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7. Kapitel

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Irgendetwas riss mich so abrupt aus dem Schlaf, dass ich einen Moment lang unsicher war, wo ich mich befand. Zeitgleich mit der Erkenntnis, dass offenbar jemand versuchte, die Tür einzuschlagen, kam die Erinnerung zurück. Ich fuhr ruckartig hoch und spürte eine Bewegung neben mir – innerhalb von zwei Atemzügen schoss William aus dem Bett, kam in der Mitte des Zimmers zum Stehen und drehte sich mit erhobenen Händen einmal um die eigene Achse, als würde er in einer der Ecken einen Meuchelmörder vermuten.

Ich blinzelte langsam und überlegte, ob ich womöglich noch träumte. „Ihr habt einen Dolch unter Eurem Kissen?"

„Unter Eurem würde er wenig Sinn machen, aye?" Er sah sich erneut sorgfältig um, ehe er überzeugt zu sein schien, dass er fürs Erste niemanden erstechen musste und senkte die Waffe. „Als ob ich in einem Haus der Engländer unbewaffnet schlafen würde – so leicht will ich es ihnen dann doch nicht machen."

Draußen auf dem Gang fuhr der morgendliche Störenfried darin fort, gegen die Tür zu hämmern und etwas zu rufen, das völlig in dem Lärm unterging. Erstaunlich, dass William erst aufgewacht war, als ich hochgeschreckt war.

„Ich glaube nicht, dass die aufgeben und später wiederkommen werden", sagte ich, als er keine Anstalten machte, die Tür zu öffnen. Die Frage, wie spät es war, geisterte durch meinen Kopf, doch die Antwort darauf fiel äußerst vage aus – wir hatten vergessen, die Fensterläden zu schließen und in dem rechteckigen Streifen einfallenden Sonnenlichts tanzten Hunderte Staubkörner. Die Sonne war also bereits aufgegangen, aber es konnte ebenso gut früher Morgen wie später Nachmittag sein. Obwohl Letzteres an Unmöglichkeit grenzte; so lange konnten wir unmöglich geschlafen haben.

William drehte abwesend den Dolch in einer Hand und beobachtete die Tür. Ich ertappte mich dabei, die Gelegenheit zu nutzen, ihn bei Tageslicht zu mustern und wandte rasch den Blick ab. Gott sei Dank war sein Hemd lang genug, um unangenehme Ausblicke zu verhindern, doch es war auch dünn genug, um gedanklich den Linien der breiten Schultern und des Rückens zu folgen. Spätestens jetzt wurde mir bewusst, dass er nicht den ganzen Tag Zuhause saß und nichts tat. Solche Muskeln bekam man nur von körperlicher Arbeit – oder ausführlichem Waffentraining. Ich wusste nicht, was mir lieber wäre.

„Scheinbar wollen sie wirklich nicht aufgeben", stellte er fest, als die Schläge verstummten und die Tür stattdessen unter der Wucht eines Aufpralls erzitterte. Ich zweifelte daran, dass sie diesem Angriff lange standhalten würde, hütete mich aber davor, selbst das Bett zu verlassen und sie zu öffnen.

Er wartete einige Augenblicke, während denen drei weitere Erschütterungen die Tür trafen und sie ein bedenkliches Quietschen von sich gab. Dann war er mit zwei langen Schritten bei ihr, schob den Riegel beiseite und riss die Tür ruckartig auf, indem er zur Seite trat. Keinen Wimpernschlag später stolperten zwei Männer von ihrem eigenen Schwung getragen ins Zimmer und fielen krachend übereinander. Vier weitere folgten ihnen deutlich gesitteter und in einem von ihnen erkannte ich den glatzköpfigen Zwerg. Wie hatte William ihn noch gleich genannt? Howard?

„Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?", erkundigte William sich ausgesucht höflich. Obwohl er im Gegensatz zu den anderen Männern nur im Hemd dastand, strahlte er eine Autorität aus, die zumindest die ersten zwei weit genug beeindruckte, um im Eiltempo aufzustehen und sich hinter ihre Gefährten zu verziehen. Vielleicht war es auch nur der Dolch, den er immer noch locker aber deutlich sichtbar in der Hand hielt.

Howard – oder so ähnlich – fasste sich als Erster und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich zog geistesgegenwärtig die Bettdecke hoch genug, um sie mir bei Bedarf um den Körper wickeln zu können. William mochte es nicht stören, ihnen im Hemd gegenüberzustehen, mich dafür umso mehr. „Da Ihr gestern Abend verschwunden seid, ohne Zeugen darum zu bitten, Euch zu begleiten, müssen wir auf diesen Weg zurückgreifen, um die Gültigkeit der Ehe zu bestätigen. Wenn Ihr dann die Güte hättet, das Bett zu verlassen, Madam?"

Das Schloss im NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt