Miracle

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6 Monate später
Lexie schreckte auf. Schweißgebadet vor Angst, saß sie kerzengerade in ihrem Bett. Ihr fiel es schwer sich zu beruhigen und gleichmäßig zu atmen. Der Absturz war nun schon ein halbes Jahr her und trotzdem träumte sie fast jede Nacht davon, spürte die unerträglichen Schmerzen noch einmal und sah Mark mit tränenerfüllten Augen vor ihr liegen, hoffend auf ihr Überleben. An diesem Tag hatte er aber auch die lang ersehnten drei Wörter zu ihr gesagt und ihr seine Liebe erklärt. Das war die schönste Erinnerung an diesen Tag, jedoch war sie mit dem schrecklichem Bewusstsein verbunden gewesen, dass Mark und Lexie niemals eine Zukunft miteinander erleben durften. Jetzt hatten sie zum Glück die Chance auf diese Zukunft und verhielten sich wie Idioten. Mark schlief heute wegen einem unsinnigen Streit bei Meredith und Derek, irgendwie lächerlich. Gerade Mark musste doch bewusst sein, wie kurz das Leben ist und wie wertvoll jede einzelne Sekunde. Sie beide hatten sich unfassbar stur verhalten. Lexie wusste auch nicht, wieso sie sich seit Wochen so seltsam verhielt und warum sie Mark so schnell angeschrien hatte, jedoch musste er doch jetzt nicht eingeschnappt durch die Gegend stolzieren und ihre Entschuldigungen ignorieren. Seit Tagen hatte er sich nicht bei ihr gemeldet und selbst bei der Arbeit, hatte er kein Wort mit ihr gewechselt, was man wirklich als eine Kunst bezeichnen konnte. Naja, wahrscheinlich hatte sie ihn mit den Worten „Verschwinde einfach und komm nicht wieder" selbst auf die Idee gebracht, aber er wusste doch, wie schnell Lexie durchdrehte und ihm musste doch bewusst sein, dass sie das nicht ernst gemeint hatte. Vor allem nachdem sie ihm mehrfach auf die Mailbox gesprochen hatte, wie sehr sie ihn liebte, was immer noch eine Untertreibung, war, hätte er ihr verzeihen können. Lexie könnte niemals ohne Mark leben. Sie war nahezu abhängig von ihm, er war ihre Schwäche und hatte die volle Macht über sie. Das war ihm auch bewusst und deshalb nutzte er das jetzt schamlos aus. Das Gute an der Sache war jedoch, dass es anderherum genauso war, auch wenn Mark seine Gefühle nicht so oft offen preisgab und lange nicht so emotional war, wie Lexie, wusste sie, dass sie alles für ihn war. Das wusste praktisch das ganze Krankenhaus und Lexie fand den Gedanken, dass ihre Liebe auf absoluter Gegenseitigkeit beruhte unbeschreiblich schön. Sie wollte aufstehen, um zur Küchentheke zu gehen und sich die Autoschlüssel zu schnappen, jedoch wurde ihr schon beim ersten Schritt in diese Richtung kotzübel. Sie konnte sich kaum auf ihren Beinen halten, geschweige denn die Kraft dazu aufbringen die Badezimmertür zu öffnen, weil sie wusste was als nächstes passierte.  Sie schaffte es gerade noch den Toilettendeckel hochzuklappen, um daraufhin das Essen vom vorherigen Abend loszuwerden.

Zur selben Zeit im Seattle Grace Mercy West
„Du bist so ein Idiot". Callie schnippte mit ihren Fingern vor Marks Augen „Hörst du mich McSexy? Du bist ein Idiot. Ruf sie doch einfach an." Mark schüttelte abwehrend den Kopf, wie Sofia, wenn sie sich weigerte schlafen zu gehen. Callie lachte schallend, als ihr die Ähnlichkeit bewusst wurde. Bei Sofia fand sie den Anblick irgendwie niedlicher. Verwirrt über ihre Reaktion, schaute Mark seiner besten Freundin fragend in die Augen. „Ich bin kein Idiot. Lexie ist einer." Natürlich wusste er, dass er sich kindisch verhielt, zugeben wollte er es jedoch nicht. Callie stöhnte auf „Du solltest mit ihr reden, Mark. Ich weiß, dass du sie vermisst." Lachend antwortete Mark „Pff! Was sollte ich denn bitte vermissen? Die ständige Streiterei? Stimmungsschwankungen, wie bei dir als du mit Sofia schwanger warst? Ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten. Gut, du hattest eine Ausrede, aber Lexie? Warum verhält sie sich so seltsam?". Komischerweise lachte Callie nun schon wieder. Verwirrt bat Mark sie „ Bitte, verhalt du dich nicht auch noch so fremdartig. Sonst dreh ich durch! Warum lachst du denn jetzt so? Die ganze Situation ist alles andere als lustig. Ich will meine kleine Grey zurück. Denkst du, ich hab irgendetwas falsch gemacht? Glaubst du, ich muss mich bei ihr entschuldigen?" Als Callie in seine mutlosen Augen sah, verstummte ihr Lachen abrupt. „Willst du ganz ehrlich wissen, was ich denke Mark?  Ich denke, dass du gerade mit der falschen Person sprichst. Diese ganzen Sachen sollte Lexie von dir hören. Auch wenn du gerade zu stolz dafür bist es zuzugeben, weiß ich eins, mit euren ständigen Streitereien warst du tausend mal glücklicher als du es jetzt bist. Ich kenne dich ganz gut Mark, deswegen sehe ich auch sofort die Veränderung in deinen Augen, wenn du Lexie anschaust.  Sie beginnen zu leuchten und zu funkeln. Das klingt zwar jetzt alles ziemlich kitschig, aber dir muss unbedingt klar werden, dass dein Leben ohne Lexie eine absolute Katastrophe wäre. Ich will dich nicht an den Flugzeugabsturz erinnern, aber..." Mark unterbrach sie mit Tränen in den Augen „Stop, Callie nein, bitte lass das sein! Du weißt, dass ich sie liebe und ich weiß das auch okay? Ich vermisse sie so sehr, dass es weh tut, obwohl wir erst seit einer Woche nicht mehr miteinander geredet haben. Also kannst du dir wohl die Frage, ob ich mir ein Leben ohne sie vorstellen kann, sehr gut selbst beantworten. Hör auf mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Das ist nicht fair." Kopfschüttelnd antwortete Callie „Weißt du was nicht fair ist? Dass Lexie dich seit einer Woche ununterbrochen versucht zu erreichen und du sie wegstößt. Tut mir leid, aber das ist wirklich bescheuert von dir! Du kennst Lexie doch. Sie wird vom Schlimmsten ausgehen und total fertig sein." Als Mark zu einer Antwort ansetzte, gingen plötzlich gleichzeitig Callies und sein Pieper los. „Notfall. Wir müssen los", sagten beide wie im Chor und stürmten schnell aus dem Raum. Als sie in der Notaufnahme ankamen, herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Immer mehr Verletzte wurden eingeliefert und es kam ein Krankenwagen nach dem anderen an. Dr. Webber rief ihnen durch das Getöse zu „Sloan, Torres, wir brauchen sie am Unfallort. Eingestürztes Gebäude in der Park-Avenue. Schnappen sie sich jeweils einen Assistensarzt und los mit ihnen." Schnell rief Callie nach den ersten Namen, die ihr in den Sinn kamen „Wilson, Warren, holen sie das Nötigste und machen sie sich auf den Weg zum Unfallort." Die beiden nickten kurz und folgten sofort ihren Anweisungen. Webber fügte noch lauthals hinzu „Achja und Sloan, piepen sie die kleine Grey an, sie hat zwar heute frei, aber wir können jede Hilfe gebrauchen." Mark drehte sich unmittelbar danach zu Callie „Piep du sie an, schnell! Das erste Mal, wenn ich mich wieder bei ihr melde, soll nicht wegen einem Unfall sein. Wenn ich versuche sie zu erreichen, soll es wegen einer Entschuldigung sein. Bitte!" Callie verdrehte zwar die Augen, handelte aber dennoch nach Marks Bitte und piepte Lexie an. Insgeheim hoffte Mark, dass Lexie in der Notaufnahme bleiben musste, während er am Unfallort arbeitete. Er hatte eine Heidenangst sie wieder zu sehen, weil er genau wusste, dass er es sich mit ihr versaut hatte, nachdem er nicht auf ihre Nachrichten geantwortet hatte. Diese Nachrichten hat er sich übrigens noch nicht mal angehört, weil ihm bewusst war, dass er sonst nachgegeben hätte und das hatte er zu dem Zeitpunkt noch nicht gewollt. Jetzt wollte er jedoch nichts sehnlicher, als alles mit Lexie zu klären und ins Reine zu bringen. Zum Glück hatte er eine beste Freundin, wie Callie, die ihn wahrscheinlich besser kannte, als er sich selbst und immer genau die richtigen Worte für ihn fand. Auf der Fahrt zum Unfallort, zermarterte er sich die ganze Zeit den Kopf darüber, wie er sich bei Lexie entschuldigen sollte. Er war so tief in Gedanken versunken, dass er noch nicht mal merkte, wie der Wagen anhielt. Callie musste ihn quasi aus dem Auto zerren, weil er sonst nichts mitgekriegt hätte und einfach sitzen geblieben wäre. Aus dem Auto ausgestiegen, erteilte er Wilson und Warren sofort die Aufgabe, alle Verletzten zu finden und sich auf der Stelle so weit es ging um sie zu kümmern. Er tat es ihnen gleich, während Callie schon dabei war eine schlimme Beinverletzung zu behandeln. Mark schaute sich um und hörte ein winselndes Geräusch unter den Trümmern. So schnell es ging folgte er dem Winseln und fand eine junge Frau, die vom Torax herab, unter einer schweren Metallplatte eingeklemmt war. Sie war schwer am Keuchen und er konnte es nicht verhindern, Lexie in dieser Frau zu sehen. Sofort merkte er, wie die Panik ihm die Kehle zuschnürte und er anfing schwerer zu Atmen. In seinen Gedanken wiederholte er ständig den Satz  „Das ist nicht Lexie, das ist nicht Lexie, das ist nicht Lexie", doch es half nichts. Er konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren und seine Tränen liefen ihm ununterbrochen die Wangen herunter. Er schloss die Augen, um seine Gedanken auf die Verletzungen der Frau zu lenken. Als er die Augen wieder öffnete, war die junge Frau noch schwerer am Atmen als zuvor. Er versuchte die Metallplatte zu stemmen, sie war jedoch zu schwer für ihn. Er wusste genau, dass es aussichtlos war, denn sie würde in den nächsten Minuten sterben . Nichts und niemand konnte ihr mehr helfen. Ihre Verletzungen schienen nämlich der Blutlache nach zu urteilen, noch schwerwiegender zu sein als die von Lexie damals. Als er merkte, wie die Angst ihm erneut die Kehle hochzukriechen drohte, vergaß er sich ganz und bekam ganz schlimme Schnappatmungen, während die Frau aufhörte zu atmen. Schwer keuchend murmelte er „Wie sind doch füreinander bestimmt, wir sind doch füreinander bestimmt Lexie". Plötzlich hörte er wie jemand auf ihn zugelaufen kam und seinen Namen rief. Er konnte kaum glauben, dass es Lexies Stimme war. Mark war immer noch schwer am schluchzen und hatte sein Gesicht vor Verzweiflung in seine Hände gelegt. „Mark? Mark! Hey, es ist alles gut." Lexie setzte sich zu ihm, umarmte ihn fest und strich dabei sanft durch seine Haare. Sie wusste natürlich sofort was los war als sie die kürzlich verstorbene Frau betrachtete und musste ebenfalls unmittelbar an den Flugzeugabsturz denken. Lexie beobachtete Mark dabei, wie er vorsichtig sein Gesicht aus seinen Händen nahm und ihr langsam in ihre braunen Rehaugen schaute. Sofort beruhigte sich sein Puls und es fiel ihm wieder leichter gleichmäßig zu atmen. Erleichtert fragte er „Dir geht es gut?" Sie lächelte ihn an, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und murmelte leise „Mir geht es immer gut, wenn ich mit dir zusammen bin." Gerührt gab er ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Es tut mir leid, Lex. Es tut mir so leid, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Es war so dumm..." Lexie platzierte ihren Zeigefinger auf seine Lippen „Pscht, das ist jetzt nicht wichtig. Wir haben es beide vermasselt. Außerdem habe ich dich dazu aufgefordert" Sie fing an zu grinsen, Mark schüttelte jedoch leicht den Kopf und verneinte dies „Ich hätte nicht auf dich hören sollen. Hättest du auch nicht getan. Ich habe dich vermisst. Ich habe dich wirklich sehr vermisst, Lexie" Erneut stiegen ihm Tränen in die Augen, diesmal vor Wut auf sich selbst. Lexie nahm dies zur Kenntnis. Sie lehnte sich langsam vor und die beiden küssten sich sanft. „Ich liebe dich, Lex. Du bist meine kleine Grey. Für immer, okay?" Sie nickte bestätigend den Kopf und schaute ihm zärtlich in seine eisblauen Augen. „Ich liebe dich auch."

'You save me
I save you
A miracle that was meant for two
I save you
You save me
A miracle with every beat of my heart'
~Miracle, Julian Perretta

Füreinander bestimmt?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt