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Jungkook Pov

Ich zucke zusammen als ich mich umdrehe und Taehyung mit einem breiten Lächeln und mit vor der Brust verschränkten Armen am Geländer direkt gegenüber von meiner Kanzlei stehen sehe. Reflexartig weiche ich zurück und stoße mit dem Rücken gegen die Tür. Den Rucksack in meiner Hand lasse ich los, die Haare fallen mir ins Gesicht und verdecken für einen Moment meine Sicht, aber ich kriege mich nach einer Weile, die es braucht um das zu verarbeiten, wieder ein.

Eigentlich bin ich offiziell noch im Urlaub, die Ermittlungen laufen noch, aber ich treffe mich trotzdem noch nach wie vor mit einigen Klienten, allerdings außerhalb der Kanzlei. Jedes Mal, wenn ich diesen Raum, in dem ich so viele Jahre verbracht und in dem ich praktisch gelebt habe, betrete, wird mir schwindelig.

Meine Brust schnürt sich zu, mir wird heiß und meine Sicht verschwimmt. Ich habe mich damals nach der Schule zwar für ein Jura Studium und gegen eines in der Medizin entschieden, aber auch ich weiß, dass das klare Anzeichen einer Panikattacke sind. Manchmal kann ich aber nicht anders als hierher zurückzukommen, weil es mich fertig macht nicht zu wissen weshalb genau ich es sein musste, dem das passiert.

Die Wahrscheinlichste Antwort auf diese Frage ist wohl, dass man es nicht speziell auf mich als Person abgesehen sondern sich Beute erhofft hat, aber es lässt mir dennoch keine Ruhe. Das hier war eine Zeit lang alles was ich hatte und jetzt, da ich nicht einmal die Tür zu diesem Raum ansehen kann ohne Beklemmungen zu verspüren, habe ich das Gefühl alles verloren zu haben. Dagegen war das Gefühl des kurzen Schreckens eben, als ich Taehyung unerwartet plötzlich hier habe stehen sehen, gar nichts.

Ich versuche mich wieder zu fassen, kämme meine Haare mit meinen Fingern wieder ordentlich und stelle mich aufrecht hin. Es ist mir ein wenig Peinlich die Fassung verloren zu haben, ohne das er groß was dafür tun musste und die Tatsache, dass er mich zwei mal dabei erwischt hat wie ich draußen geschlafen habe, macht das ganze noch unangenehmer.

Ich weiche seinem Blick aus, verbeuge mich schnell vor ihm und hebe meinen Rucksack, der mir aus der Hand gerutscht ist, wieder auf. Während ich an ihm vorbei gehe, murmle ich ein leises: "Schönen Feierabend." und bewege mich mit schnellen Schritten auf die Treppen zu, die mir heute so verdammt weit entfernt vorkommen.

"Hey, Jungkook", höre ich ihn hinter mir rufen und drehe mich um, kurz nachdem er mich am Handgelenk packt. Seine schlanken Finger fühlen sich sanft und warm auf meiner Haut an, sodass ich für einen kurzen Moment alles um uns herum vergesse und mich auf nichts anderes konzentriere als auf diese Berührung.

Die Kanzlei, die untergehende Sonne, die die Dunkelheit ankündigt vor der ich mich in letzter Zeit so fürchte und die Geschreie der betrunkenen Personen unten im Innenhof verschwinden und ich sehe hinauf zu ihm, nur um erneut zu realisieren wo wir uns doch eigentlich befinden und was das hier für eine Situation ist.

Ich trete einen Schritt zurück und möchte mich gerade aus seinem Griff befreien, als mein Blick etwas weiter nach unten wandert und ich erkenne, was er da eigentlich trägt. Die gerade angesammelte Kraft und die Anspannung fällt vollkommen von mir ab während ich im schwachen Licht, das man hier eingebaut hat, das Hemd und die Weste betrachte, die ihm wie angegossen passen.

Es ist definitiv das Hemd, das ich ihm gekauft habe, das erkenne ich an dem Schwarzen Knopf am einen Ärmel und dem weißen an dem anderen. Ich weiß nicht, ob sie für den Hersteller irgendeine Bedeutung hatten, aber ich habe sie als zwei Seiten eines ganzen gesehen, als Yin und Yang, die Dunkelheit die nicht ohne das Licht existieren kann und andersherum ebenso. Es ist ein Zeichen dafür, dass alles stets zwei Seiten hat, niemand ist vollkommen Böse und niemand ist vollkommen Gut.

Was allerdings auffälliger ist als dieses Hemd, ist die Weste, die er trägt. Das Weinrot ihm so gut stehen würde habe nicht einmal ich beim Kauf erwartet, aber verdammt, er sieht viel zu gut darin aus um auf die Welt los gelassen zu werden.

"Ich fasse es nicht, dass du es trägst", sage ich und schüttle ungläubig den Kopf. Das kaufen von Kleidung für eine andere Person ist stets riskant, man weiß nie ob es ihr gefallen wird, vor allem nicht bei sowas. Die sicherere Variante wäre sicher eine Schwarze Weste gewesen, aber ich dachte das Weinrot edler aussehen würde und ich lag verdammt richtig. Er sieht aus wie ein Gott.

"Wieso überrascht es dich so sehr? Es war ein Geschenk und ich würde nichts ablehnen, was von dir kommt." Er zuckt mit den Schultern, ein schiefes Lächeln schmückt sein Gesicht, das mich sofort weich werden lässt. "Außerdem war es Sau Teuer. Du hast vergessen die Preisschilder ab zu machen."

Er lacht und kratzt sich mit der Hand, die eben noch meine Hand umklammert hielt, am Hinterkopf und ich kann nicht anders als bei dem Anblick eines verlegenen Taehyungs selber kurz auf zu lachen.

"Ich weiß, dass du mir widersprechen wirst wenn ich dir sage, dass das nicht nötig war, also werde ich es nicht tun, stattdessen werde ich dir im Gegenzug auch etwas gutes tun."

"Warte, du hast doch bereits-", sage ich kaum das er seinen Satz beendet hat, aber er schüttelt den Kopf als hätte er genau damit gerechnet das ich was dagegen sagen würde, noch bevor ich überhaupt weiß was genau die gute Geste ist, die er mir erweisen will.

"Eine Homepage im Internet für dich zu erstellen kostet nicht so viel Geld wie dieses Hemd und diese Weste. Was hast du dir überhaupt dabei gedacht?"

"Ich habe mir gedacht, dass du deine Zeit aufgeopfert hast um sie zu erstellen, ohne das ich dich überhaupt darum bitten musste und du kümmerst dich nach wie vor um sie, das weiß ist. Nichts, was ich mit Geld kaufe, könnte Dank genug dafür sein, also hör auf zu glauben du müsstest mir das zurück zahlen. Es ist viel mehr so, dass ich dir noch etwas schulde."

"Wie auch immer. Du kannst nicht länger in deinem Auto oder auf dieser mitgenommenen Holzbank schlafen", sagt er und tritt einen Schritt näher an mich heran um die Distanz zu überwinden, die ich aufgebaut habe. Verwirrt starre ich seine Hand an, die er nach mir ausgestreckt hat. "Komm mit mir, Jungkook."

Afterlife |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt