Du musst jetzt stark sein

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Deine Sicht

Als ich meine Augen öffnete, schien mir helles Licht entgegen. Ich kniff die Augen zusammen, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnten. Ich sah an mir herunter. Ich lag in einem Krankenbett. Wahrscheinlich war ich im St. Mungos. Zu meiner rechten sah ich eine Person. Sie sass auf einem Stuhl, doch ihr Kopf lag auf meinem Bett. Ihr Gesicht war von mir abgewandt, trotzdem erkannte ich, dass sie schlief. Ihre Hand lag auf meiner und erst jetzt merkte ich, wer das war. „Neville?" Meine Stimme klang, als wäre sie sehr lange nicht benutzt worden. „Daria! Du bist wach!" „Gut bemerkt", gab ich zurück. Neville reichte mir ein Glas Wasser, welches neben meinem Zauberstab auf dem Nachttischchen lag. Gierig trank ich es aus und gab es Neville zurück. „Wie lange war ich weg? Wie lange sitzt du schon hier? Was ist passiert?", fragte ich ihn. „Du bist seit zwei Tagen hier im Krankenhaus und ich auch. Also, mir geht es gut, aber..." „Du wolltest mich nicht alleine lassen", beendete ich für ihn den Satz. „Also, ...ähm... alleine wärst du ja nicht gewesen. Dein Vater ist auch nicht nach Hause gegangen. Ich wollte einfach... Ich wollte dir einfach beistehen." „Beistehen? Was...Was ist passiert?" Ich war besorgt. Bei was wollte Neville mir beistehen? „Daria, an was kannst du dich noch erinnern?" Mir schossen dutzende Bilder durch den Kopf. Der dunkle Keller, Bellatrix, die Schüssel mit dem Trank, die Schmerzen, der Kampf, Neville und eine verfluchte Todesserin. „An zu viel", antwortete ich, doch als ich den fragenden Blick von Neville sah, ergänzte ich: „An alles. An die Entführung, an die Gefangenschaft und an den Kampf. Aber was ist danach passiert. Ich wurde doch ohnmächtig." „Ja, allerdings. Nach dem Kampf haben wir dich sofort ins St. Mungos gebracht. Du hast eine Gehirnerschütterung und ein leichtes Trauma wegen der Gefangenschaft und Folter. Aber du solltest bald wieder auf den Beinen sein." Neville sah beschämt zu Boden. „Es tut mir so leid, Daria. Ich hätte deine Sorgen ernst nehmen sollen. Ich hätte dich beschützen sollen." Er raufte sich die Haare. Dann flüsterte er. „Das ist alles meine Schuld." „Es ist nicht deine Schuld, Neville. Es ist deren Schuld. Ohne dich hätte ich diese Monate nicht überlebt. Ich habe an unsere Zugfahrt an Weihnachten gedacht und das hat mir Mut gegeben." Ich legte meine Hand auf seinen Arm und setzte mich auf. Meine Lippen kamen seinen immer näher, doch bevor ich ihn küssen konnte, zuckte er zurück und meinte, er müsse die Schwester verständigen. Damit verliess er das Zimmer und mir wurde bewusst, was er in den letzten beiden Tagen durchmachen musste. Er hatte schon seine Eltern an die Folter verloren und musste um mich bangen. Mitleid und Schuld stiegen in mir hoch, doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, kam eine Krankenschwester herein und untersuchte mich. Nach einer halben Stunde verliess sie das Zimmer wieder. Neville stand an der Tür. Er stellte sich neben mein Bett und sagte: „Ich wollte mich nur noch schnell verabschieden. Dumbledore hat mich nur übers Wochenende gehen lassen." „Ihr habt die pinke Pest also vertrieben?", lächelte ich. „Es war Dumbledore." „Dann bis dann", sagte ich. „Dein Dad wartet übrigens draussen. Wollte mit dir alleine sein. Was bereden oder so." Er strich über meine Wange. „Viel Glück." Neville drehte sich um und ging. Ich schaute ihm hinterher und griff an meine Wange. Seine Berührung hatte dort ein wohliges Kribbeln ausgelöst. Mein Dad trat ein und umarmte mich. Nachdem er mich losliess, schloss er die Tür. Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem vor einer Stunde noch Neville sass. Er schaute mir in die Augen, doch der Ausdruck darin machte mir Angst. In seinen Augen lag Traurigkeit, Mitleid, Scham, ...und Schuld. „Dad?", fragte ich unsicher. „Was ist los?" „Du musst jetzt stark sein, Schätzchen." Ich schluckte. So hatte er mich nicht mehr genannt seit... „Ich muss dir etwas sagen, dass ich dir schon lange hätte sagen wollen. Zum Glück habe ich es dir nicht gesagt. Es geht um deine Eltern." Er machte eine kleine Pause. „Du weisst doch noch, was ich dir erzählt habe? Die Sache mit dem Kinderheim?" Ich nickte schwach. „Nun, dass war nur die halbe Wahrheit. Deine Eltern sind Todesser. Fanatischer als alle anderen ihresgleichen. Sie befolgten jeden Befehl von Voldemort, sei er noch so schrecklich. Deine Eltern, dein Onkel und ein weiterer Todesser wurden nach einer ihrer schrecklichen Taten gefasst und ihnen wurde ein kurzer Prozess gemacht. Damals wusste deine Mutter noch nicht, dass sie mit dir schwanger war. Alle vier Todesser wurden nach Askaban gebracht. Acht Monate lang merkte niemand etwas von der Schwangerschaft. Dachten wohl, es sei ein Fluch oder sowas. Man bemerkte erst, dass dies nicht der Fall war, als du auf der Welt warst. Ich wurde herbeigeholt und sollte dich in ein Mugglewaisenhaus bringen, wo du fernab von der Magie und somit deinen Eltern aufwachsen solltest. Aber ich konnte den Minister persönlich davon überzeugen, dass ich dich adoptieren kann. Auch bei mir bist du ohne Zauberei aufgewachsen. Ich hatte gehofft, dass der Tag, an dem uns deine Herkunft einholt, niemals kommen würde. Doch er kam an dem Tag, an dem du entführt wurdest. Daria, du wurdest in Askaban geboren und deine leiblichen Eltern sind Rodolphus und Bellatrix Lestrange." Ich starte meinen Vater entsetzt an. Rodolphus und Bellatrix Lestrange, meine leiblichen Eltern? Nein! Damit wurden meine schrecklichen Fragen, auf die ich eigentlich keine Antwort wollte, beantwortet. Ja, meine Eltern entkamen. Ja, sie sahen zu, als ich gefoltert wurde. Und ja, ab und zu holten sie mich und quälten mich. Tränenströme brachen aus mir heraus und Dad nahm mich in den Arm. Als ich mich etwas beruhigt hatte, fragte ich: „Weshalb waren sie in Askaban?" „Du kennst doch die Longbottoms." Mehr musste Dad gar nicht sagen. Ich strich mir sachte über die Wange. Das angenehme Kribbeln von vorhin hat einer Kälte Platz gemacht, die sich von meiner Wange zu meinem Herzen zog. Neville. Es reichte nicht, dass sie mich folterten. Nein. Sie mussten auch noch Neville die Eltern nehmen. Ich war die Tochter jener Menschen, die Neville das Ganze angetan haben. Wie kann ich ihm je wieder in die Augen sehen? Mein Herz wurde bleischwer und ich fing wieder an zu heulen. Dad nahm mich wieder in den Arm und strich mir beruhigend über den Rücken. Ich wusste nicht, wie lange wir so dasassen. Stunden oder nur Minuten. Ich liess alle schönen Momente mit Neville Revue passieren. Bis ich auf ein Ereignis stiess, das mich stutzen liess. „Du hast Glück, dass du ihnen nicht ähnlich siehst. Du bist nicht wie sie!" Das hatte der alte, sprechende Hut zu mir gesagt. „Er wusste es!", stellte ich fest. Er sagte dasselbe zu mir, was ich zu Bellatrix sagte, als sie reglos durch die ganzkörperklammer vor mir lag. 'Ich bin nicht wie du. ' „Wer wusste was?", fragte mein Vater verwirrt. „Als ich in mein Haus eingeteilt wurde, sagte der Hut etwas über meine Eltern: ich wisse zwar vieles, aber nichts über meine Herkunft. Er meinte, ich hätte Glück, ihnen nicht ähnlich zu sehen und das ich ganz anders als sie sei", erklärte ich Dad. „Da hat er verdammt nochmal recht. Du bist meine Tochter und wirst es auch immer bleiben. Egal, was passiert."

Verfluchte HerkunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt