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Meine letzten Kunden an diesem Tag abkassieren, freute ich mich bereits auf den Feierabend, innerlich bereits in meinem Bett schlafend. Es war eine junge Familie mit einer kleinen Tochter. Das liebliche Mädchen, welches vielleicht einmal vier Jahre alt war, lächelte mich die ganze Zeit an und summte eine leise Melodie vor sich hin. Diese Melodie hörte sich schön an, sie hörte sich eingängig an, sie hörte sich bekannt an. Nachdem ihre Eltern bezahlt hatten kniete ich mich zu ihr hinunter. "Und was für eine Melodie summst du da?" Hackte ich lächelnd nach, ihrem verlegenen Schmunzeln zu urteilen, war sie geschmeichelt, angesprochen worden zu sein. "Es ist von meiner liebsten-Kpop Gruppe, NCT! Last.." Fing sie an zu überlegen, mein Lächeln war bereits dabei zu verschwinden. "My First And Last, Elly." Tauchte ihre Mutter vor uns beiden auf und hielt ihre Hand zu ihrer Tochter hin. Ich erhob mich wieder. "Sie hört dieses Lied seit Tagen in Dauerschleife. Sie ist ein riesiger Fan von diesen Jungs." Lachte ihre Mutter und zog ihrer Tochter ihre Jacke über. Schnell setzte ich mir wieder ein Lächeln auf, ein gefälschtes, doch, niemals unhöflich gegenüber einem Kunden sein, so waren die Regeln. "Noona? Stimmt etwas nicht?" Fragte mich die kleine besorgt und zog an meiner Schürze, damit ich meine Aufmerksamkeit wieder ihr widmete. Ich wuschelte ihr durchs Haar. "Es ist alles in Ordnung meine Kleine." Die kleine rannte ihren Eltern hinterher, welche die Tür des Cafés öffneten. Ihre Mutter hielt ihr die Tür auf und wünschte mir noch einen angenehmen Abend, ihre Tochter mir Durch die Scheibe zu. Ich ging zurück hinter die Kasse und legte meine Schürze beiseite. "Geht es dir gut LinKi?" Fragte mich Herrn Hwang, der die Schürze von der Theke räumte und sie zusammen legte. Er war von Anfang an schon ein Ordnungsfanatiker. "Alles gut." Log ich. "Ich musste nur an etwas denken." Fügte ich meinem Chef hinzu. "Nichts schönes anscheinend, hm?" Ich nickte meinem Chef etwas nachdenklich zu und drückte ihm meine restlichen Sachen in die Hand. Nach meinen Sachen greifend und meine Jacke überstreifend verabschiedete ich mich bei dem Mann, öffnete die Tür. Als ich aus der Tür des gut befühlten Cafés trat, atmete ich kurz tief ein und machte mich auf den Rückweg. Jedoch war auf den Straßen noch viel mehr los als in dem Dalbich was es nicht gerade angenehmer machte.

Der Himmel war bereits am Dämmern und setzte dem wunderschönen blauen Untergrund ein pink-organgenen Mantel auf. Eine frische Brise wehte durch die Menschenmassen und ließ hier und da mal bei einem die Haare hoch wirbeln. An der Ampel schaute ich kurz auf und traute meinen Augen kaum, als ich zwischen dem Gedrängel eine mir vertraute Person erblickte. Plötzlich sprang das rote Licht auf grün und alle setzte sich wieder in Bewegung. "Nein," murmelte ich belustigt vor mich hin, Lachte etwas, da ich es nicht wahrhaben mochte, da es einfach nicht real hätte sein können. Es war unmöglich. Als ob ich ihn da gerade hatte stehen sehen. Was für eine dumme Irreführung. Als ich meine Sicht jedoch erneut hob, sah ich diese Augen, düse Augen welche mich zwischen dem schwarzen Mundschutz, dem Basecap und den restlichen Leuten genau fokussiert hatten. Auch wenn er verkleidet in seiner Maskerade war, konnte ich ihn genau erkennen. Es war keine Verwechslung, keine Irreführung, er stand  tatsächlich dort, einpaar Reihen gegenüber von mir. Mein ganzer Körper war plötzlich angespannt und so schnell es ging lieg ich in eine andere Richtung, denn vermutlich kannte er den Weg zu meinem Haus noch so wie damals. Ich sollte diesen Weg Abends nie nehmen, da hier nie viele Leute vorbeikamen, doch in diesem Augenblick wollte ich diese Person umgehen und nachhause finden. Ich hörte, wie er mir hinterher kam, also blieb ich stehen. Warum rannte ich weg? Hatte ich Angst vor ihm? Nein, definitiv keine Angst. Immerhin würde er mir nichts antuen. Ich wollte einfach nicht wieder mit der Vergangenheit konfrontiert werden, deshalb rannte ich, ich wollte sie vergessen und war bereits so nah dran, dies zutun.

Mit all meinem Mut den ich aufbringen konnte drehte ich mich zu ihm um und ballte meine Hände zu Fäusten. "Wa-.." Fing ich an doch verstummte. Weshalb fragen stellen? Er interessierte mich genauso viel wie der Rest von ihnen. Kaum mehr. "Noch immer diese Maskerade?" Fragte ich stattdessen und lockerte meine Hände aus dieser verkrampften Haltung. Mein Vordermann schaute mich verwirrt an und zog sein Mundschutz runter. "Was willst du hier?" Fragte ich ihn weiter in einem desinteressierten Ton. "Ich möchte mit dir sprechen." Meinte er und kam einen Schritt auf mich zu. "Du willst mit mir sprechen? Willst du das tatsächlich? Im Ernst?" Fragte ich mit, von Sarkasmus geprägter Belustigung nach und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. "Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, es gibt bestimmt so einiges worüber wir reden kön-.." Ein herablassendes Lachen entfloh mir und ich schüttelte meinen Kopf. "Lange nicht gesehen? Nun dann frag ich dich, warum ist das denn so? Warum haben wir uns so lange nicht mehr gesehen? Vielleicht kannst du mir das ja beantworten?"

Der Ältere probierte sich zu rechtfertigen, suchte nach den richtigen Worten, jedoch ließ ich ihn nicht zu Wort kommen. "Worüber möchtest du denn mit mir reden? Vielleicht darüber, wie schlecht es mir die letzten Monate ging? Oder wieviele Nächte ich gelitten hatte? Wie oft ich mir die Schuld daran gegeben habe? Aber ich glaube, dass dich das ja am glücklichsten von allen machte. Oder liege ich da falsch, Taeyong?" Der Junge mit neuen pinken Haaren war wie versteinert bei meinen Worten. Ich schüttelte erneut meinen Kopf und machte ebenfalls einen Schritt auf ihn zu. "Wahrscheinlich hatte Nico damals recht. Ihr könnt uns nicht verstehen. Er hat mir nicht hinterher getrauert, das tat nur ich. Er konnte den Verlust verkraften und achtete darauf, dass alles perfekt lief. Für ihn. Nicht für mich. Er hat mich ersetzt und das werde ich nie wieder vergessen." Ich griff nach Taeyong's Mundschutz und ließ diesen auf den Boden fallen. Diese dumme Maskerade! Ich hatte sie schon immer gehasst und wären sie alle einfach keine Idole, keine bekannten Personen, dann wäre alles leichter gewesen. Für mich.

Ich drehte mich von ihm weg und ging. Es kam kein weiterer Satz mehr von dem älteren, was ich als ein Zeichen seiner Verständlichkeit ansah. Hoffentlich hatte er nun verstanden, dass ich ohne sie auch gut zurecht kam. Auch wenn es seine Zeit gedauert hatte, ich hatte es geschafft und das ließ ich mir nicht mehr so einfach wegnehmen. Ich kam Zuhause an und ging sofort unter die Dusche. Danach schmiss ich mich in mein Bett und betrachtete einfach die Decke. "My first and last," flüsterte ich durch den Raum. Wie lange ich diese Worte schon nicht mehr gehört hatte? Natürlich hatte ich mir das Lied angehört doch auch nur die ersten Zeilen, denn ab dem Punkt wo Mark anfing zu Rappen schaltete ich aus. Zu viele Erinnerungen kamen bei diesen Zeilen auf, welche zu schmerzhaft waren. Wer hätte gedacht, dass seine Zeilen von damals nun in ihren neuen Songs vertreten waren? Vielleicht war das weit hergeholt, aber hätte es sein können, dass er das mit Absicht tat? Dass er wollte das ich ihren Song und diese Zeilen höre? Was hatte Tae bitte heute hier verloren? Was wollte er von mir? Warum tritt er wieder in mein Leben? Konnte er mich nicht in Ruhe- und mich alles vergessen lassen? Eine Träne rollte aus meinem Augenwinkel an meiner Wange hinunter. Ich dachte, dass ich stark geworden sei und jetzt besser damit umgehen könnte, doch allein dieser dumme Zufall mit Taeyong heute riss alle Wunden wieder auf und belehrte mich eines Besseren.

..Fortsetzung folgt..

⁰² MY FIRST AND LAST | jenoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt