~7~ P.O.V. Joshua

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Das Wasser des Goldsees schwappte sanft zu meinen Füßen an das Ufer, umspülte und tanzte um die hellen Kiesel. Es war bewölkt und kühl für einen Tag im Reich des Ewigen Sommers, die frische Brise schob das Wasser rauschend und unruhig an das Land.

Die Berge schimmerten schwarz, die Sonne war bereits untergegangen. Ich atmete bewusst die so heimatlich fremde Luft ein. Sie war klarer und trotz der sommerlichen Hitze frischer als in Mayras Welt. Der Herbst dort hatte den modrigen und gleichzeitig natürlichen Duft von feuchtem Laub und kaltem Bodennebel in die Luft geflochten. Ich hatte mich bereits an das sanfte Licht und die starken Schauer der rotgoldenen Herbstwelt Mayras gewöhnt, sodass ich meine Heimat bewusster und neuer wahrnahm als je zuvor. Fremd.

...würde sie sehr wütend sein, wenn sie mein plötzliches Verschwinden bemerkte? Aber ich konnte es einfach nicht über mein Herz bringen, Mayra die Wahrheit zu sagen. Ich hatte auf mich aufpassen sollen - und ich hatte versagt.

Ich presste eine Hand gegen meine Brust. Dieser Schmerz machte mich krank. Er raste durch meinen Körper seit dem letzten Einsatz... seit der kleine, gefaltete Zettel in meiner blutbefleckten Uniform aufgetaucht war. Meine Halbbrüder taten schon immer gut daran, mich nur ganz langsam und gemächlich umzubringen...

Ich strich meinen Hemdkragen glatt und ließ die letzten Wassertropfen aus meinen Ärmeln laufen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Seufzend kehrte ich dem Goldsee den Rücken zu und wagte die ersten wackeligen Schritte über den Kies in Richtung Wald. Das war nun das vierte Mal, dass ich zwischen den Welten gereist war - immer noch eine nervenzehrende Angelegenheit.

Trotz der Dämmerung konnte ich die dünnen Baumstämme am Boden und die Pfade im hüfthohen Gras kristallklar erkennen. Ich schlängelte mich lautlos durch das Unterholz, bis ich nach wenigen Minuten bereits auf die schmale, unbefestigte Straße traf. Osten... ich wandte mich an den dunkleren Horizont, heftete meinen Blick auf den immer schwärzer werdenden Himmel. Hinter den dichten Wolken funkelten sicherlich bereits die ersten goldenen Sterne.

Je länger ich wanderte desto fester wurden meine Schritte. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich die weiche Erde unter meinen Füßen und die warme Luft auf meiner Haut vermisst hatte. Obwohl es sich abends im Sommer abkühlte, war die Hitze des Tages noch immer präsent... ich hatte mich viel zu sehr an das gemäßigte Klima der anderen Welt gewöhnt. An den unnachgiebigen Asphalt. Wahrscheinlich hatte ich mich selbst zu sehr gehen lassen. Die Garde verlangte hartes Training. Ob ich mit meiner eigenen Heimat überhaupt noch mithalten konnte?

Ich straffte die Schultern unter dem klammen, weiß leuchtenden Hemd und beschleunigte meine Schritte. Ich wollte noch vor Tagesanbruch in Marens Gasthaus Zur Felswand ankommen, vielleicht noch ein wenig Schlaf bekommen, bevor ich eine Kutsche nach Lille nehmen würde. Ich musste meine Garde sprechen. Sie hatten mich zwar zuletzt vor wenigen Stunden gesehen, doch mir brannten seit Wochen Fragen auf der Zunge, die ich nicht hatte stellen können, ehe ich sie wiedersah - morgen.

Ein entferntes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Das lange Laufen hatte mich unaufmerksam werden lassen. Alarmiert zog ich mich an den Straßenrand zurück und legte die Hand an den Degen. Gebannt lauschte ich in die Dunkelheit.

Eine Kutsche, langsam und gleichmäßig näherkommend. Gott sei Dank, also keine Räubergruppe auf der Flucht, sondern nur eine kleine reisende Gesellschaft.

Mit gerecktem Kinn trat ich auf die Straße hinaus und streckte den Degen der Garde in die Luft. Das Elfeneisen schimmerte selbst in der nächtlichen Finsternis und warf einen sanften Lichtschein auf mein weißes Hemd. Die kleine Lilie auf meiner Brust flimmerte auf.

Unschuld.

Die Kutsche kam näher und wurde langsamer. Unsicher sprang der Kutscher von seinem Bock ab und stellte sich mir entgegen. Mutig, junger Mann. Er nickte mir distanziert zu.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 14, 2017 ⏰

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