11. Miguel McKinnon

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Samstag tat ich etwas ganz Dummes.

Als ich meinem Vater ins Fitnessstudio fuhr und das Auto in eine enge Parklücke manövriert hatte, die meine volle Konzentration gefordert hatte, stieg ich mit ihm aus, um das Kaffee gegenüber zu betreten und mir den weltbesten Kakao auf der Welt zu bestellen. So der Plan. Ich trug eine einfache Leggins und eine Tunika darüber, weil ich sowie nicht mehr vor hatte, als mich in mein Buch zu vertiefen. Dann sah ich den Fremden. Er unterhielt sich mit der Tussi, die mir schon an dem ersten Tag, als ich meinen Vater hier her gefahren hatte, aufgefallen war. Es war die, die die im Regen mit ihrem Sportbh-Oberteil und dem Fahrrad nach Hause gefahren war.

Durch mein Herz zuckte ein kleiner Stich. Wenigsten hatte sie heute ein Top an, das ihren durch trainierten Bauch bedeckte. Doch auch heute fiel mir ihre unwiderstehliche Figur auf. Alles an ihr erschien mir so perfekt. Ihre freizügigen Klamotten, die gerade so viel frei gaben, dass man Lust auf mehr bekam, aber nicht so, dass man das Gefühl hatte, schon alles gesehen zu haben; der winzige, aber vorhandene, Spalt zwischen ihre Beinen, der flache Bauch mit einem Hauch von einem Sixpack, die festen Armen, an denen nichts zu wabbeln schien und ihr natürliches Zahnpasta Lächeln. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem hohen Zopf zusammengebunden, der bei jeder kleinen Bewegung ihrerseits anfing auf und ab zu wippen.

Auch der Typ von letzter Woche schien an ihr Gefallen gefunden zu haben. Wie könnte er auch nicht? Sie sah hinreißend aus! Er lauschte gespannt ihren Worten, lächelte euphorisch, wenn sie etwas sagte und ihm entrann das ein oder andere Mal ein lautes Lachen, wenn sie etwas Witziges zu sagen schien. Sein Lachen war atemberaubend. Aus der Entfernung konnte ich den Klang hören. Wie gebannt versuchte ich mehr zu lauschen, aber wir waren zu weit weg. Das Mädchen schmunzelte, dann umarmte sie ihn. Ich schluckte schwer. Er hatte eine Freundin. Und ich Depp hatte ihn nach seine Nummer gefragt.

"Kennst du die beiden?", fragte mein Vater mich neugierig und ich zuckte unwillkürlich zusammen.

Der Fremde hatte mich schon wieder so in den Bann gezogen, dass ich alles Drumherum vergessen hatte. Das Mädchen löste sich wieder von ihm, dann sah ich schnell weg und wandte mich meinem Vater zu.

"Ehm nein", sagte ich. "Ich glaube, sie ist auf meine Schule gegangen", fügte ich noch hinzu, um mein Starren zu rechtfertigen. Dass sie auf eine Schule gegangen ist, ist bestimmt schon ein paar Jährchen her. Ich hoffte, dass mein Vater dies nicht bemerkte.

"Magst du heute vielleicht mit rein kommen?", fragte er mich erneut und zwinkerte. "Nur Mal schnuppern."

Ich starrte ihn an. Das Mädchen fuhr hinter ihm mit ihrem Fahrrad davon, ich nahm es nur aus dem Augenwinkel wahr. Auch der namenlose Fremde war verschwunden.

Ich war Meilensteine davon entfernt, ein Mädchen wie sie zu sein.

"Du kannst auch gleich wieder gehen", fügte mein Vater noch hinzu.

"Okay", murmelte ich ohne groß darüber nachzudenken. Ich bereute es augenblicklich.

Die Augen meines Vaters leuchteten begeistert auf. Es war zu spät um es wieder zurück zu nehmen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Es war dieses eine Ereignis, das viele weite ins Rollen brachte. Viele weitere auf die verzichten könnte. Aber natürlich wusste ich das in dem Moment, in dem ich das Fitnessstudio an der Seite meines Vaters betrat, noch nicht.

Drinnen roch es nicht wie erwartet nach Schweiß und Anstrengung. Wir betraten einen kleinen Vorraum, der von dem großen Raum voller Sportgeräte dahinter nur durch eine kleine Theke und zwei Drehkreuze abgegrenzt war. An der Seite stand ein Computer auf einem Tisch, der mit einem Zettel, auf dem 'Registration' stand, geziert war. Mein Vater ging wie selbstverständlich auf die kleine Theke zu und betätigte eine Klingel, dessen Ton mich zusammenzucken ließ.

Ein Mitarbeiter kam, von dem ich niemals gedacht hätte, dass er in einem Fitnessstudio arbeiten würde, wenn ich ihm auf der Straße begegnet wäre. Er trug ein Schild auf dem ‚Michael Smith' stand.

„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte er uns und lächelte aufrichtig.

Ich mochte ihn. Er gab mir nicht das Gefühl total fehl am Platz zu sein. Man musste nicht bereits perfekt aussehen, um in ein Fitnessstudio zu gehen.

„Meine Tochter hier würde gerne ein Probetraining machen", übernahm mein Vater das Reden.

Smith nickte und kramte etwas von unter der Theke hervor. „Wie ist denn dein Name?", wandte er sich an mich.

„Samantha Forbes", antwortete ich ihm und bemühte mich um einen ruhigen Ton.

„Geburtsdatum."

Er erkundigte sich noch nach einigen anderen Dingen, dann ließ er meinen Vater und mich unterschreiben.

„So diese Karte hier behältst du für heute. Wenn du magst, kann ich dir einen Trainer schicken, der dir hier alles einmal zeigt und dich an den Geräten einweist."

Mein Vater guckte mich fragend an. Wollte ich das denn? Die Alternative wäre mit meinem Vater zusammen Sport zu machen. Ich würde das machen müssen, was er macht.

„Schicken Sie mir einen", lächelte ich süß und grinste meinen Vater entschuldigend an. Der Gedanke mir von einer fremden Person alles zeigen zu lassen, gefiel mir zwar auch nicht, aber es erschien mir deutlich angenehmer als von meinem Vater geknechtet zu werden.

Smith wies uns an, die Umkleiden aufzusuchen. Danach würde ein Trainer auf mich warten. Also verabschiedete ich mich von meinem Vater und ging in die Damen-Umkleide, obwohl ich nichts zum Umziehen hatte. Ich würde in meiner Tunika und der Leggings Sport machen, aber das war okay für mich. Andere Sportklamotten hätte ich zuhause ohnehin nicht gehabt.

In der Umkleide war außer mir nur noch ein weiteres Mädchen, die im Gegensatz zu mir mit ihrer sportlichen Figur sehr wohl in diese Umgebung passte. Ich hingegen fiel auf wie ein Walross in die Wüste. Und genauso so fühlte ich mich auch. Zappelig versuchte ich nach Luft zu rinnen. Was tat ich hier überhaupt? Würde es auffallen, wenn ich mich aus dem Fenster wieder hinaus schleichen würde?

Ich wartete fünf Minuten, die ausreichten, um mich in die Irre zu treiben, damit es so aussah, als hätte ich mich umgezogen. Dann verließ ich die Damen-Umkleide und was ich dann sah, schnürte mir die Luft in der Kehle endgültig ab und ließ mein kleines Herz hyperventilieren.

„Du bist dann wohl Samantha Forbes", lächelte der namenlose Fremde. „Mein Name ist Miguel McKinnon. Sieht wohl danach aus als wäre ich dein Trainer für heute."

So langsam habe ich wieder einen Schreibfluss, yeih. Hängt wohl auch damit zusammen, dass ich seit dem letzten Kapitel die 100-Leser-Grenze geknackt habe. Vielen Dank an jeden einzelnen von euch!♥

[26.05.2017]

Car ParkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt