typen. Deren Reaktion war zweigeteilt: Die einen fühlten sich eher unwohl und wollten mir nicht auf die Möpse starren. Die anderen starrten mir ohne Hemmungen auf die Möpse. Was für ein Serienklischee!

Die dritte Gruppe bestand aus normalen Typen. Die Reaktion fiel immer anders aus (ich nahm immer mehrere Gruppen): Die einen reagierte wie die Nerds, die anderen wie die "Fußballer".

Nur eine Gruppe stach heraus: Sie ließen sich nicht von meinem Outfit beirren und unterhielten sich ganz normal mit mir. Danach tauschten wir Nummern aus. Ich glaube, die hatten mich als "Das hotte Bikini-Chick" eingespeichert.

Ich wollte eigentlich auch noch eine Gruppe Senioren ansprechen, ich war nur nicht mutig genug. Wer weiß, was alles hätte passieren können: Sie hätten einen Herzinfarkt haben können, sie hätten als pädophil gelten können, sie hätten mich vergewaltigen können. Das erste Szenario ist natürlich am wahrscheinlichsten.

Ich wäre aber auch zeitlich gar nicht dazu gekommen, weil 1. ich an dem Abend ein aufgenommenes Eishockeyspiel meines Dads sehen wollte und 2. weil ich von der Polizei verhaftet wurde. Sie sagten wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses", aber ich denke, es hätte mehr gepasst, wenn man die letzteren beiden Wörter weggelassen hätte.

Meine Mom musste ein Bußgeld von 500€ (glaube ich zumindest) bezahlen und ich musste dafür alles Zuhause machen. Und zwar wirklich alles, also putzen, kochen, aufräumen, etc.

Trotzdem hatte sich der Bikini-Trip gelohnt. Es hatte viel Spaß gemacht und ich habe mal für einen Moment vergessen, wie beschissen mein Leben war. (War es nicht, ich spiele nur gern die Drama-Queen)

Warum ich hier bin...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt