Kapitel 4

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Als ich am nächsten Morgen aufstand und in meinen Spiegel sah, blickte mir ein hübsches Mädchen entgegen. Die langen Haare hingen zerzaust über meine Schulter und die blauen Augen stachen hervor. Man musste nur die roten Augenringe hinweg denken und schon würde ich aussehen wie immer. Ich seufzte und machte mich auf, meine Haare zu bändigen. Nach dem Kämmen nahm ich ein Haarband und steckte die vorderen Haare nach oben. Die hinteren ließ ich locker fallen.

Als ich damit fertig war, zog ich mein Nachtgewand aus und ging zur Wasserschüssel. Ich nahm ein Tuch und säuberte meinen Körper. Dabei fuhr meine Finger über mein Zeichen, das vom Ritual herkam. Ein paar Minuten nach der Geburt wir man auf ein Tisch gelegt und an der Körperseiten auf Höhe der linken Brust wird das Wappen der Familie mit schwarzer Tinte hinein geritzt, um zu beweisen, dass das Kind auch wirklich zur Adelsfamilie gehörte. Ich fragte mich schon immer, ob mein Vater das Ritual auch vollzogen hätte, wenn er früher von dem Tod meiner Mutter erfahren hätte. Wäre dem nicht so, wäre ich wohl in den Fluss geworfen worden.

Dieses Zeichen werde ich dem Vater meines Verlobten vor der Hochzeit zeigen müssen, um mein Adelsblut zu beweisen. Hoffentlich habe ich dabei noch etwas an und stehe nicht nackt vor dessen Augen. Dieser Gedanke lies mich erschaudern.

Ich zog mir ein einfaches braunes Kleid an, dessen Ärmel weiß und mit Spitze verziert waren. Das Korsett, das auch braun war, aber mit einem hellen Muster verziert war, sodass es dem Kleid eine edle Note verlieh, wurde vorne geschnürt. Dadurch konnte ich es ganz einfach festziehen.

Als ich fertig angezogen war, machte ich mich auf zu dem kleinen Saal im Nebenhaus, wo ich das Frühstück zu mir nahm. Ich bin nur zum Abendessen im Haupthaus geladen. Was mir aufgrund meiner verquollenen Augen gerade recht war.

Ganze zwei Diener hat Vater mir hier zugeteilt, die dem Alter nach meiner Zofe ziemlich Konkurrenz machten. Dem entsprechend langsam lief hier alles ab, was mich aber nicht störte, da ich sowieso nicht viel zu tun hatte.

Nach dem Essen schlich ich mich zu einen kleinen Nebenraum uns stieg aus dem Fenster. Es hat auch Vorteile nicht ständig beobachtet zu werden. Ich verbrachte meine Nachmittage oft im kleinen Wald. Lief einfach nur durch diesen oder setzte mich an den Weiher. Doch heute schlenderten ich zielstrebig zu meinem Lieblingsort.

Angekommen schaute ich auf einen Baumstamm, der ungefähr einen Kopf größer war als ich. Du siehst ziemlich runtergekommen aus, kleiner Freund. Dies hielt mich aber nicht davon ab zu einem nahegelegenen Busch zu laufen und mein Dolch zu holen. Ich stellte mich vor dem Baum und schlug mit gezielten Stichen zu.

Damit habe ich mit 9 Jahren angefangen, als ich erst so richtig begriff, dass Vater mich hasste. Mir viel auch auf, dass er mir weniger Wachen zuteilte und nicht so beschützen ließ wie meine Brüder. Dann muss ich mich eben selbst beschützen können, dachte ich damals und stahl einen Dolch, den ich dann immer unter meinen Kleid versteckte. Ich wusste nicht, was auf mich zu kommen würde, weshalb ich es für das Beste hielt damit umgehen zu können.

Ausgepowert lehnte ich mich an einem Baum und schaute aufs Wasser. Noch vier Tage. Davon habe ich noch drei Tage Zeit mich hierhin zurückzuziehen. Nachdem die Verlobung bekannt gegeben wird, werde ich am selben Abend aufbrechen und in mein neues Zuhause ziehen. Angst kam in mir hoch. Ich wusste nicht, was das für ein Mensch war, dem ich versprochen war. Wie es da wohl ist? Sicherlich ist das Gebäude nicht so groß wie unseres Heim. Schließlich sind sie ja nur blöde Grafen.

In Gedanken vertieft, vernahm ich erst spät das Rascheln hinter mir.

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