Das Tor zu einer anderen Welt

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Kapitel 5: Das Tor zu einer anderen Welt

Entsetzt starrte Anna auf Kíli, welcher nicht nur dreist genug war zu lauschen, sondern sich auch noch tatsächlich einmischte. Sie wusste, sie hätte Kíli zur Seite nehmen müssen, um ihn von seinem Schwur zu entlassen. Doch jetzt war alles zu spät und in Panik versetzt, huschte ihr Blick von Kíli zu seinem Bruder. Sicher würde Fíli ihr das mehr als übel nehmen. Immerhin hatten sie eine Art Absprache getroffen. Und als habe er ihre Gedanken gehört, kreuzten sich ihre Blicke. War er wütend? Enttäuscht? Was dachte er jetzt von ihr? Sicher nur Schlechtes, da sie schon am ersten Abend ihr Wort nicht hielt. Wie sollte sie das wieder gutmachen? Konnte sie das überhaupt?

„Nein.", machte Thorin deutlich. „Du wirst nichts dergleichen tun. Hast du mich verstanden, Kíli?"

Fíli, der schon die nahende Katastrophe kommen sah, packte seinen Bruder erneut am Arm und versuchte ihn hinaus zu schleifen. „Komm, Bruder. Du hast Thorin gehört. Gehen wir." Doch sein Bruder riss seinen Arm stur zurück, wie eben noch vor der Tür.

„Nein."

„Bitte?" Thorin blinzelte in Unverständnis. Hatte sein Neffe eben sein Wort missachtet? „Nein?", wiederholte er demnach ungläubig und mit aufwallendem Zorn. War sein Wort an diesem Abend gar nichts mehr wert?

„Ich bin bereits ihr Beschützer, Onkel." Kíli lächelte voller Begeisterung, in dem guten Wissen alles richtig gemacht zu haben. „Vorhin habe ich meinen Schwur geleistet."

Anna legte ihre Hand über ihr Gesicht. Oh Kíli... Warum? Er war deutlich stolz darauf, was die ganze Sache wahrscheinlich nur schlimmer machte. Was musste denn noch passieren? Thorin warf ihr einen sehr tödlichen Blick zu, der sie prompt zusammenzucken ließ. Wo war das Loch, in das sie hineinkriechen und nie wieder rauskommen wollte? Plötzlich ballte Thorin eine Faust und schlug sie so fest auf den Tisch neben sich, dass dieser bedrohlich knackte und sämtliche Pötte darauf laut klapperten. Erschrocken trat sie aus Reflex einen Schritt zurück. Neben ihr war selbst Balin leicht gesprungen. Das war kein gutes Zeichen, oder?

„Ist das wahr, Fíli?", presste Thorin heraus und wandte sich seinem anderen Neffen zu, der unsicher kurz zu seinem Bruder blickte.

„Vielleicht -"

„Fíli.", forderte Thorin streng auf, um so sämtliche Versuche seinen Bruder zu retten zu unterbinden.

„Ja, es ist wahr."

Thorin hielt daraufhin nichts mehr. In der rauen Zwergensprache begann er das ganze Haus zusammen zu brüllen. Es würde sie nicht wundern, wenn es jetzt die gesamte Zwergenmeute mitanhörte, wenn sie nicht ohnehin schon bereits irgendwo um die Ecke lauerten. Der arme Kíli schien die Welt nicht mehr zu verstehen und zog den Kopf wie eine Schildkröte immer weiter ein. Aber sie war sich sicher, wenn sie jetzt den Mund aufmachte, auch nur um ihn zu entlasten, würde sie mit bloßen Händen von Thorin brutal erwürgt. Demnach hielt sie ihre Klappe geschlossen. Der Wutschwall an Worten endete und hinterließ einen konfusen Kíli und einen besorgten Fíli, der getadelt gen Boden blickte. Oh je. Jetzt bekam Fíli wegen ihr auch noch Ärger, was bestimmt jegliche aufkeimende Freundschaft mit ihr erfolgreich vernichtete.

„Du wirst dafür sorgen, dass sie kampfbereit ist. Und wenn sie Ärger verursacht, werde ich dich dafür zur Verantwortung ziehen. Ist das deutlich genug gewesen, Kíli?" Zögerlich nickte sein Neffe und Thorins harter Blick traf seinen anderen Neffen. „Und du wirst dich dieses mal heraushalten. Das ist ganz alleine die Bürde deines Bruders, verstanden?" Auch hier folgte ein Nicken zur Bestätigung. Schwer stieß er die Luft aus als er seinen Nasenrücken massierte. Wie sollte er es seiner Schwester beibringen, wenn Kíli etwas wegen einer Menschenfrau zustieß? Ein Erbe Durins setzte sein Leben nicht für eine Menschenfrau aufs Spiel. Hatte Kíli gar nichts gelernt? Er war von seinem Neffen enttäuscht, hatte er ihn doch für reifer gehalten.

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