8. Ich bin im Himmel und Luke bekommt einen Schwächeanfall

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8. Ich bin im Himmel und Luke bekommt einen Schwächeanfall

Kaum hatte ich Luke losgelassen, forderte auch schon Upps meine gesamte Aufmerksamkeit. Sie zerrte knurrend an meiner Umhängetasche, ihr Schwanz wedelte freudig.

»Tut mir leid, Kleine, aber jetzt können wir noch nicht spielen«, sagte ich lachend und beugte mich zu meiner Hündin herunter, um sie zu streicheln. Ihr Fell war weich und seidig und roch wunderbar - Luke hatte sein Versprechen wohl gehalten, das beinhaltete, dass er Upps mal wusch und ihr Fell jeden Tag ordentlich durchkämmte.

Ich hatte schon ziemlich blöde Erfahrungen gehabt, an Tagen, an denen ich vergaß, sie zu bürsten. Glaubt mir, es ist kein Spaß, einen Knoten von der Größe einen Tennisballes aus dem langen Fell eines Australian-Shepperds zu lösen. Das hätte wahrscheinlich Tage gedauert, wenn ich nicht irgendwann völlig entnervt zur Schere gegriffen hätte. Danach hatte Upps zwar eine kahle Stelle, aber die war relativ schnell wieder nachgewachsen, und fiel deutlich weniger auf, wie dieser Knoten, der wie ein von einer Katze ausgewürgter Haarball aussah.

Naja, auf jeden Fall war ich ziemlich stolz, dass Luke sein Versprechen gehalten hatte. Ich kann mich noch zu gut an einem Tag erinnern, an dem er versprach, mich von einer Party abzuholen. Schlussendlich musste ich in dem Haus übernachten, obwohl ich seinen Besitzer nicht einmal kannte, da ich mich heimlich auf die Party geschlichen hatte.

Ehrlich, versucht ihr Mal zu erklären, warum ihr als Fremde auf einer Couch liegt, die euch nicht gehört, und die daraufliegenden Kissen vollsabbert. Ich hatte Glück, dass der Sohn des Hausinhabers behauptete, ich wäre eine Freundin von ihm. Wäre sicher super toll geworden, zu erklären, wie ich hier herein gekommen war. Noch spaßiger, als der Polizei zu erklären, warum Luke einmal auf einer Straßenlaterne saß, und sich nicht wieder heruntertraute.

Aber ich schweife ab.

Geistesgegenwärtig entzog ich Upps meine Tasche. Nicht, dass noch jemand ihren Inhalt zu sehen bekam. Dann säße ich in noch tieferem Mist als bereits jetzt.

»Jetzt kommt schon mit rein«, rief Tony uns grinsend zu. Die Anderen waren schon längst verschwunden und wir mussten uns beeilen, um den Braunhaarigen noch folgen zu können.

Luke kam mir irgendwie reifer vor, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte seine Haare richtig geschnitten (eine wahre Seltenheit) und trug ordentliche Kleidung (das kam sonst auch nicht gerade häufig vor). Auch seine Haltung hatte sie verändert: Er lief gerader, die Schultern angespannt, auf alles vorbereitet. Zumindest besser auf jegliche Situation vorbereitet, als ich es je sein würde.

»Was ist los?«, fragte Luke leise. »Du starrst mich so seltsam an.«

Ich schüttelte den Kopf, presste die Lippen zu einer Linie zusammen. Was sollte ich auch schon sagen? Dass mein großer Bruder nun wirklich wie ein großer Bruder wirkte und aussah? Dass er wahrscheinlich das perfekte Vorbild sein könnte?

Nein, das behielt ich lieber geflissentlich für mich.

»Hier kannst du für eine Weile unterkommen, Jas. Aber ich warne dich: Keinen Herrenbesuch. Schon gar nicht jemand, der mir das Essen wegfrisst.« Ich hatte gar nicht bemerkt, wie wir vor einer Tür stehen geblieben waren. Erst durch Tonys Stimme, die meine Gedanken mal wieder unterbrechen musste, wurde ich darauf aufmerksam.

»Was ist mit Luke?«, wollte ich wissen. Wir hatten noch allerlei gemeinsam zu bereden; da wäre es ungünstig, wenn wir uns durch die ziemlich dick wirkende Tür unterhalten müssten. Dann könnte ich auch gleich JARVIS beauftragen, den Grund, warum ich wirklich nicht da war, laut im Tower zu melden.

Jasmin Strange - Wir lassen Gras darüber wachsenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt