6.Kapitel

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Die Schule in der Stadt wurde nicht nur von den Kindern des Waisenhauses besucht, die täglich mit den zwei Bussen vor das große, alte Gebäude gefahren und am Nachmittag wieder angeholt wurden, sondern auch von den Kindern die in der Stadt und dem Umkreis wohnten.

Never Hills war eine typische Kleinstadt um die sich meilenweit nichts als Felder und kleine Wäldchen erstrecke. Das Waisenhaus lag etwas abseits und man brauchte mit dem Bus circa fünf Minuten um an die Schule und die Altstadt zu gelangen.

Never Hills besaß ein kleines Bed and Breakfast, einen Bücherladen, einen Bäcker, einen Supermarkt, einen Mechaniker und andere kleine Läden die sich in einer schmalen Gasse entlang drückten, eben diese Gasse die ich in diesem Moment entlang schritt.

Ich hatte meinen Kopf leicht gesengt, denn hier vielen Teenager die zu dieser Uhrzeit nicht in der Schule waren automatisch ein Grund das Waisenhaus zu benachrichtigen.

Zwischen Englisch und Geschichte hatte ich beschlossen die letzte Stunde ausfallen zu lassen und stattdessen einen kleinen Ausflug zu unternehmen.

Es war etwas wärmer geworden, so dass ich meinen Mantel öffnen konnte und meine Füße in den Wollkniestümpfen und den Gummistiefeln angenehm warm waren.

Das Café ‚Never' war weder besonders modern, noch elegant oder geschmackvoll. Aber ich mochte es.

Ein wirkliches Café war es eigentliche auch nicht, denn gegen Abend wurde der Tresen aus schwerem Eichenholz als Bar umfunktioniert und etwas Elvis oder Joe Cocker aufgelegt, dann trafen sich dort Herren mit Vollbart und Zigarren und während sie sich eine Wolke auf dichtem Nebel um sich herum qualmten, tranken sie guten alten Whiskey.

Das sanfte Klimpern der Türglocke schwang mit dem Duft von Zigaretten, warmen Kuchen und altem Holz mit.

Ich streifte mit meinen Stiefeln kurz, routinemäßig über die abgewetzte Fußmatte, bevor ich grüßend die Hand hob und Erik zulächelte.

Unbewusst bemerkte ich, dass sich meine Wangen rot färbten und hoffte, dass es zumindest Eriks wachsamen Bourbon Augen entging.

Denn Erik war cool, das war er tatsächlich. Er trug Hoddis, Lederjacken und zerrissene Jeans.

Außerdem drehte er sich seine Zigaretten selbst und spielte Videospiele, bei denen ich mich nicht besonders gut auskannte, aber manchmal trug er solche T-Shirts auf denen irgendwelche Insiderwitze standen, die nur Leute verstanden die diese Spiele kannten.

Heute trug er einfach nur ein schwarzes T-Shirt und was seine tollen Arme betonte.

Erik war so cool, dass jeder mit ihm befreundet sein wollte. Und mich machte er nervös. Einfach weil es eben in seiner Natur lag Mädchen nervös zu machen.

„Hey Alice." Schallte seine dunkle Stimme durch die sanfte Klaviermusik im Hintergrund zu mir hinüber „Ich frage jetzt mal besser nicht wieso du nicht in der Schule bist." Lachte er und die Gläser die er gerade spülte klirrten als er sie in ein Regal hinter sich einräumte.

Ich überlegte noch was ich sowohl witziges, als auch intelligentes Antworten könnte, aber er schien mich schon wieder ganz vergessen zu haben als er seine Hände hinter der Theke ins Spülwasser tauchte.

Also seufzte ich bloß und steuerte durch die kaum besetzten Tische auf einen Durchgang, ein paar Stufen höher an, hinter dem ein holzvertäfelter Raum lag.

Helens blonde Haare fielen ihr bis zu Hüfte und verdeckten fast ihren ganzen schmalen Rücken.

Sie bemerkte mich nicht als ich auf das Klavier an dem sie saß, zusteuerte und kurz beobachtete wie ihre rosa lackierten Finger über die Tasten schwirrten. Die Melodie war ein Surren an einer Schnur, so leise und doch war sie da, sie setzte viele kleinere summende Stimmen frei, die weinten, lachten manchmal flüsterten sie.

Als man Alice das Wunderland nahmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt