Leise schlich ich durch den Wald, hin zum Ufer des Sees, an dem Elisabeth und ich uns immer trafen.
Die letzten Jahre hatte Friede geherrscht, aber nun hatte sich die Lage zugespitzt und Krieg stand bevor, auf der einen Seite, weil Schlesien zurückerobert zu werden drohte, andererseits, weil Friedrich seine „Abrundungspläne" für Preußen umsetzen wollte.
Ganz Europa bereitete sich für den Krieg vor.
Es tat weh, Elisabeth alleine lassen zu müssen, ihr Zustand hatte sich zwar nicht verschlechtert, vielleicht sogar ein wenig gebessert, aber Krieg brachte Leid und ich wusste nicht, wie viel noch fehlte, dass sie unter der Last ihrer... ja, ihrer Depressionen zusammenbrach.
Es konnte so vieles passieren...
Ihr Vater konnte sterben, Friedrich konnte sterben, ich konnte sterben, der Feind könnte einfallen, und wer wusste, was sie dann zu erleiden hatte...
Ich werde ihr ihr Messer zurückgeben, aber wer wusste, ob sie sich dann nicht wieder selbst verletzte?
Ich müsste ihr das Versprechen abnehmen, dass sie sich nichts tat, aber wer weiß, ob das viel brachte?
Aber es war immer noch besser, als wenn sie sich nicht verteidigen konnte.
Vor mir lichtete sich der Wald und ich sah ihre Silhouette am Wasser stehen, angeleuchtet vom roten Licht der untergehenden Sonne, dass das Wasser des Sees wie Blut aussehen ließ.
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
Sie war so schön... Aber ich musste sie verlassen, um in den Krieg zu ziehen, nur um dann, wenn ich ihn überlebte, mit ansehen zu müssen, wie sie mit diesem Offizier verheiratet wurde.
Sie starrte ebenfalls aufs Wasser, eine Träne lief ihr die Wange hinunter, die sie anscheinend nicht einmal bemerkte.
Ich dachte nach, wie es wäre, sie zu erschrecken oder in den See zu schmeißen und mir entwich ein Lachen, bei dem sie sich umdrehte.
Auch ihr war die Farbe des Sees aufgefallen und ich wusste, dass wir beide an das gleiche dachten.
Wir redeten miteinander, beide kaum wissen, was wir sagen sollten, weil eigentlich alles gesagt war.
Irgendwann stiegen ihr mehr Tränen in die Augen und ihre Stimme war rau und bebte vor unterdrückten Schluchzern, weshalb ich sie in meine Arme nahm.
Sie in meine Arme zu nehmen...
Es fühlte sich so gut, so richtig an.
Sie weinte stärker und ich zog sie noch näher zu mir.
Ich wollte sie für immer so halten, sie nie wieder loslassen, vor allem nicht, damit sie von diesem alten Mann angefasst wurde.
Kurz loderte Wut in mir auf, dann wurde ich von tiefer Trauer erfasst.
Ich musste sie loslassen.
Ich musste sie gehen lassen.
Ich hatte keine Wahl.
Sie musste heiraten.
Ich musste in den Krieg.
Ich legte meinen Kopf auf ihren und atmete den süßen Duft ihrer Haare ein.
Tränen bildeten sich in meinen Augen, als mir auffiel, dass das hier das letzte Mal gewesen sein konnte, dass ich sie gesehen habe, aber ich hielt sie zurück, es würde Elisabeth nur noch mehr aufwühlen, wenn ich jetzt weinte.
Ich nahm ihr das Versprechen ab, dann ließ ich sie los, gab ihr ihr Messer und drehte mich um, um zu gehen.
„Pass auf dich auf.", hörte ich sie noch einmal sagen.
Sie machte sich solche Sorgen...
Ich machte mir auch Sorgen, aber ich durfte es ihr nicht zeigen, ich musste ihr zu verstehen geben, dass alles in Ordnung war.
Also setzte ich ein Grinsen auf und drehte mich schwungvoll zu ihr um.
„Natürlich, sonst kann ich dich ja nicht mehr trösten, du brauchst meine Großartigkeit. Außerdem ist sowieso niemand auch nur annähernd so großartig wie ich, deswegen wird das schon. Kesesese~"
Lachend salutierte ich, dann ging ich endgültig, weg von Elisabeth, heraus aus dem Wald, hinein in den Krieg, der als Siebenjähriger Krieg in die Geschichte eingehen sollte.
Aber erst musste ich noch etwas Anderes erledigen, noch einen Abschied hinter mich bringen.
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Blut Rot [Gilbert BeilschmidtxOC]
ФанфикElisabeth ist die Tochter von Prinz Heinrich von Preußen. Gilbert Beilschmidt ist ein Adoptivkind und enger Vertrauter von König Friedrich II von Preußen. Das Leben der Beiden ist verbunden durch Hass und Liebe, Politik und Krieg, patriarchische Gew...