Kapitel 2

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Ich nehme einen tiefen Atemzug. Bin ich jetzt gänzlich tot? Kann ich überhaupt noch einmal sterben? Ich erwarte, im Wald der Finsternis aufzuwachen, doch als ich die Augen öffne, sehe ich Gras. Ich versuche, meinen Kopf zu heben, doch ein schrecklicher Schmerz durchfährt meinen Körper.
"Bleibt liegen und bewege dich nicht", miaut eine Stimme hinter mir. Schnell drehe ich mich um, nur um wieder unter Schmerzen zu leiden. Eine hübsche, dunkelgraue Kätzin beugt sich über mich. "Wer bist du?" frage ich erschöpft. "Ich bin Rußpelz, die Heilerin des DonnerClans", miaut die Kätzin ruhig. Kraftlos schlage ich nach ihr und fauche sie an, doch Rußpelz weicht nicht von meiner Seite. "Streng dich nicht an und bleib liegen", miaut sie etwas forscher. Irgendein Gedanke rät mir, ihr zu vertrauen. Sie tupft mit Spinnenweben am meiner Kehle herum. "Ein Wunder das du das überlebt hast", murmelt Rußpelz vor sich hin.
Als sie zum dritten Mal die Spinnenwebenrolle wechselt, frage ich:"Warum hilfst du mir eigentlich? Ich bin dein Feind".
"Nein bist du nicht. Außerdem bin ich eine Heilerin und helfe jeder Katze in Not, also auch die Geißel. Du wolltest zwar meinen Clan vertreiben, aber ich habe einen Heilerschwur geleistet, jeder verletzten Katze zu helfen". Dann dreht sie sich um und geht. Schnell! Ich muss vertrauen zu ihr aufbauen! "Hey, warte!" rufe ich ihr hinterher. Sie dreht sich um.
"Was denn? Ich habe die Blutung gestillt, jetzt kannst du gehen und anderen Katzen das Leben schwer machen". Ein genervter Unterton war in ihrer Stimme auszumachen. Zögernd frage ich:"Woher hast du diese Verletzung?", und zeige mit dem Schwanz auf ihr Hinterbein. "Ach das...". Trauer breitet sich in ihrem Blick aus und sie senkt den Kopf.
"Es war ein Unfall", miaut sie anschließend. "Würdest du es mir erzählen?". Sie nickt. "Ich war noch eine Schülerin und Tigerstern, der damals noch im DonnerClans lebte und war der Zweite-Anführer. Als einer unserer Krieger von Tigerstern beauftragt wurde, unsere damalige Anführerin Blaustern zu holen. Doch sie litt an Grünem Husten, weshalb sie nicht zum Donnerweg gehen konnte. Feuerstern , der noch ein einfacher Krieger war, wollte statt ihr zu ihm gehen.
Bevor er das tat, musste er noch Katzenminze holen. Ich bot an, an seiner Stelle zu gehen, doch er hatte es mir verboten"."Du bist trotzdem gegangen?", unterbreche ich sie. Rußpelz nickt. "Aber woher sollte ich wissen, dass das eine Falle war? Tigerstern schubste mich vor ein Monster und von diesem Zeitpunkt an war ich dazu verdammt, keine Kriegerin werden zu können. Doch Gelbzahn, meine Mentorin, hat mich behandelt und später zu ihrer Schülerin ernannt. Ich war sehr froh, meinem Clan auf eine andere Weise zu dienen", endet sie. Ich muss sie hinhalten! Was könnte ich noch fragen? "Was hat Tigerstern noch gemacht, außer eine Hundmeute auf euch gehetzt und eine hübsche Kätzin verkrüppelt?" frage ich vorsichtig.
Verlegen leckt sich Rußpelz das Brustfell, aber sie beginnt trotzdem zu sprechen:"Er hat den Zweite-Anführer Rotschweif, zwei Krieger und die Königin Buntgesicht getötet. Außerdem hat er mehrfach versucht, Feuerstern, Rabenpfote und Graustreif zu töten. Rabenpfote lebt nun in einer Scheune. Auch viele Versuche, Blaustern zu ermorden und ein
SchattenClan-Angriff und einen von Streunern in seinem Auftrag hat der DonnerClan überstanden."
Schweigen, das ich dann breche: "Er war anscheinend sehr machtgierig und blutrünstig"
Rußpelz sieht mich an. Schnell sage ich:"Im BlutClan bin noch nicht einmal ich so... machtgierig. Außerdem hat er versucht, zwei mal zu töten". Rußpelz schaut mich Neugierig an, aber es liegt auch ein Hauch Schock in ihrem Blick. "Zwei mal", fragt sie anschließend. Ich schweige."Ich habe dir meine Geschichte erzählt,  also will ich jetzt auch deine hören", fordert sie mich auf. Ich willige ein und beginne zu erzählen: "Meine Geschwister haben mich immer geärgert, weil ich so klein bin. Irgendwann bin ich weggelaufen. Damals hieß ich noch Tiny. Als ich irgendwann am Waldrand ankam, begegnete ich ihm. Er war wahrscheinlich noch ein Schüler, doch aus irgendeinem Grund befahl sein Trainer, mich anzugreifen". "Bei uns heißen sie Mentoren". Unterbricht sie mich. Ich fahre fort: "Schließlich griff Tigerstern mich an und behandelte mich wie Beute, bis eine blaue Kätzin, die die Patrouille anscheinend anführte, eingriff. Sie rettete mich, doch ich hatte so eine Angst, dass ich ihr nicht dankte, sondern floh." Rußpelz senkt den Kopf. Ich schaue sie fragend an."Die blaue Kätzin... Du wurdest von Blaustern gerettet", miaut sie traurig. "Erzähl weiter". Mühevoll setze ich mich auf und berühre das Halsband. "Nun, eigentlich wollte ich diesen Hund, der mich ein paar Tage danach angriff, nicht töten, doch es war ein Unfall. Mit einem ausgeschlagenen Zahn des Hundes habe ich versucht, dieses Halsband abzureißen.
All diese Geschehnisse haben mich verändert... Ich wollte kein Mörder werden". Bitte glaub es mir! "Das tut mir leid für dich". Sie dreht sich um und geht, doch sie kommt wieder zurück und
miaut:" Kommst du? Ich möchte dir lieber noch eine Paste auf deine Wunden tun". Ich versuche aufzustehen, doch taumle. Rußpelz sieht dies, dreht um und stützt mich mit ihrer Schulter.
Wir überqueren einen Fluss und laufen an einer Kuhle mit Sand vorbei. Ich frage die Heilerin:"Wo bringst du mich hin?" Sie schweigt. Doch etwas später antwortet sie:
"Ins DonnerClan-Lager. Dort sind alle meine Kräuter". "Und was ist mit den anderen DonnerClan-Katzen?"
"Ich werde dich bloß mit Kräutern versorgen, dann wirst du gehen und nicht wiederkommen". Schweigend laufen wir weiter, bis wir zu einer Schlucht kommen und durch einen Dornentunnel schlüpfen. Am anderen Ende angekommen treten wir auf eine große Lichtung,  mit einem großen Felsen in der Mitte, einem Frischbeutehaufen und verschiedenen Bauen. Plötzlich ertönt ein entsetzliches Jaulen und ich fahre zusammen. Eine graue Kätzin starrt mich an und ruft:
"Feuerstern! Feuerstern! "
Sofort erscheint der flammenfarbene Kater auf dem Felsen. Sofort fixiert er mich mit seinen durchdringend grünen Augen. "Rußpelz, was geschieht hier?"

Wut flammt plötzlich im Blick des Anführers auf. "Wieso ist er hier und lebt!? Hat ihm der SternenClan auch neun leben gegeben...". Rußpelz unterbricht ihn:"Geißel ist nur hier, weil ich es so will. Er wird erst wieder gehen, sobald seine Wunden verheilt sind!". Ein murmeln zieht durch die Katzenmenge, die sich versammelt hat. Ich trete zurück. "Rußpelz, das hast du nicht zu entscheiden". "Doch, Feuerstern. Ich alleine entscheide, welcher Katze ich das Leben rette und welcher nicht". Feuerstern knurrt. Ein brauner Kater aus der Menge flüstert seinem Gefährten zu:
"Wieso lebt er noch?"
Ich beginne mit fester Stimme zu reden:"Dies ist eine lange Geschichte und ich würde sie erzählen, wenn du mir es erlaubst, Feuerstern." Der flammenfarbene Kater schweigt. Er blickt zu Rußpelz und schnippt anschließend mit dem Schwanz und miaut:" Nun gut, Rußpelz. Die Entscheidung einer Heilerkatze sollte ich nicht in Frage stellen. Geh und versorge seine Wunden. Graustreif wird dich aber begleiten." Ein großer, langhaariger, grauer Kater tappt auf mich und Rußpelz zu. Daraufhin geht die Heilerin zu einem der Baue zwischen den Farnen und verschwindet darin. Ich schaue Graustreif an. In seinem Blick ist Freundlichkeit, aber der Hass und die Abscheu,  die darin loderten, ich beginne es zu hassen, um so länger ich hineinschaue.
Ich gehe mit ihm zu dem Bau, in dem Rußpelz verschwunden ist. Als ich durch den Farn schlüpfen,  gelange ich auf eine kleine Lichtung. Die Heilerin sitzt mit Blättern an einem Nest aus Moos. "Lege dich hin", miaut sie. Ich tue was sie sagt und lege mich in das Nest. Rußpelz beginnt, verschiedene Kräuter zu zerkauen. Anschließend trägt sie die Paste auf meine Wunden. Als  der Saft mir in die Wunden läuft, beginnen sie erneut zu brennen.
"So, jetzt musst du liegen bleiben, damit die Paste nicht abbröckelt", miaut sie. "Graustreif, hol bitte etwas Frischbeute." Der graue Krieger nickt und verlässt den Bau. "Ich sollte keine Frischbeute bekommen", murmle ich. "Nichts da! Du bist mein Patient und brauchst etwas zu fressen", beharrt Rußpelz. Die Heilerin räumt die Kräuterreste auf, während Graustreif wieder in den Bau kommt. Er legt mir eine Maus vor mein Nest. Ich bedanke mich und der Krieger verlässt den Bau erneut. "Hier". Rußpelz legt mir ein paar schwarze Samen neben die Maus. "Das sind Mohnsamen. Du solltest sie essen, damit du besser schlafen kannst." Ich nicke ihr dankbar zu und verzehre die Frischbeute. Später kaue ich langsam auf den Samen herum. Ich lege mich gemütlich hin und schlafe nach ein paar Herzschlägen ruhig ein.

Geißels Rückkehr Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt