Reiseschwierigkeiten

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Seine Vermutung bestätigte sich als Fíli dem langen Blick seines Bruders folgte. Kíli sorgte sich um die Menschenfrau, welche allein mit einem tief bekümmerten Gesicht am Ende der Gemeinschaft ritt. Was war in der Nacht passiert, dass sie so veränderte? Hing es mit den Worten seines Onkels zusammen? Vielleicht, doch ihre leeren Augen gingen ihm nicht aus dem Sinn. Wie sie ihn am Morgen ansah, bescherte ihm noch immer ein ungutes Gefühl. Umgehend fielen ihm ihre Worte erneut ein, über die er seitdem öfters nachdenken musste. Was hatten diese zu bedeuten? Vielleicht genau das, was ihm am Abend noch im Vertrauen gesagt wurde. Automatisch suchte sein Blick seinen Onkel, welchen er an der Spitze der Kompanie ausmachte. Die Worte Thorins wiederholten sich in seinem Kopf. Doch war es nicht die Menschenfrau, die ihm seitdem wirklich Sorgen bereitete. Die Frau schien soweit harmlos zu sein, auch wenn Fíli spürte, dass irgendetwas an ihr anders war. Woher sollte er wissen das sie nicht immer so war? Er kannte sie nicht einmal einen Tag. Was für eine Meinung konnte man sich also von ihr bilden? Es würde sich auf der Reise zeigen, wer sie wirklich war. Viel mehr war es die Tatsache seinem Bruder etwas zu verheimlichen. Fíli hatte nie Geheimnisse vor Kíli. Dies war eins und es lastete schwer.

Als er sich dann an seinen Bruder wenden wollte, blinzelte Fíli irritiert. Neben ihm war Kíli verschwunden.

Geduldig wartete Kíli mit seinem Pony, das er zum Halt gezwungen hatte. An ihm ritten im Trott Nori, Bofur, Dori und schließlich Ori vorbei, ehe das große schwarze Pferd auf gleicher Linie war, sodass er sein Pony erneut antrieb. Kíli sah hoch zu Anna, welche einen bestimmten Punkt in der Ferne mit ihren Augen fixierte und im langsamen Schritt von einer Seite zur anderen schaukelte. Sie hatte nicht einmal seine Anwesenheit bemerkt. Was war es, was sie so beschäftigte? „Erzählt mir noch etwas von Eurer Welt, Anna.", versuchte er mit deutlicher Stimme ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie schnappte laut nach Luft und riss ihren Kopf in seine Richtung. Ihre geweiteten Augen fanden schließlich seine. „W-Was? Hab nicht aufgepasst.", verließ es kratzig ihren Hals als sie leicht ihren Kopf schüttelte, ganz als wollte sie ihre Gedanken fortjagen. „Sorry." Ein schiefes Lächeln breitete sich auf ihren vollen Lippen aus, die Kíli mit einer gerunzelten Stirn kurz betrachtete. „Was bedeutet 'Zorri'?", wollte er wissen. Das Wort fühlte sich auf seiner Zunge eigenartig an. Und plötzlich, sehr sachte, hoben sich ihre Mundwinkel weiter an, formten dieses mal ein ehrliches Lächeln. Kleine Fältchen bildeten sich um ihre Augen als sie ihn amüsiert anblickte, verschwunden waren alle Anzeichen trauriger Gedanken. „Das ist ein anderes Wort für 'Tut mir leid'. Nur kürzer." Anna machte dann eine Pause, in welcher sie ihre Augenbrauen stark zusammenzog. „Und wenn ich es mir richtig überlege, ist das eigentlich Englisch gewesen. Also nicht mal Deutsch. Und wenn ich schon dabei bin, wieso eigentlich Deutsch? Müssten nicht alle Englisch reden? Oder reden wir in Wirklichkeit Englisch, aber merken es nicht? Ist alles anders, weil ich Deutsch bin?", kam es nachdenklich von ihr. Vollkommen verloren, legte er seinen Kopf etwas schief. Was hatten all diese Fragen zu bedeuten? Kíli strich sich seine Haare aus dem Gesicht. „Was meint Ihr damit? Was ist Enlisch oder Deudsch?", fragte er und bemerkte aus den Augenwinkeln wie sein Bruder auf der anderen des Pferdes Seite dazu stieß. Da hörte er ein leises Kichern, sodass er wieder zu ihr hinauf sah. Sie lächelte ihm vergnügt entgegen, was er direkt erwiderte, auch wenn er nicht genau wusste warum sie lachte. „Das sind Sprachen. So .... wie Zwergisch eben.", erklärte sie. Kíli nickte daraufhin als er verstand. „Khuzdûl.", verbesserte er sie dann, woraufhin sie ihre Lippen leicht spitzte und ihre Stirn kräuselte. „Kusdull? ... Oh! Alles klar.", kam es dann begeistert und ihr Lächeln kehrte stärker zurück. Kíli lachte auf. „Khuz-dû-l.", wiederholte er mit einem Grinsen und beobachtete sie dabei, wie sie stumm ihre Lippen bewegte als ob sie das Wort testete, bevor sie es nochmal probierte auszusprechen.

„Wir Zwerge sind sehr stolz auf unsere Sprache.", mischte sich eine bekannte Stimme ein, woraufhin Anna sich in ihrem Sattel drehte und Fíli verblüfft ansah. Wann war er dazu gekommen? „Nur uns Zwergen ist es erlaubt sie zu sprechen, oder zu schreiben.", klärte er sie freundlich auf, was wohl eher ein Wink mit dem Zaunpfahl war als alles andere. „Das heißt, selbst wenn ich den Wunsch hätte, ich dürfte nicht?" Auch wenn sie kein Talent für Sprachen hatte, wäre es sicher spannend gewesen das ein oder andere Wort zu lernen. Obwohl sie schon zwei Worte vom Film kannte. Und sie wollte weder ihre Liebe gestehen, noch zu den Waffen rufen. Aber die Gesichter der beiden wäre bestimmt Gold wert gewesen. „Ja.", bestätigte Fíli mit einem Nicken, ihre Hoffnung zunichte machend. Anna gab sich woraufhin Mühe nicht enttäuscht zu wirken. Offenbar erfolglos, da der blonde Zwerg ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte, jedoch nichts sagte. Was sollte er dazu auch sagen? Wenn sie es nicht lernen durfte, durfte sie es nicht. Sie war kein Zwerg, auch wenn sie zugeben musste, dass diese Vorstellung mehr als lustig war. Hätte sie dann auch einen Bart? Der Gedanke war eigenartig. Sie persönlich liebte Gesichtsbehaarung, aber selbst? Frauen und Bärte passte nur schwer zusammen. Sie war schon heilfroh darüber blond zu sein, sodass man ihre Haare an den Beinen und Armen nicht so deutlich sah. „Gibt es sonst noch etwas, was ich über Zwerge lernen sollte?", fragte sie dann neugierig weiter, von dem Thema Zwerge fasziniert. Es vergingen einige Sekunden, in welcher sie Fíli in die blauen Augen sah, die sie etwas an Thorins erinnerten. Er öffnete schon seinen Mund als sich eine neue Stimme einmischte. „Unsere Kultur ist privat und geht Außenseiter nichts an.", antwortete Dori eine Reihe vor ihr für alle deutlich hörbar. Unmittelbar presste sie stark die Lippen aufeinander. Sie wüsste nicht Dori ins Gespräch eingeladen zu haben - und das hätte sie auch nie, weil er so offenbar ein netter Geselle war. Was konnte sie auch von ihm erwarten? Er hatte seinen Standpunkt gestern klar gemacht, weshalb seine Worte wie Salz in der Wunde waren. Ja, ein Außenseiter. Es war ein einziges Wort und es drückte alles aus, was sie war. Ein Mensch, eine Frau – Unerwünscht in dieser Gemeinschaft. Anna schloss für einen Moment ihre Augen und atmete tief durch. Ja, sie war ein Außenseiter. Doch sie war nicht mit Absicht hier. Ganz im Gegenteil. Hätte sie tatsächlich die Wahl gehabt, wäre sie Zuhause geblieben. Dort, wo ihre Freunde waren. Ihr Onkel. Jemand, der sie gern um sich hatte. Von Ablehnung hatte sie genug in ihrem Leben. Sie wollte doch nur mehr von Zwerge wissen wollen, immerhin gab es sie in ihrer Welt nicht. Wann hatte man also die Gelegenheit dazu? Offenbar war allein das schon nicht erlaubt. Durfte sie überhaupt etwas sagen? Wütend und verletzt stierte sie dem grauhaarigen Zwerg auf dem Rücken, der ihre neu gewonnene gute Laune mit Erfolg zunichte gemacht hatte. „Okay... schon gut. Ich versteh schon, Zwerge sind ziemlich geheimniskrämerisch. Ich höre ja schon mit meinen lästigen Fragen auf.", schnaubte sie unbeherrscht, laut genug, dass sie sicherlich nicht nur von Dori eine Reihe vor ihr gehört wurde. Sie kam einfach nicht mit Menschen, oder in diesem Fall Zwergen, zurecht, die einen so herablassend behandelten. Es war ein wunder Punkt, der sie gleich in blinde Wut versetzte. Vor ihrem inneren Auge spielten sich plötzlich unzählige vergangene Momente ab. Erinnerungen, die sie krampfhaft versuchte zu unterdrücken. Ein leises Räuspern neben ihr riss sie dann aus ihre Gedanken, weshalb sie ihren Kopf drehte. Sie fand Kíli mit einem Grinsen vor, das sein komplettes Gesicht aufhellte. Was wollte er? Als er ihr dann keck zuzwinkerte, blinzelte sie verwundert. Urplötzlich schossen ihre Augenbraue hoch als sie begann zu verstehen – und sie hätte ihn dafür küssen können. Ein Zwerg, der auf ihrer Seite war. Jemand, der keine Vorurteile hegte, oder schlecht von ihr dachte. Und der Gedanke, doch kein vollkommener Außenseiter zu sein, hellte ihre Stimmung auf. Somit erleichtert, schenkte sie dem braunhaarigen Zwerg ein sanftes Lächeln. Zufrieden nickte er ihr zu. Sie könnte ihm also all ihre Fragen stellen, die ihr eigentlich verboten waren. Egal was ihn dazu bewegte so gegen die heiligen Regeln der Zwerge zu schießen, Anna war überglücklich darüber.

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