Prolog

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Die meisten Menschen entscheiden sich zwischen zwei Dingen, an die sie glauben wollen. Die einen versuchen das, worauf sie keinen Einfluss haben, Schicksal zu nennen und darin die Erklärung für ihr Leid oder für ihr Glück zu finden. Die anderen nennen es einen Zufall, etwas was niemand vorhersehen und was niemand für sie bestimmt kann. Man glaubt entweder an das eine oder das andere, aber nur die wenigsten denken darüber nach, ob ihr Leben nicht von vorne herein für sie bestimmt sein könnte, nicht etwa von einer höheren Macht wie dem Schicksal, sondern von Wesen, die nicht wie sie sind.

Das Leben eines Menschen ist in vielerlei Hinsicht interessant, aber ebenso unergründlich. Menschen sind kompliziert, niemand von ihnen ist wie der andere, sie alle unterscheiden sich erheblich voneinander und das macht sie ebenso einzigartig wie gefährlich. Niemand kann sagen wie sie funktionieren, niemand kann sie lenken und bei ihnen kann man sich bei nichts sicher sein, außer bei einer Sache.

Sie alle werden irgendwann sterben.

Ob sie an das Schicksal oder an den Zufall glauben ist dabei ganz egal, denn keines von beiden wird über sie entscheiden. Keines von beiden wird über sie Richten, dafür sind wir da.

Genau wie die Menschen auch sind wir eine Schöpfung der Götter. Wir haben die gleiche Gestalt wie sie, wir bewegen uns wie sie und doch sind wir anders. Wir sterben nicht, aber wir Richten über die, die es tun, denn darin liegt der Sinn unserer Existenz, deswegen wurden wir geschaffen. Wir entscheiden über das Leben nach dem Tod.

Als Richter sind wir der Göttin Atropos unterstellt, deren Aufgabe es ist den Lebensfaden eines jeden Menschen zu zerschneiden. Wir wissen nicht wann und wie, sondern nur dass es irgendwann soweit sein wird wenn wir unsere Aufgabe erteilt bekommen. Nicht einmal sie weiß wie der Tod den Menschen holen wird, sie kennt nur den Zeitpunkt in dem sie den Faden zerschneiden und sein Leben beenden muss. Die Art und Weise, in der dieser ihn ereilt, ist nicht einmal ihr bekannt.

Wir stellen keine Fragen, wir tun lediglich unsere Aufgabe indem wir die uns zugeschriebenen Menschen beobachten und dann unsere Entscheidung fällen. Wie viel Zeit uns dabei bleibt wissen wir nicht, wir müssen in jeder Sekunde damit rechnen, dass es die letzte sein könnte und wir müssen dann eine Entscheidung treffen.

Es sind immer zwei Menschen, deren Namen wir bekommen und die wir parallel beobachten müssen. Zwei Namen, das ist alles. Ihre Vergangenheit bleibt ein Geheimnis, alles was wir beurteilen müssen ist die Gegenwart, von nichts anderem sollen wir beeinflusst werden und wenn es soweit ist, gibt es zwei Möglichkeiten für uns.

Einem der zwei Menschen ermöglichen wir einen Neuanfang, eine Wiedergeburt oder auch Reinkarnation der Seele genannt. Der Körper stirbt, aber es kommt nicht selten vor, dass die Seele, über die wir entschieden haben, sich einen neuen sucht und dieser dem alten Körper ähnelt oder gar bis aufs Haar gleicht. Menschen sind zwar einzigartig in ihren Eigenschaften und in ihrem Aussehen, aber trotzdem können Sie nicht vor dem davon laufen, was für sie vorgesehen ist. In diesem Fall trifft das Wort Schicksal diese Art von Situation doch ganz schön passend.

Für die andere Partei, deren Seele nicht wiedergeboren wird, bedeutet es einen ewigen Aufenthalt in der Unterwelt, oder der Hölle, wie es die Menschen gerne nennen. Dabei ist es aber kein Feuerofen, sowie es bei ihnen häufig dargestellt wird, sondern die pure Dunkelheit, in der die Seele eines jeden verstorbenen, der jemals dorthin geschickt wurde, auf ewig umherstreift.

Diese Entscheidung zu treffen ist keine leichte. Wir integrieren uns in den Alltag der Personen, über die wir richten müssen, sprechen mit ihnen, beobachten sie im Stillen um dann eine faire Entscheidung zu treffen, aber das alles wäre unmöglich, wenn es nicht zwei Dinge gäbe, die uns erheblich von den Menschen unterscheiden.

Die erste wäre, das wir nicht sterben. Wir haben keinen Lebensfaden, der für uns gesponnen wurde, wir leben solange wir unsere Aufgabe erledigen und wir hören auf zu existieren, wenn wir es nicht tun. Unsere Existenz ist also an unsere Arbeit gebunden.

Die zweite Sache, die uns von ihnen unterscheidet, sind unsere Gefühle. Angst, Freude, Trauer, Wut und all die anderen Gefühle, die Menschen empfinden, die besitzen wir nicht. Es wäre unmöglich für uns eine objektive Entscheidung zu treffen wenn solche Gefühle uns beeinflussen würden, deswegen hat man uns schlichtweg keine gegeben.

Wir leben wie sie auf der Erde, aber wir leben im Verborgenen. Sie können uns nur sehen, wenn wir es zulassen. Ich versuche den Menschen so gut es geht aus dem Weg zu gehen und im Stillen über sie zu richten, aber auch ich bin manchmal gezwungen mich einzumischen und sie aus der Nähe zu beobachten.

Bis jetzt kam mir meine Arbeit nie Stressig vor und ich habe auch nie an dem gezweifelt, was wir tun und wofür wir existieren. Ich hatte stets meine Befehle und alles, was für mich wichtig war, war diese auszuführen. Einem Menschen die Chance auf einen Neuanfang zu geben und den anderen für das, was er getan hat, zu bestrafen, das war alles was ich tun musste, bis jetzt.

Denn als ich den schwarzen Briefumschlag in meinen Händen halte um die zwei Namen der Menschen zu erfahren, über die ich als nächstes Richten werde, ahne ich noch nicht was kommen wird. Ich ahne nicht, das zum ersten mal in den 127 Menschenjahren meiner Existenz nicht zwei Namen in weiß auf dem schwarzen Papier stehen werden, sondern nur einer und ich ahne nicht, wie sehr diese Person meine ganze Existenz durcheinander bringen wird.

Aber so ist es, diese übergeordnete Macht, die die Menschen das Schicksal nennen, sie warnt einen nicht im voraus. Niemand, nicht einmal die Göttin Atropos selber hätte mir sagen können, das dieser Junge alles verändern würde und das sein Name nur der Anfang von allem sein würde.

Jeon Jungkook.











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Ich konnte nicht länger warten 😄

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