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Jungkook Pov

Mit dem Kaffee in der Hand beobachte ich wie die letzten renovierungen vor der Eröffnung der neuen Bar in drei Tagen vorgenommen werden. Der Laden einen Stockwerk unter meiner Kanzlei stand schon seit längerem zum Verkauf bereit, aber bisher war niemand gewillt einen solch hohen Preis zu zahlen, obwohl er eigentlich recht zentral gelegen ist. Dafür, dass das aber nichts heißen muss, bin ich wohl das beste Beispiel, immerhin sahne ich trotz der Lage keine Kunden ab.

Freuen tue ich mich trotzdem das der triste Laden unten jetzt einen neuen Anstrich bekommt, für mich kann es nur besser werden. Vielleicht lockt die Bar ja viele Kunden an und die werden darauf aufmerksam das es einen Stockwerk oben drüber einen Anwalt gibt der beinahe verzweifelt nach neuen Klienten sucht, die sich nicht mit ihrer Ex-Frau wegen des ohnehin hoffnungslosen Sorgerechts um eine Katze streiten.

"Der Besitzer soll ein Kerl sein", sagt Jin enttäuscht und schließt seine Lippen wie ein kleines Kind um den Strohhalm. "Wenn es doch wenigstens hübsche Frauen wären."

"Bei denen würdest du sowieso nicht ankommen, die würden dich sicher für den Vater einer ihrer Kolleginen halten."

Fassungslos über meine Aussage nimmt Jin den Becher von seinem Mund und sieht mich mit großen Augen an. Ich muss mir das Lachen verkneifen während ich den Milchshake aus meinem eigenen Becher trinke und so tue als würde ich seinen vernichtenden Blick nicht bemerken.

Wir beide sind Brüder und zwischen uns liegen eigentlich auch nur fünf Jahre, aber bereits seit wir klein waren hat Jin dauernd versucht sich diese nicht anmerken zu lassen. Alter ist für ihn ein sensibles Thema, er kann einfach nicht akzeptieren das er bereits auf die 30 zu geht und ich ärgere ihn nun mal gerne damit.

"Respekt vor älteren ist den Menschen in deinem Alter auch eher weniger ein Begriff." Er reißt mir den Milchshake aus der Hand, viel zu plötzlich als das ich so schnell reagieren kann und wirft ihn in den Mülleimer, den ich irgendwann mal direkt vor die Tür meiner Kanzlei gestellt habe damit die Leute ihren Müll nicht einfach auf den Boden schmeißen.

Jetzt bin ich es, der fassungslos hinein schaut und sogar beinahe eine Träne bei dem Anblick der leckeren Flüssigkeit vergießt, die aus dem Becher auf den restlichen Müll fließt. Er grinst zufrieden über seine Aktion und verstärkt den Griff um seinen eigenen Shake, damit ich nicht das gleiche damit machen kann.

"Du siehst vielleicht aus wie Mitte 40, aber benehmen tust du dich wie ein Kind."

Das Grinsen vergeht ihm sofort, er wirbelt zu mir herum und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. "Yah!"

"Yah mich nicht an!", schieße ich zurück. "Du hast meinen Milchshake weggeschmissen, das war nicht nur eine totale Lebensmittelverschwendung sondern auch eine Sünde allen Liebhabern von ungesundem, aber leckerem Zeug gegenüber!"

Er sieht mich vollkommen verständnislos an, sowie er immer guckt wenn ich versuche meine Taten oder irgendetwas anderes zu rechtfertigen, denn ich bin nicht wirklich gut darin. Wie aus mir ein Anwalt geworden ist weiß ich nicht, anscheinend kann ich das Recht gut vertreten, aber wenn es um persönliche Dinge geht, bin ich vollkommen aufgeschmissen.

Umso glücklicher bin ich als Jin sich wieder schmollend den Strohhalm in den Mund steckt und die Arme vor der Brust verschränkt. Wer würde glauben, dass einer von uns ein Erwachsener Lehrer Ende zwanzig und der andere ein Rechtsanwalt Anfang zwanzig ist? Die meisten würden wohl denken wir wären nur Kinder, in den Körpern von ausgewachsenen Männern.

"Wie auch immer", sagt er und streicht sich beinahe theatralisch eine Strähne aus dem Gesicht. "Hast du Mom bereits angerufen? Sie macht sich große Sorgen um dich. Sie scheint zu denken das die großen, bösen Großstadt Menschen ihren kleinen Kookie quälen würden."

Genervt von seiner Übertreibung verdrehe ich die Augen. "Ich habe ihr gesagt das es mir gut geht."

Er zieht prüfend eine Augenbraue nach oben. "Hast du ihr auch gesagt, wie schlecht deine Kanzlei läuft und das du vielleicht bald wieder zu ihr musst?"

Genau vor dieser Frage hatte ich den ganzen Tag über, den ich mit Jin verbracht habe, Angst. Ich musste bereits meine Wohnung kündigen weil ich nicht für sie und die Kanzlei die Miete zahlen kann. Jin hat mir zwar angeboten bei ihm zu bleiben, aber er lebt selber auf sehr engem Raum und neben dem Argument das ich ihm das nicht antun wollte war mir auch das ganz wichtig, dass ich mir das selber nicht antun möchte.

Es könnte also tatsächlich dazu kommen das ich irgendwann zurück nach Busan muss, zu meiner Mutter. Aber das wäre nur im Notfall nötig, davor verschweige ich ihr meine schlechte Lage. Ich möchte nicht das sie enttäuscht ist wenn sie hört das ich es doch nicht so weit gebracht habe wie ich dachte und wie sie gehofft hat.

"Ich denke dein Schweigen ist Antwort genug." Er lehnt sich an das Geländer und schwenkt den Inhalt in seinem Becher hin und her. "Was willst du tun? Du kannst sie nicht ewig belügen."

Es ist jedes mal das selbe. Ich habe keine Freunde, als ich das Studium angefangen habe haben sich alle abgewendet, was ich ihnen nicht verübeln kann, ich hatte keine Zeit mehr für sie. Jin ist daher nicht nur ein Bruder für mich, sondern auch mein einziger und bester Freund. Aber jedes mal wenn wir uns sehen endet der Tag in einem ernsten Gespräch und meistens geht es darin über meine finanziellen und beruflichen Probleme. Ich weiß, dass er nur helfen will, aber mit Worten alleine lässt sich das nicht regeln.

"Keine Ahnung", sage ich, zucke mit den Schultern und lege meinen Kopf auf seine bevor ich die Augen schließe. "Vielleicht passiert irgendein Wunder. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendjemanden, der einen Plan für mich hat."

Afterlife |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt