9. Kapitel

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Auf leisen Füßen hatten wir das Waisenhaus durch die Hintertür verlassen, und dieses Mal als wir durch die Gasse liefen und zwischen den gedämpft murmelten Worten fühlte ich mich sehr viel sicherer als diesen Mittag als ich sie zum Pub langgelaufen war.

Neben mir hüpfte Iben leicht und ich konnte spüren wie Colin sie beobachtete und Penny etwas unsicher neben ihm her lief und mit halben Ohr Kates Gekicher lauschte. Vor mir lief Meryl, gesäumt von Nico, Josh und Marc, während Peter mit wehendem Mantel und langen Schritten vor uns her lief und zielstrebig auf den Park ansteuerte, dessen Baumwipfel schon über den Dächern der Häuser hervorlugten und in das silbrige Licht des Vollmondes tauchte.

Unsere Atemzüge in der beißenden Kälte vermischten sich mit dem Klappern von ein paar Fensterläden über unseren Köpfen und dem Bellen eines Hundes.

Als wir das Waisenhaus verlassen hatten, hatte Penny einen Stein zwischen die Türen geklemmt, so dass wir möglichst wieder unbemerkt reinkommen konnten bevor die Köchin um halb sechs am Morgen die Küche aufschloss und begann das Frühstück vorzubereiten, spätestens dann mussten wir wieder in unseren Zimmern, hinter sicher geschlossenen Türen liegen, aber bis dahin war die Gefahr gering entdeckt zu werden.

Aus sicherer Quelle wussten wir dass der Aufseher nach seinem letzten Rundgang um viertel nach neun zum Schlafengehen eine Tasse Melissengeist zu sich nahm.

Als ich den Park neben Iben betrat hielt sie andächtig den Atem an, als wären die Lichter zwischen den Bäumen das Spannendste das sie je gesehen hatte.

Ich zog meinen Mantel über meine Brust und verschränkte die Arme darüber, neben mich trat Penny und ohne dass es die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zog raunte sie mir etwas ins Ohr.

Ich erstarrte. Nein! Das konnte sie vergessen. Ich schüttelte entsetzt den Kopf.

Ihre Finger wanderten zu meinem Oberarm und drückten ihn um die Dringlichkeit ihrer Worte zu betonen. Sie wusste dass ich es tun würde schon bevor ich es wusste.

Wütend kniff ich die Lippen zusammen.

Eine Windböe ließ die Fackeln neben dem Schuppen auf den Holzpfählen zittern und verwehte kurz etwas von der in Bass getränkten Musik die uns endgendröhnte.

Peter trat als erster auf die Holzleiter und stieg daran hinauf um dann ohne zu zögern die Luke aufzustoßen und sich davon verschlucken zu lassen, das letzte was ich sah war der Zipfel seines Mantels.

Unauffällig wartete ich bis alle, bis auf Penny, Kate und Iben darin verschwunden waren. Kate legte gerade die Hand auf die Leiter und sah sich um als Iben nicht folgte und mich anstarrte „Kommst du Alice?"

Penny drehte sich um und ihre Augen fanden meine, immer noch leuchtend in der Dunkelheit als sie eine Augenbraue hob.

„Alice wartete noch kurz." Antwortete sie für mich und Ibens Blick wanderte zwischen uns hin und her.

„Was? Wieso?" verständnislos runzelte sie die Stirn.

Ich musste es tun, es hatte keinen Zweck jetzt dramatisch und emotional zu werden, das würde niemandem helfen, im Gegenteil.

Erneut wehte ein Wind durch die Blätter der Baumkronen und ließ einzelnes Laub auf uns regnen und Strähnen aus meiner Frisur locken.

„Ich komme gleich nach." Ich lächelte wenig überzeugend und Iben zögerte bevor sie von Penny zu Leiter geschoben wurde. Als auch Penny in dem Schuppen verschwand, begegneten sich unsere Blicke und ich nickte schwach, fast schon kraftlos, was sie mit einem harten Ausdruck in den Augen wahrnahm.

Als man Alice das Wunderland nahmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt