Kapitel 28

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Ich denke, du weißt, was passiert ist? Ich weiß, ich lag da. Ich sah ein Licht​. Es kam näher. Mein Atem stockte. Plötzlich holte ich ruckartig tief Luft. Mein Kopf fuhr hoch. Ich sah viele fremde Gesichter. Doch bevor mein Kopf den Boden erneut erreichte, wurde es wieder schwarz.

Ich sah Trish und Logan, die mich anlächelten und mir je eine Hand reichten. Ich strahlte förmlich zurück. Ich streckte meine Hände beiden entgegen. Bevor sich aber unsere Fingerspitzen berühren konnten, schlug ich die Augen auf und sah ein grelles Licht.

Nicht das Licht wie zuvor, dieses war künstlicher und einfach anders. Hektisch bewegte ich meinen Kopf hin und her, versuchte es zumindest, denn ich konnte mich nicht bewegen, ohne einen gleißenden Schmerz in jeder Zelle meines Körpers zu spüren.

Alles, was ich sah, war weiß. Die Wände, die Tür, das Bett. Ich fragte mich, ob ich im Himmel wäre, doch dann fiel mir auf, dass hier, wenn es der Himmel wäre, überall Essen herumliegen würde.

Außerdem würden Trish und Logan neben meinem Bett sitzen und nicht mein erleichtert lächelnder Vater. Später fiel mir auf, dass ich wahrscheinlich eher in der Hölle landen würde, die ich dann wahrscheinlich so regieren würde, wie Trump die USA.

Mein Vater drehte sich um und sprach den Namen meiner Mutter aus. Diese bewegte sich zum Fußende meines Bettes und sah mich mit skeptischem Blick an. Ich wollte lächeln, ihnen sagen, dass alles okay wäre, doch ich fiel in einen tiefen Schlaf.

Als ich wieder erwachte, waren meine Eltern verschwunden. Stattdessen saß ein, in weiß gekleideter, Mann mit langem Bart vor mir. Ich flüsterte ,,Gott?", woraufhin der Mann vor mir anfing, zu lachen und sagte, für manche wäre er ein Halbgott. Das war anscheinend mein Arzt.

Er nannte mir ein paar medizinische Begriffe, von denen ich natürlich nichts verstand. Ich war zu vertieft in Gedanken.

Ich wollte weinen, weil ich meinen Freund getötet hatte. Ich wollte lachen, weil ich noch lebte. Ich wollte schreien, weil ich noch hier war und nicht im Knast.

Diese vielen Gefühle, die mich innerhalb von Sekunden durchzuckten, kann man nicht beschreiben. Man ist erleichtert, aber auch sich seiner Schuld bewusst. Man ist beschämt und auch wütend.

Ich hörte dem Mediziner erst wieder zu, als er sagte, es wäre ein Wunder, dass ich mir keinen einzigen Knochen gebrochen hatte. Ich hatte ein paar geprellte Rippen und innere Blutungen. Ich war anscheinend auch kurzzeitig medizinisch tot gewesen. Das würde das Licht erklären.

Als der bärtige Mann mich fragte, ob ich meine Eltern sehen wollte, nickte ich. Oder versuchte es zumindest. Er verschwand und meine Eltern kamen herein. Mein Vater setzte sich sofort neben mich ans Bett, meine Mutter jedoch stand am Rand und starrte mich an, als wäre sie unschlüssig, was sie jetzt machen sollte.

Sie entschied sich anscheinend, sich neben mich zu setzen und sich zum Lächeln zu zwingen. Ich fragte sie, was mit ihr los sei, doch meine Stimme war nicht mehr als ein gequälten Flüstern. Sie sah mich an und sagte mir, Logan sei tot.

Er wäre durch eine Schussverletzung gestorben, in einer dunklen Gasse. Eine ältere Dame hätte ihn und seinen Bruder dort liegen sehen und vor ihnen hockte die zusammengekauerte Gestalt eines Mädchens.

Sie flüsterte mir außerdem zu, die Polizei würde mich verdächtigen. Sie fragte mich, ob ich es gewesen sei. Ich antwortete nicht. Unter Tränen warf mir meine Mutter schreiend mehrmals die Frage an den Kopf. Ich schwieg jedoch weiter.

Sie flippte komplett aus und warf mit Sachen um sich. Mein Vater trat zu ihr und zerrte sie aus meinem Zimmer. Danach kam er wieder rein und fragte mich das Gleiche. Er sagte mir auch, er würde mich immer lieben, egal, ob ich unschuldig sei oder nicht.

Für Mom konnte er jedoch nicht sprechen. Ich fragte ihn schwach, ob es eine Gerichtsverhandlung geben würde, was er mit einem Nicken seinerseits bestätigte. Ich sagte, ich wüsste, was ich getan hatte, ob ich schuldig oder unschuldig war, aber ich wollte einen Anwalt.

Ich schlug Channing Tatums Mutter vor, mit ihr hatten wir schon etliche Prozesse gewonnen. Dad wurde bereits mehrmals wegen Körperverletzung verklagt, als Eishockeyspieler passiert das schon mal. Wir hatten alle Prozesse bisher gewonnen, auch wenn Dad eigentlich schuldig war.

Mein Vater nickte und ging. Die nächsten Woche rang ich mit mir, ob ich ins Gefängnis gehen wollte. Einerseits war ich neugierig, andererseits liebte ich meine Freiheit. Ich wollte herausfinden, was mit einem Mädchen passiert, wenn es die Seife fallen lässt (btw nichts), trotzdem wollte ich meine Familie, meine Freunde und meine sorgfältig geplante Zukunft nicht verlieren.

Ich konnte nicht einfach herumtelefonieren und jeden fragen, ob er mich verstoßen würde, wenn ich ein Mörder wäre. Das war eine Frage, die ich selbst und allein beantworten musste. Dann kam der Tag der Gerichtsverhandlung.

Ich schaute in die Runde und sah meinen Vater, meine Mutter, Channing Tatum, Logans Eltern und sogar meine Großeltern, obwohl deren Auftauchen ihnen nicht viel brachte, sie sprechen ja kein Deutsch.

Zuerst wurde die Tat vorgestellt: kaltblütiger Mord an einem Jugendlichen und einem jungen Erwachsenen. Meine Anwältin trat vor und sagte dem Richter, ihre Mandantin würde sich selber zum Sachverhalt äußern.

Ich stand auf, holte einmal tief Luft und sagte: ,,Euer Ehren, ich plädiere..." Ich drehe mich einmal um und sah in die hoffnungsvollen Gesichter meiner Familie und meiner Freunde.

Ich wandte mich wieder dem Richter zu und beendete meinen Satz mit: ,,... schuldig".

Warum ich hier bin...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt