Ich kannte sie jetzt schon so viele Jahre...
Sie war schön geworden, eigentlich war sie schon immer schön, aber jetzt war sie... reifer. Erwachsener. Und das machte sie noch schöner.
Aber mit ihrer Schönheit war auch ihre Trauer und Melancholie gewachsen. Es war immer schlimmer geworden, ich sah sie nur noch selten und nur noch einmal im Jahr und jedes Mal war ich schockiert gewesen, wie sehr sie sich verändert hatte.
Das größte Problem daran war, dass ich nichts über ihr Leben wusste und dadurch immer in irgendwelche Fettnäpfchen trat, so leid mir das auch tat.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie mit irgendetwas überfordert war und dass sie Hilfe brauchte, aber wie sollte ich ihr das nahebringen, ohne sie dabei wieder zu beleidigen?
Eines Tages ging ich an ihrem Zimmer vorbei und hörte seltsame Geräusche.
Es war Schluchzen, wie ich irgendwann feststellte, Schluchzen und... ein plötzliches, heftiges ausatmen...
Ohne Vorwarnung trat ich die Tür zu ihrem Zimmer ein, um zu sehen, was los war – und was ich erblickte, verschlug mir die Sprache.
In all den Jahren hatte ich sie nie weinen sehen.
Sie hatte gelitten, eindeutig, aber sie hatte nie eine Träne vergossen.
Nun saß sie auf der Erde, neben sich einen Brief liegen, ihre Augen waren rot und verquollen, Tränen liefen ihre Wangen herab und tränkten ihr Kleid und den Holzfußboden, auf dem sie sich mit etwas Anderem vermischten.
Blut.
Mein Blick fiel auf ihren rechten Arm, den sie hinter ihrem Rücken versteckte.
Langsam löste ich mich aus meiner Starre.
„W...Was zur Hölle machst du da?", fragte ich sie verstört.
Sie sah mich, immer noch erschrocken durch mein plötzliches Erscheinen und brachte kein Wort hervor.
Ich ging so schnell ich konnte zu ihr und zerrte ihren rechten Arm hervor.
Noch bevor ich fertig war, hörte ich den Aufprall eines schweren Gegenstandes, der zu Boden fiel.
Ihren Arm weiterhin festhalten griff ich diesen Gegenstand mit meiner freien Hand.
Ein Messer...
Ein blutiges Messer...
Ich schleuderte es weit weg, griff nach ihrem linken Arm und krempelte den Ärmel hoch, sie wehrte sich nicht.
Schnitte zogen sich über ihren gesamten Unterarm, manche als Narben, manche fast verheilt und einige... Einige waren frisch und bluteten in Strömen.
Das war also der Grund für das Blut auf dem Fußboden...
Sie brauchte wirklich Hilfe...
Ich sah auf ihr Tränen überströmtes Gesicht, in dessen Augen sich neue Tränen bildeten.
Egal, was ich sagen könnte, es wäre falsch gewesen, aber mir wäre sowieso nichts eingefallen.
Wie konnte man sich so wehtun?
Ich umarmte sie.
Das war das einzige, was ich ihr geben konnte.
Sie legte ihre Arme um meine Mitte, drückte sich eng an mich und schluchzte wieder stärker, sodass ihr ganzer Körper erzitterte.
Langsam strich ich ihr über den Rücken, ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte, es war das erste Mal, dass ich ein Mädchen tröstete...
Irgendwann wurde ihr Schluchzen weniger, ihr Atem beruhigte sich langsam und dann war sie eingeschlafen.
Ich sah mich im Zimmer um, dann auf Elisabeth.
Wie sollte ich das Friedrich erklären?
Alles, ihr Kleid, meine Kleider, der Fußboden, ihre Haare, alles war voller Blut.
Blut...
Verdammt...
Mir fiel ein, dass es immer noch blutete.
Ich musste es irgendwie behandeln...
Da es nach der Sauerei sowieso egal war, was mit meiner Kleidung passierte, riss ich einen Streifen aus meinem Hemd und wickelte es, so fest ich konnte, um ihren Arm.
Um das Unterkleid wissend und über dessen Existenz sehr erfreut, zog ich ihr das Blut- und Tränen getränkte Oberkleid aus und legte sie in ihr Bett.
So würde wenigstens das halbwegs sauber bleiben...
Dann nahm ich das Messer an sich. Es durfte nicht in Elisabeths Hände geraten, wer wusste, was sie das nächste Mal anstellte, wenn sie es in den Händen hielt...
Dann suchte ich irgendwelche Tücher, um das Blut vom Boden zu entfernen.
Dabei fiel mir der Brief in die Hände und ich las ihn.
Es war ein Brief von Prinz Heinrich... Und der Inhalt erklärte, warum Elisabeth so am Ende war.
Wahrscheinlich wäre es besser für sie, wenn das hier geheim bleiben würde...
Ich musste jetzt für sie da sein, so wie ich eigentlich schon die ganze Zeit für sie hätte da sein müssen, wie mir mit Entsetzen klar wurde.
Ich setzte Gilbird auf ihre Bettdecke und bat ihn, auf sie aufzupassen, dann brachte ich die ruinierten Kleider und die Putztücher hinaus in den Müll, nachdem ich mir selbst ebenfalls etwas Frisches angezogen hatte.
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Blut Rot [Gilbert BeilschmidtxOC]
FanficElisabeth ist die Tochter von Prinz Heinrich von Preußen. Gilbert Beilschmidt ist ein Adoptivkind und enger Vertrauter von König Friedrich II von Preußen. Das Leben der Beiden ist verbunden durch Hass und Liebe, Politik und Krieg, patriarchische Gew...