2. (überarbeitet)

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"Alec, ist irgendetwas passiert?"

Isabelle Lightwood kam ihrem Bruder mit besorgter Miene entgegen.
"Nein. Was sollte schon passiert sein?"

"Nun ja, ich frage mich einfach, was genau du hier machst."
Das Mädchen mit den schwarzen Augen musterte Alec misstrauisch, jetzt, wo sie sicher gegangen war, dass nichts Schlimmes vorgefallen war.

"Ich wollte mich nur erkundigen, wie es so mit deinen Schülern läuft..."

Isabelle war dazu eingeteilt worden, einer Gruppe Feenwesen das Kämpfen beizubringen.
"Diese Feen machen mich fertig! Sie sind ständig nur am rumnörgeln, weil ihre Fingernägel abgebrochen sind! Und klar, gepflegte Nägel sind wichtig und gutes Aussehen auch, aber wir sind erst bei der Regel: 'Du kannst alles als Waffe benutzen' und wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann ist der Krieg schon seit Jahrhunderten vorbei, ehe diese verzogenen Gören auch nur ein Schwert halten können! Ich schwöre dir, ich bringe diese Feen um, wenn sie nicht gleich-"

Weiter kam seine Schwester nicht, denn sie wurde von einem älteren Werwolf unterbrochen: "Entschuldigung, aber sind Sie Isabelle Lightwood..?"
Der Werwolf klang leicht verängstigt und vermied jeden Augenkontakt mit Isabelle. Wahrscheinlich hatte er den Teil, in dem seine Schwester den Feenwesen drohte, mitbekommen. Aber Alec konnte den Wolf durchaus verstehen. In einer solchen Stimmung war Isabelle eine echte Furie und Alec hatte sehr früh verstanden, in diesen Momenten -die eigentlich jeden Tag vorkamen- die Klappe zu halten. Er erinnerte sich noch gut an die vielen Schläge gegen seinen Hinterkopf oder seine Arme. Unbewusst strich er sich über die Oberarme und wandte dem Werwolf seinen Blick zu.

"Ja, die ist sie", antwortete der Schattenjäger knapp. "Worum geht es?"

"Alec. Es ist ja echt süß, dass du dich um mich sorgst, aber mit dem Werwolf würde ich schon alleine klar kommen."

Und seine Schwester hatte Recht.

Sie war eine talentierte Schattenjägerin und wusste sich schon zu wehren, aber Alec konnte nichts gegen seinen ausgeprägten Beschützerinstinkt tun. Seuftzend brummte er: "Sorry, Izzy. Ich weiß doch, dass du ihm mit deiner Peitsche den Kopf abtrennen würdest, ehe er dir auch nur einen Schritt zu nahe gekommen wäre."

Isabelle nickte und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger.
"Ehm tut-t mir le-e-id a-aber...", räusperte sich der Werwolf erneut. "Luke schickt mich her. Er sagte, ich solle dich holen."

"Beim Erzengel! Dieser quadratische Dickschädel! Was denkt er, wer er ist? Ich habe auch schon so genug zu tun, ohne seinen Lakaien vom Dienst spielen zu müssen!"
Schon brauste Izzy wieder auf.
Wow. Sie war echt angepisst..

"Iz. Luke würde dich nicht rufen, wenn es nicht äußerst wichtig wäre." Dank seiner übernatürlichen Geschwindigkeit stand Simon plötzlich neben ihr  und legte einen Arm um ihre Schulter. "Wenn du willst, begleite ich sie", bot der Vampir dem Schwarzhaarigen auch schon an und Alec lächelte erleichtert.
Es war ja nicht so, dass er die Beziehung zwischen seiner kleinen Schwester und dem Tageslichter gutheißen würde, aber der Schattenjäger kannte Simon und vertraute ihm mittlerweile.

"Gut. Danke, Simon. Wir sehn uns dann später."

Alec entfernte sich von der Truppe und dem Hauptplatz Alicantes. Das Stimmengewirr löste sich langsam auf, bis er schließlich gar nichts mehr hören konnte. Alec war in seiner eigenen kleinen Welt, in seinen Gedanken versunken, als er aus dem Nichts heraus einen unsichtbaren Druck auf seiner Brust fühlte... Aber da war doch nichts, oder?

Und dann plötzlich spürte er etwas.

Er spürte etwas tief in seinem Herzen reißen.

Fühlte, wie etwas ihm die Luft abschnürte und sein Kopf zu dröhnen begann. Sein Köper wurde schwer, aber das Stechen in seiner Brust ließ nicht nach, sondern verstärkte sich nur.

Es schwoll so sehr an, dass es Alec in die Knie zwang und er sich krampfhaft auf dem Boden zusammenrollte.

Der Schmerz war schier unerträglich, ließ ihn alles um sich herum vergessen und alles vor seinem inneren Auge verschwimmen.

Er bemerkte gar nicht, dass er schrie.
Dass er sich die Seele aus dem Leib schrie und zu würgen anfing.

Er nahm nicht war, wie jemand angerannt kam. Sah Izzy nicht, nicht Luke oder Simon, der auf einmal neben ihm kniete.

Er verstand nichts um sich herum, obwohl plötzlich alles in Zeitlupe ablief , obwohl die Welt still zu stehen schien, so, als müsse sie etwas Schreckliches verkünden. Und vielleicht war dieser Gedanke gar nicht einmal so abwegig. Vielleicht war etwas so Trauriges geschehen, dass es die Dinge langsam laufen ließ, und der einzige klare Gedanke, der in jenem schrecklichen Moment für Alec zählte, war Jace.

Sein Parabatai, Bruder und bester Freund.

Und Alec wusste ganz einfach, dass der betäubende Schmerz aus der Parabatai-Rune oberhalb seines Herzens kam. Er benebelte all seine Gefühle und überlagerte sein ganzes Bewusstsein.

In einem kleinen lichten Moment, in dem sein Körper taub war und der Schmerz urplötzlich verschwand, ja, in diesem einen Moment legte er seine Finger auf sein Herz und sah Jace vor sich, wie er ihm lächelnd nach einem Sturz die Hand hinhielt, oder wie er am Klavier saß und auf die Tasten einschlug, weil er sich verspielt hatte.

Und dann riss das Band.

Im gleichen Augenblick schrie Alec nach Jace. Schrie nach dem Menschen, der ihm so nahe stand wie niemand sonst.

Er registrierte die plötzliche Leere, die auf den Schmerz folgte. Aber diese Leere war noch unerträglicher als jede Art Qualen, die er jemals erfahren hatte, schmerzte noch mehr als alle anderen Wunden zuvor.

Alec brach zusammen. Die Ränder vor seinen Augen färbten sich schwarz und krabbelten sein Bewusstsein hinauf.

Bervor er ohnmächtig wurde, bemerkte er, wie sich eine vertraute Gestalt neben ihm zu Boden sinken ließ. Alec meinte, katzenartige Augen über ihm zu sehen, die von Sorge gefüllt waren.

Er meinte, blaue Funken umherfliegen zu sehen, aber da übermannte ihn bereits die undurchdringliche Finsternis und zog ihn mit sich, hinein in einen tiefen, bodenlosen Schlund.

Alec glaubte, Magnus gesehen zu haben. Er glaubte, alles zu sehen, was er sich in seinem tiefsten Inneren wünschte, seine sehnlichsten Träume.
Und doch sah er ...

Nichts.

Denn Jace war tot.

Through The Dark (Malec, Chroniken der Unterwelt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt