Wattpad Original
Es gibt 9 weitere kostenlose Teile

1. Kapitel

9.5K 471 255
                                    

5 Jahre später


„Ich verstehe einfach nicht, warum sie nicht kommen wollen! Warum veranstalten wir denn Familientreffen, wenn Mutter und Vater sich jedes Mal wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen?" Cecilia warf die Arme in die Luft und lief mit energischen Schritten von einer Seite des Esszimmers zur anderen. Als ihr niemand antwortete, blieb sie in der Mitte vor dem steinernen Kamin stehen, jeweils eine Hälfte der zwölf Fuß langen Tafel rechts und links von ihr. Ihr Blick schweifte nacheinander über Letizia und ihren Gemahl George, bis er an mir hängen blieb. Als sich ihre fein geschwungenen Augenbrauen drohend zusammenzogen, beneidete ich die übrigen Anwesenden darum, mit dem Rücken zu ihr zu sitzen. „Du bist die Einzige, die noch hier lebt, Julie. Wenn jemand weiß, was dieses Theater soll, dann ja wohl du."

„Vielleicht haben sie wirklich einen schlechten Tag", antwortete ich ausweichend. „In ihrem Alter ist die Gesundheit anfällig, das weißt du doch."

„Ausgerechnet dann, wenn wir endlich alle an einem Tisch sitzen könnten, und das seit drei Jahren? Dass ich nicht lache. Himmel, was ist denn schon dabei, einen einzigen Abend mit der Familie zu verbringen?"

Während sie weiterhin über die verschlissenen Teppiche lief und ihrem Ärger Luft machte, warf ich einen sehnsüchtigen Blick auf die Platten voller Quarkkuchen vor mir. Immerhin hatte Cecilia in diesem Jahr gewartet, bis der Nachtisch aufgetragen wurde, um sich über unsere Eltern zu beschweren. Mit viel Glück würde sie sich beim nächsten Treffen so lange zurückhalten, bis das Essen vorbei war. Ich hätte ihr sagen können, dass ich gut nachvollziehen konnte, warum erst Mutter und dann Vater begonnen hatten, den Zusammenkünften ihrer vier Töchter samt Ehemännern fernzubleiben. Einzig die Gewissheit, dass Cecilia mir eine solche Tat nie verzeihen würde, hielt mich davon ab, es ihnen gleichzutun.

Als Erstgeborene hielt Celia es nach wie vor für ihre Pflicht, die Familie zusammenzuhalten – wenn es schon unsere Eltern seit Jahren versäumten – und verschloss dabei konsequent die Augen vor etwas, das allen anderen längst bewusst war: Die Familie Conteville war ebenso zerrüttet wie der alte Turm, der vor Jahrhunderten von irgendeinem Verrückten zum Familienstammsitz erklärt worden war. Daran würde auch jeder Versuch, die Wogen zu glätten, nichts ändern.

„Herrgott, Cecilia, setz dich endlich hin", grollte Richard, ohne sich die Mühe zu machen, sich nach seiner Schwägerin umzudrehen. „Du beschwerst dich jedes verdammte Jahr wieder über Charles und Eleanor. Wann begreifst du endlich, dass sich das nie ändern wird? Schlimm genug, in diesem heruntergekommenen Loch sitzen zu müssen. Die Nerven, um mir dein ewiges Gejammer anzuhören, habe ich nun wirklich nicht."

„Richard!", zischte Ivette kaum hörbar. „Kannst du dich nicht einmal benehmen?"Ihr Mann zuckte gleichgültig mit den Schultern und bedachte mich mit einer vielsagenden Kopfbewegung. „Ich? Julie ist diejenige, die gleich alle Höflichkeit vergisst und über den Kuchen herfällt."

Stirnrunzelnd zog ich meine Hand wieder zurück. „Das stimmt doch gar nicht, ich -"

Ein lautes Schnarchen unterbrach meine zweifelhafte Verteidigung und lenkte die Aufmerksamkeit der anderen auf Bartholomew Fitz-James, dessen Kopf zur Seite gefallen war und langsam in Richtung Brust sank.

„Ich hab's kommen sehen", murmelte George neben mir.

Im selben Moment fuhr der Kopf des mehr als dreimal so alten Greises ruckartig nach oben. „Ich bin wach! Cecilia, meine Liebe, willst du dich nicht wieder setzen?"

Ich nutzte den folgenden Tumult, in dem Celia sich erneut über unsere Eltern beschwerte, Richard resigniert die Augen schloss, Ivette ihr Bestes tat, um glücklich auszusehen und George Letizia zuflüsterte, was für ein schrecklicher Abend das sei, um mir hastig ein Stück Kuchen in den Mund zu schieben.

„Julie!"

„Waff?", nuschelte ich, darum bemüht, alles zu schlucken, ohne daran zu ersticken. „Ich will nicht bis morgen früh darauf warten, den Kuchen zu essen."

„Du bist unmöglich", schaltete sich Letizia ein. „Kein Wunder, dass du immer noch nicht verheiratet bist."

Ihr Einwand ließ Celias Gesicht aufleuchten. Plötzlich ihren Groll vergessend, setzte sie sich wieder neben Bartholomew, der erneut eingeschlafen war. „Da haben wir's! Bestimmt ist Julies Talent, alle potenziellen Ehemänner zu vergraulen, daran schuld, dass Mutter und Vater nicht mit uns essen. Unsere Anwesenheit erinnert sie daran, dass Julie eine alte Jungfer werden könnte."

Die Antwort, dass das völlig aus der Luft gegriffen war, behielt ich wohlweislich für mich. Ich musste mir nur meine Schwager ansehen, um zu wissen, dass ein Leben als alte Jungfer womöglich erstrebenswerter war als alles andere.

Bartholomew mochte einem einflussreichen Adelsgeschlecht entstammen, war dafür aber alt genug, um Cecilias Großvater zu sein. George war mit seinen zwanzig Jahren sogar jünger als Letizia, legte aber oft genug ein Verhalten an den Tag, das ich allenfalls als kindisch bezeichnen konnte. Und Richard ... Richard stellte die goldene Mitte zwischen beiden dar. Wie um das auszugleichen, war er schätzungsweise dreimal pro Woche sturzbetrunken oder verspielte sein Geld mit anderen Soldaten. So betrachtet konnte ich darauf verzichten, in näherer Zukunft in einer ähnlichen Situation wie meine Schwestern zu landen.

„Ich glaube eher, dass es sie daran erinnert, dass sie es irgendwie bewerkstelligen müssen, für Julie eine anständige Mitgift aufzutreiben", sagte Richard. „Sind wir mal ehrlich, der Name Conteville hat einen zu schlechten Ruf, um allein damit eine standesgemäße Heirat arrangieren zu können."

„Er ist immer noch mehr wert als deiner, falls ich dich daran erinnern darf", antwortete Celia giftig. „Und wenn Vater dir in der Vergangenheit nicht ständig Geld geliehen hätte, ohne es je zurückzubekommen, müssten sie sich um Julies Mitgift deutlich weniger Sorgen machen."

Richard überging ihren Kommentar und grinste stattdessen mich an. „Ich mein ja nur. Einzig die älteste Tochter des Earl of Conteville hat einen ebenbürtigen Ehemann erhalten. George hat zumindest einen entfernten Anspruch auf einen ordentlichen Titel und meine Familie konnte noch durchsetzen, dass ich ein Offizierspatent erhalte. Irgendetwas lässt mich daran zweifeln, dass Julies Zukünftiger dem Adel angehören wird."

Ich bemühte mich um eine ausdruckslose Miene. Allmählich war ich die ewigen Diskussionen jeglicher Art leid. Ganz gleich, wie oft wir schon über das Thema gesprochen hatten, früher oder später kam meine Heirat, die Armut unserer Eltern und die damit denkbar schlechte Partie, die ich machen würde, erneut auf. Einer der Gründe, warum ich die Familientreffen nicht ausstehen konnte.

„Wenn mir dafür erspart bleibt, sämtliche Verwandte um finanzielle Unterstützung anbetteln zu müssen, nehme ich das mit Freuden in Kauf", erwiderte ich kühl. „Du solltest lieber darauf achten, dass man dir dein Offizierspatent nicht wegen unsittlichen Lebenswandels abnimmt. Eine andere Einkommensquelle besitzt ihr meines Wissens nach nicht."

Richards Grinsen erlosch. Anstatt mir wie gewöhnlich zu widersprechen, presste er die Lippen zusammen, wandte den Blick ab und füllte sein Weinglas nach. Dass es genau das war, worauf ich anspielte, wusste jeder am Tisch, dennoch hielt ihn niemand davon ab. Einzig Ivette sah ihren Mann bekümmert an.

Nachdem damit das letzte unserer traditionellen Gesprächsthemen beendet war, lauschten wir schweigend Bartholomews pfeifenden Schnarchen und dem Knacken des Kaminfeuers. Ich nahm mir ein weiteres Stück Kuchen und aß es langsam genug, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, als Erste das Wort ergreifen zu müssen. George und Letizia taten es mir gleich – ob aus demselben Grund, oder weil sie schlicht Hunger hatten, konnte ich nicht sagen.

Hätten wir August statt Mitte April, wäre ich unter einem Vorwand längst aufgestanden und gegangen, doch die Kälte, die mich außerhalb des Esszimmers erwarten würde, hielt mich davon ab. Die alten Mauern brauchten Tage, um eine angenehme Temperatur zu erreichen – ging das Feuer einmal aus, konnte man nur in dicker Kleidung ein paar Stunden in diesem Raum verbringen. Selbiges galt für den Rest des Turms, in dem es zu allem Überfluss ständig durch winzige Risse und Löcher im Mauerwerk zog. Das Geld, um überall ausreichend zu heizen, hatten wir bei weitem nicht, also blieb ich wohl oder übel sitzen.

Richards Bemerkung, ich würde wohl kaum einen Adligen heiraten, kam mir erneut in den Sinn. Wenn er recht behielt, musste ich mein restliches Leben zumindest nicht in einem halb verfallenen, zugigen Turm fristen.

„Wie steht es eigentlich in Schottland, Richard?", fragte George schließlich, um das Schweigen zu brechen. „Wenn ich mich recht erinnere, warst du doch eine Weile in Edinburgh stationiert, nicht wahr?"

Der Angesprochene nickte und füllte sein Glas zum nunmehr vierten Mal. Ich überlegte kurz, ob ich ihn darauf hinweisen sollte, dass er schon jetzt zu viel getrunken hatte, ließ es dann aber doch bleiben. Einen weiteren Streit mit ihm war es mir nicht wert. Nicht, wo gerade mit Schottland ein unverfängliches Thema gefunden wurde.

„Sie sind zäher als wir dachten. Man sollte meinen, dass sie aufgeben würden, nachdem Wallace hingerichtet wurde. Stattdessen kämpfen sie erbitterter als zuvor", antwortete er erstaunlich klar. „Wir hatten sie fast soweit, sich der Krone unterzuordnen. Aber nein, dieser elende Feigling Bruce musste wieder zu ihnen überlaufen und sich selbst zum schottischen König erklären."

„Man hört, Bruce würde die englischen Streitkräfte beständig zurückdrängen. Das sind doch hoffentlich nur Gerüchte." Celia runzelte besorgt die Stirn. „Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sie auf die Idee kämen, in England einzufallen. Die Grenze ist doch nur wenige Meilen entfernt."

Richard winkte ab. „Ach was. Solange wir Stirling halten, können die Schotten nichts ausrichten. Und Edinburgh und Roxburgh Castle befinden sich schließlich auch noch in unserer Hand. Die werden mit Sicherheit nicht fallen. Kein Grund zur Besorgnis."

„Schotten!", stammelte Bartholomew plötzlich und sah sich panisch um. Als er sich davon überzeugt hatte, dass keine Schotten anwesend waren, fielen ihm wieder die Augen zu. „Nehmt euch bloß in Acht vor denen ..."

„Hoffentlich besiegen wir sie bald ein für alle Mal", murmelte George. „Diese Hunde haben es nicht anders verdient als allesamt den Tod zu finden. Sich gegen den englischen König aufzulehnen ist eine bodenlose Frechheit."

„Du redest, als wärst du selbst der König und in deiner Ehre gekränkt", sagte ich. „Ich kann verstehen, dass die Schotten sich gegen die Eingliederung in das Königreich wehren. Sie waren immerhin seit Langem ein eigenständiges Land."

„Das hast du gerade nicht wirklich gesagt."

„Was?"

Richard schüttelte missbilligend den Kopf. „Wenn du nicht zur Familie gehören würdest, müsste ich dich jetzt wegen Hochverrat festnehmen. Du kannst doch nicht mit den Schotten sympathisieren, verdammt. Wenn das jemand außerhalb dieses Kreises erfährt, stürzt du uns alle ins Unglück."

Ich starrte ihn mehrere Augenblicke an, wartete, dass er lachen und sich freuen würde, mich auf den Arm genommen zu haben, doch er erwiderte lediglich meinen Blick. Seit wann sollte es als Hochverrat gelten, Verständnis für andere Menschen aufzubringen? Selbst, wenn wir uns im Krieg mit ihnen befanden. „Sie sind nicht meine Feinde, Richard."

„Sollten sie aber", warf George ein. „Mit solchen Barbaren kann man nicht auf gutem Weg auskommen."

„Hast du schon so viele Schotten kennengelernt, um das beurteilen zu können?"

Meine Frage brachte ihn aus dem Konzept. Er runzelte die Stirn, öffnete mehrmals den Mund als wolle er etwas sagen, und wandte sich schließlich hilfesuchend an Richard.

Der wiederum trank sein fünftes Glas Wein aus. „George hat recht, Julie. Solltest du mal in die unangenehme Situation kommen, einem von denen zu begegnen, empfehle ich dir dringend, so schnell wie möglich in die andere Richtung zu rennen. Sonst bist du deine Unschuld und Ehre schneller los als du um Hilfe schreien kannst. Die werden dich nicht in Frieden lassen, nur weil du ihren Wunsch nach Unabhängigkeit verstehst."

Es erstaunte mich jedes Mal, wie viel Richard trinken konnte, ohne dass man es ihm auf Anhieb anmerkte. Dennoch war es sein Zustand, der mich nun doch dazu brachte, die Tafel zu verlassen. Lieber jetzt, wenn er hoffentlich nicht auf die Idee kommen würde, mir zu folgen, als darauf zu warten, dass er betrunken genug war, um jeglichen Anstand zu vergessen.

„Ich glaube, ich werde kurz an die frische Luft gehen", murmelte ich und stand auf. Ivettes vorwurfsvollen Blick, der zeigte, dass sie genau wusste, dass ich nicht zurückkommen würde, ignorierte ich großzügig. Ich würde tatsächlich nach draußen gehen, für ein paar Minuten zumindest. Danach sollte niemand mehr Anstoß daran nehmen, wenn ich sofort schlafen ging und den anderen ausrichten ließ, die Müdigkeit hätte mich überrollt.

Als ich die enge Treppe herunterschlich und in Gedanken die Stufen mitzählte, um nicht auf jene treten zu wollen, die im Laufe der Zeit teilweise oder gar ganz gebrochen waren, gingen mir Cecilias Worte nicht aus dem Kopf. Mieden unsere Eltern die Familientreffen wirklich, weil sie dadurch daran erinnert wurden, wie viel Geld sie noch für mich ausgeben würden müssen? Dass unsere finanzielle Situation zumindest Mutter den Schlaf raubte, wusste ich, doch der Gedanke, ich würde zusätzliche Sorgen verursachen, war mir bisher nicht gekommen.

Vielleicht sollte ich mich doch damit anfreunden, den Erstbesten zu heiraten statt im Bezug auf Alter und Charakter wählerisch zu sein. Nicht, dass die Auswahl sonderlich groß wäre, dachte ich bitter.

Wer nicht schon von dem Ruf der Armut unserer Familie abgeschreckt wurde, änderte seine Meinung spätestens, wenn er das heruntergekommene Grundstück betrat. Der Holzzaun, der den Turm einst umgab, war längst verrottet, das Gras wucherte ungehindert vor sich hin, und rings um den Turm lagen faustgroße Steine, die der letzte Sturm aus den Mauern gerissen hatte.Ich öffnete die klemmende Tür, indem ich mich mit meinem gesamten Gewicht dagegen warf, trat nach draußen und ließ meinen Blick über die wenigen anderen Gebäude schweifen. Der Stall stand abgesehen von zwei alten Stuten seit Jahren leer, und die Häuser der Leibeigenen und Pächter sahen nicht besser aus als der Turm. Nein, niemand bei klarem Verstand würde glauben, dass er hier mit einer Mitgift rechnen konnte, die der Tochter eines Earls angemessen war.

„Hast du schon genug von unserer Gesellschaft?"

Seufzend verabschiedete ich mich von der Vorstellung, in Ruhe nachdenken zu können. Als ich mich umdrehte, lehnte Richard im Türrahmen, beinahe unsichtbar, wäre da nicht ein Streifen Mondlicht, der sein Gesicht erhellte. Ich versuchte erfolglos, aus seiner Mimik abzulesen, warum er hier war. „Du bist betrunken."

Dass ich seine Frage nicht beantwortete, schien er nicht einmal zu bemerken.
„Unsinn", nuschelte er, „und selbst wenn, wen scherts? Willst du nicht wieder reinkommen?"„Nein." Nicht, solange du in der Tür stehst, fügte ich gedanklich hinzu. Es mochte genug Platz sein, um mich an ihm vorbeizudrängeln, aber das Risiko wollte ich nicht eingehen. Nach den Erfahrungen beim letzten Familientreffen konnte ich nicht ausschließen, dass er mich festhalten würde – betrunken hin oder her, stärker als ich war er in jedem Fall.

„Schade." Richard ging einen Schritt nach vorne, schwankte und blieb stirnrunzelnd stehen. Er blinzelte mehrmals und streckte eine Hand nach mir aus. „Komm schon, Julie. Es ist scheiße kalt hier."

Ich schwieg und überlegte, ob ich es jetzt an ihm vorbei schaffen würde. Mit etwas Glück verlor er das Gleichgewicht und bot mir so die Gelegenheit, im Eilschritt die Treppe hochzulaufen. In diesem Zustand würde er mir unmöglich so schnell folgen können. Dass es wirklich zu kalt war, um ewig abzuwarten, konnte ich nicht leugnen.

In der Hoffnung, Richard auf diese Art ausreichend zu verwirren, entfernte ich mich mehrere Schritte von dem Turm und kehrte erst in einem Halbkreis zurück, als eine Wolke vor den Mond zog. Richard starrte angestrengt in die Dunkelheit.

Ich war schon fast an ihm vorbei, als er mich bemerkte und überraschend schnell am Arm festhielt. „Nur einen Kuss, Julie, wenigstens einen."

„Ich bleibe dabei – nein", antwortete ich fest. Selbstsicherer als ich mich in Wirklichkeit fühlte, riss ich mich los und ging mehrere Schritte zurück. Das letzte Mal war es nicht so leicht gewesen, mich aus seiner Umarmung zu befreien. „Denk um Himmels Willen daran, dass du verheiratet bist – mit meiner Schwester!"

Er nickte langsam und sah zu, wie ich rückwärts die ersten Stufen hinaufging. „Ja, du hast recht. Tut mir leid", fügte er ernst hinzu.

Unsicher, was ich von diesem plötzlichen Stimmungswandel halten sollte, wandte ich ihm erst nach fünf weiteren Stufen den Rücken zu.

„Aber ich mag doch gar keine blonden Frauen", murmelte er noch, bevor ich die erste Kurve der Treppe überwunden hatte. Die Frage, warum er Ivette dann überhaupt geheiratet hatte, schluckte ich wohlweislich herunter.

Das Schloss im NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt