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Taehyung Pov

Ich schmeiße die Einkäufe auf den Tresen und lasse mich selber mit dem Rücken auf eines der Sofas fallen, die diesem Ort etwas gemütliches verleihen. Das hier ist nicht meine erste Bar, die ich zur Tarnung vor den Menschen eröffnet habe und es wird sicher nicht meine letzte sein, aber es ist mir die liebste. 

Es gibt für jede Stadt mehrere Richter, die ihr zugeteilt sind, immerhin stirbt täglich nicht nur ein Mensch und das beobachten an sich dauert auch, wie bei Jungkook, meist mehrere Wochen. Die Menschen, deren Namen wir erhalten, sterben nicht sofort, wir wissen nicht wann sie es tun, nur dass sie es irgendwann werden. 

Bereits seitdem Abschluss meiner Ausbildung lebe ich in dieser Stadt und richte über ihre Menschen. Ich verweile manchmal nur einige Wochen an einem Ort, weil mich der nächste Name zum Beispiel ans andere Ende Seouls verschlägt, aber es kann auch sein, dass ich über mehrere Jahre hinweg an einem bleibe. 

Ich bin nicht zum ersten mal an diesem Ort, in all den Jahren meiner Existenz wäre das auch eher verwunderlich, aber es ist das erste mal hier das es sich anfühlt als wäre ich angekommen in dieser Welt. Die Menschen sagen mir nicht wirklich zu, sie sind überall gleich, genau sowie die Geschäfte, aber dennoch gibt es hier irgendetwas, was mich dazu anregt darüber nachzudenken, wie es wohl wäre für immer hier zu bleiben. Wie es wohl wäre, ein Mensch zu sein. 

Zum Glück können die Götter nicht in meinen Kopf blicken und vor allem Atropos nicht. Wir sollten nicht darüber nachdenken wie es ist ein Mensch zu sein, wir sollten kein Mitgefühl mit ihnen verspüren, wenn sie wüsste das ich es tue, würde sie mich meines Amtes entheben und mir damit den Grund zu existieren nehmen. Ich würde sterben.

Ich fahre mir mit der Hand über das Gesicht und springe dann wieder auf die Beine. Darüber nachzudenken bringt mir nichts, sie kann nicht in meinen Kopf sehen und ich werde auch nicht zulassen das sie jemals dahinter kommt. Atropos hat mir nie etwas getan, eigentlich ist sie genau wie ich, bemüht nur ihren Job zu tun, aber mit der Aktion was den Einbruch bei Jungkook angeht ist sie zu weit gegangen. 

Noch nie bin ich ihr gegenüber so persönlich geworden, ich muss vorsichtiger sein. Sie wird mich von ihren Viecher beobachten lassen, weil bei ihr der Verdacht geweckt worden sein muss, dass ich mich zu sehr von einem Menschen beeinflussen lasse. Ich kann nicht zulassen, dass seine Gefühle mich bei meiner Entscheidung beeinträchtigen. 

Alles was ich tun kann ist wie gewohnt weiter zu machen. Falls sie mich ab jetzt wirklich beobachten lässt, darf ich mir nicht anmerken lassen das ich es vermute. Ich muss das tun, was ich bereits seit über hundert Jahren tue, ich muss selber beobachten. 

Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr und fange an die Sachen in der Tüte, die ich eben eingekauft habe, auszupacken. Noch drei Stunden bis ich die Bar öffnen muss, also noch genügend Zeit. Geputzt ist alles, ich muss nur die Stühle herunter stellen und die Einkäufe auspacken, aber das ist schnell erledigt. 

Mit den Flaschen in der Hand gehe ich einmal um den Tresen herum um sie in das Regal aus Glas zu stellen, wo die Kunden sie sehen können, dabei stolpere ich aber fast über etwas, was auf dem Boden mitten im Weg liegt. Ich fange mich noch rechtzeitig und stütze mich mit den Ellbogen an der Spüle ab um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. 

Genervt stelle ich die Flaschen ab und drehe mich um, um zu sehen was es ist was da auf dem Boden steht. Ich lasse nie irgendwelche Sachen auf dem Boden stehen, Unordnung kann ich nicht leiden, sei es eine noch so kleine Sache. Gerade die Tüte, die ich einfach auf den Tresen geschmissen habe, war beinahe zu viel für mich, alleine deswegen kann ich mir sicher sein, dass die auf dem Boden nicht mir gehören kann, aber noch während ich mich darüber wundere woher sie kommt, fällt es mir wieder ein. 

Ich habe diese schwarze Tüte mit der Goldenen Aufschrift bereits mehr als nur ein mal gesehen. Das erste mal stand sie neben der Bank auf der Jungkook saß als bei ihm eingebrochen wurde, das zweite mal habe ich sie erst vor drei Tagen in seinem Auto bemerkt, als ich ihn beim schlafen darin gesehen habe. Das hier muss seine Tüte sein, aber als er gestern bei mir war, hatte er sie nicht dabei. Es ist also ausgeschlossen das er sie vergessen hat. 

Verwirrt hebe ich sie vom Boden auf und öffne sie, obwohl ich es vielleicht nicht sollte. Die Tüte gehört nicht mir, es könnte sein, dass sich darin etwas befindet, von dem er nicht will das es von anderen gesehen wird, aber meine Neugier siegt. Ich möchte aus irgendeinem Grund unbedingt wissen, was sich darin befindet. Es muss für ihn ja wichtig genug gewesen sein um es all die Zeit mit sich herum zu tragen, wichtiger als alles andere in seiner Kanzlei. 

Meine Verwirrung schwindet allerdings nicht als ich ganz oben eine kleine Karte liegen sehe. Sie ist von außen eben so schwarz wie die Tüte selber, aber von innen ist sie weiß, wie jede andere Karte und sie ist tatsächlich beschrieben. Mir wird warm und ein Schauder durchfährt meinen gesamten Körper als ich meinen Namen dort stehen sehe. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen fange ich an das Handgeschriebe zu lesen. 

Lieber Taehyung, 

entschuldige das ich dir dieses Geschenk nicht persönlich geben kann, ich habe eine lange Zeit gewartet bevor ich mich überhaupt getraut habe. Ich weiß nicht, ob es dir gefallen wird, es ist nichts besonderes, aber du sollst trotzdem wissen wie dankbar ich dir für das bin, was du für mich getan hast. 

Unter den Worten steht kein Namen, nichts was mich in irgendeiner Weise wissen lassen würde von wem es ist, aber selbst wenn ich die Tüte nicht bei ihm gesehen hätte, hätte ich gewusst das sie von ihm ist. Die Art wie er das geschrieben hat, ist genau die gleiche Art und Weise mit der er redet. Er hat Angst vor meiner Reaktion, fürchtet eine Mögliche Ablehnung und ist deswegen vorsichtig. 

Ich lege sie zur Seite und greife in die Tüte um das heraus zu ziehen, was sich darin befindet, merke aber schnell das es nicht nur eine Sache ist. Das, was oben liegt stellt sich als schlichtes, weißes Hemd heraus als ich es mir ansehe. Er hatte recht, es ist nichts besonderes, bis auf die Knöpfe unten am Ärmel. Der eine ist weiß, der andere Schwarz, etwas was ich nicht ganz verstehe, vielleicht ist es auch mode, aber ich freue mich trotzdem darüber. 

Seine Angst, mir könnte sein Geschenk nicht gefallen, ist unbegründet. Für ihn mag das hier wirklich nur ein weißes Hemd sein, aber für mich macht es alleine die Tatsache, dass es von ihm kommt, zu etwas besonderem. Es ist das erste mal, dass mir jemand, über den ich richten soll, etwas schenkt. Es ist generell das erste mal das ich mich zu jemandem auf diese Weise verbunden fühle. 

Ich falte das Hemd ordentlich zusammen und lege es vorsichtig zurück in die Tüte bevor ich den anderen Gegenstand, oder viel eher das andere Kleidungsstück heraus ziehe. Auf den ersten Blick würde jeder wahrscheinlich denken, dass es nichts weiter ist als eine Weste in der Farbe von Rotwein, passend zu dem Hemd, aber bei genauerem hinsehen erkenne ich, dass etwas auf die Tasche an der linken Brust mit goldenem Faden eingestickt wurde. 

Wenn man zuerst darüber nachdenkt, wirkt es nicht ganz so als hätte er sich Mühe bei dem Aussuchen gegeben, aber ich habe bereits beim lesen der Karte gemerkt, dass da mehr hinter steckt als nur simples Shoppen. Er hat sich Gedanken gemacht, obwohl er nicht viel über mich weiß und er hat mir dieses Hemd mit der Weste gekauft, in die er sogar meinen Namen hat einsticken lassen. Ganz gleich was andere auch sagen mögen, für mich ist das viel mehr als nur ein Geschenk, es ist etwas woran ich mich festhalten kann. 

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