16. Jemand, der jemanden kennt

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"Wann trefft ihr euch?", fragte mich Kimberly neugierig.

"In einer Stunde vorm Studio", teilte ich ihr mit. "Scheisse, es ist nur noch eine Stunde Zeit! Was machen wir hier eigentlich?"

Panisch sprang ich von dem Sofa auf und schaute mich hastig im Raum um. "Ich hab zuhause nichts zum Anziehen gefunden", beichtete ich ihr. "Aber ich hab ein paar Kleider mit genommen.." Wie konnten wir die Zeit, die wir hatten, nur faullenzend auf der Couch verbracht haben? Es gab noch so viel vorzubereiten!

Ein Klingel ließ mich in der Bewegung verharren. "Kommt wer?", fragte ich irritiert.

Kimberly stand nur grinsend auf, schaltete den Fernseher aus und ging zur Tür. "Jap. Deine zweite persönliche Styling-Beraterin."

Es dämmerte mir. Als ich sie dann total aufgetarkelt auf dem Treppenabsatz sah, verkrampfte sich jede einzelne Muskelfaser in meinem Körper. Vielleicht wäre es von Vorteil gewesen, Kimberly von den Spannungen zwischen Nathalie und mir zu erzählen. Aber dann würden wir sie indirekt vor eine Entscheidung, vor ein Ultimatum stellen und wenn mein Gefühl mich nicht trügte, dann würde das für mich momentan nicht gut ausgehen.

Mit einem falschen Lächeln umarmten auch Nathalie und ich uns zur Begrüßung. Angespannt ließen wir sie in die Wohnung von Kimberlys Eltern hinein trudeln.

"Dann zeig Mal, was du dabei hast", wandte sich Kimberly an mich, als hätte sich nichts geändert.

Schüchtern griff ich nach meinem Rucksack und zog drei verschiedene Kleider hinaus. Nathalies Kommentare konnte ich mir schon ausmalen.

Sorgfältig breitete ich sie auf dem Boden aus und mied jeglichen Blickkontakt zu den beiden.

♥♥♥

Zittrig stand ich eine viertel Stunde zu früh auf dem fast leeren Parkplatz. Es stand kaum noch ein Auto hier. Das dämmrige Licht und die Sonne, die gerade hinter einer Häuserreihe verschwunden war, machten mich nur noch nervöser. Viel zu auf gestylt stand ich vor dem Eingang. Das Studio war noch geöffnet, aber anscheinend hatten die meisten Samstagabends etwas Besseres vor, als sich auf dem Laufband abzuquälen.

Ich zupfte die rote kurzärmlige Bluse von Kimberly aus meiner Hose hinaus, entschied mich dafür, dass es vorher besser ausgesehen hatte und stopfte sie wieder in die viel zu enge Jeans. Keines der beiden Klamottenstücke gehörte mir. Unter der Bluse, die für meinem Geschmack viel zu weit aufgeknöpft war, trug ich ein weißen Spagetti-Träger Top von Nathalie. Der erste geschlossene Knopf befand sich kurz unterhalb des Saums von dem Top und gab ein großzügiges Dekolleté frei.

Zu der Jeans hatte Nathalie mich überredet. Wahrscheinlich weil ich darin aussah wie eine Pellwurst. Aber Kimberly war so begeistert von dem Outfit gewesen, dass ich ihr diesen Wunsch nicht hatte ausreden können.

Und jetzt stand ich hier und blickte mit getuschten Wimpern zum bewölkten Himmel hinauf und bereute es, nicht noch ein drittes Mal auf Toilette gegangen zu sein, bevor wir los sind.

Nathalie hatte mir das mit dem Date mit Miguel nicht einmal abgekauft. Ich selbst konnte es ja kaum glauben. Aber es verletzte mich auf eine merkwürdige Art und Weise. Ich wusste, dass sie mich innerlich als ein kleines Kind abstempelte. Alleine die Tatsache, dass sie wusste, dass ich noch niemals Alkohol auf einer Party getrunken hatte. Natürlich war ich schon auf Partys gewesen. Zweien sogar, um genau zu sein. Und dann hatte ich erkannt, dass es so oder so keinen Unterschied machte, ob ich da war oder nicht und hatte beschlossen, Kimberly künftig nicht mehr zu begleiten. Natürlich hatte ich auch schon Mal Alkohol getrunken. Er hatte mir aber nicht geschmeckt und ich hatte ihn damals, an Silvester, direkt wieder ausgespuckt. Gab ein großes Gelächter bei meiner Familie. Was sollte ich dazu noch sagen? Ich wollte meine Familie bloß glücklich machen.

Heute würde ich zu mindestens an einem der beiden Dinge teilhaben. Mit einem Typen.

Mein Herz pumpte in jede meiner Venen und Adern Blut als ich wieder an ihn dachte. Er sah so gut aus und war so nett zu mir. Irgendetwas stimmte nicht, aber ich wollte es so lange genießen wie er mir die Chance dazu gab.

Ich atmete die kühle Abendluft tief ein und schloss für einen Moment meine Augen. Flatternde Schwärze umhüllte mich, gab mir Mut. Als ich meine Augen wieder öffnete, stand er hinter mir. Ich spürte seine Anwesenheit noch bevor er mich grüßte.

Zögernd drehte ich mich um und begrüßte ihn ebenfalls. Wenn ich dachte eben nervös gewesen zu sein, dann übertraf das hier alle Dimensionen.

Eine peinliche Stille entstand, dann fragte er mich wo die Party denn nun stattfinden würde. Ich antwortete ihm nicht direkt, entschied mich dann aber dafür das Geheimnis zu lüften. Er würde noch denken, dass sie an einem coolen Geheimort war, den nur meine "Freunde" und ich kannten. In dem Fall würden seine Erwartungen ihn deutlich enttäuschen.

"Ein Bekannter von einem Freund von meiner besten Freundin feiert seinen Geburtstag bei sich", ich deutete die Richtung an, in die wir mussten. "Ist ein kleines Stückchen."

"Soll ich uns nicht lieber fahren?", bot er mir an.

Ich bejahte lächelnd. Kurze Zeit später saß ich in seinem besagten Fahrzeug. Neben einem heißem, volljährigen, sportlichen Typen auf dem Weg zu einer Party. Wie normale Teenager das taten.

"Also bin ich heute das Date von jemand, der jemanden kennt, der mit einer Person befreundet ist, der Geburtstag feiert?"

Für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass es sich für ihn als ein Problem herausstellte. Aber dann schmunzelte er amüsiert. Ich kicherte leise: "Ganz genau."

Dann realisierte ich, dass er Date gesagt hatte. Erstarrt blickte ich auf die Straße vor uns. Wir hatten ein Date.

Mein Herz gehörte doch Ben. Dem studierenden, geschmackvollen, lieben Ben.
Aber heute sagte es mir etwas anderes: Bei dem Gedanken daran, ein Date mit Miguel zu haben, pumpte es literweise Blut durch meine Venen, ließ mich erröten und alle Gedanken an Ben ausblenden.
Heute gab es nur Miguel und mich und auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte, wollte ich nichts im Leben daran ändern.

Ich hätte ja früher geupdatet aber ich stecke leider in einem wundervollen Urlaub ohne Wlan fest.

[15.07.2017]
























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