10. Billard-Niete

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Diesen Freitag ging ich mit Ben statt wie üblich ins Kino, Billard spielen. Angesichts der Tatsache, dass er sich eine Zeit lang mehr mit langweiligem Unikrams als mit irgendwelchen verfilmten Utopien beschäftigen würde, wollten wir anscheinend etwas machen, wo wir mehr von uns hatten.  Auch wenn ich der Meinung war, dass wir sehr wohl, sehr viel von uns hatten, wenn wir uns einen Film anschauten. Überlicherweise kuschelten wir uns dann in meinem kleinen Zimmer auf mein kleines Bett. Ich lag dann vor ihm und er, den Arm um mich geschlungen, direkt dahinter. Wie gebannt schauten wir dann einen Film auf seinem Laptop, den entweder ich aus der Bibliothek mitgebracht oder er in seiner Cloud gespeichert hatte. Es kam nicht selten vor, dass einer von uns einschlief, wobei ich versuchte dies zu vermeiden, weil Ben die blöde Gewohnheit besaß mich im Schlaf zu beobachten. Er kuschelte sich dann immer mehr an mich und wenn ich wach wurde, grinste er mich dann an und teilte mir mit, wie süß ich schlafend aussehen würde.

Doch heute empfing er mich mit der Begrüßung "Ich habe eine Überraschung für dich" und jetzt standen wir hier. Bewaffnet mit einer dieser Billard-Stangen entarnte ich mich vor meinem Freund als Total-Niete.

"Samantha, konzentrier dich", warnte er mich an diesem noch ziemlich jungen Abend zum gefühlten zehnten Mal und verdrehte genervt die Augen. Es war ja nicht so, als hätte ich die weiße Kugel zum wiederholtesten Male aus Absicht von dem Billardtisch befördert. Ich konzentrietre mich ja, aber zu einer besseren Leistung war ich einfach nicht in Stande.

Ben zauberte die weiße Kugel wieder hervor, legte sie auf den Tisch, fokussierte sich auf eine bestimmte Kugel und stieß treffsicher zu. Als er sie nur streifte warf er die Hände an den Kopf und stöhnte konfus auf.

Hätte ich einer meiner Kugel gestreift, hätte ich meine Arme vor Freude in die Luft geworfen und wäre laut jubelnd einmal um den Tisch gehopst. Nur kam es noch nicht dazu. Also ging ich verkrampft in Position. Die lilane volle Kugel lag perfekt für mich. Meine Augen formte ich zu einer schmalen Spalte und nahm sie ins Visir. Als ich mir sicher war, dass ich treffen würde, stieß ich mit Schwung zu, rutsche aus und traf die weiße nicht so wie gewollt. Zielsicher schwankte sie nach rechts von der geplanten Route aus und rollte geradewegs auf die schwarze Kugel zu. Diese streifte sie nur, aber das reichte aus um sie in Bewegung zu bringen. Langsam aber sicher rollte sie in eins der sechs Löcher. Ich grinste siegessicher. Dass dies meine erste versenkte ist, während Ben schon vier ins Jenseits befördert hat, blendete ich komplett aus.

"Eine drin", stellte ich zufrieden fest. Ich war wohl doch zu was zu gebrauchen. Stolz warf ich einen Blick auf Ben, der mich penedrant anstarrte. Sieh mal einer an, da konnte einer mein Glück wohl kaum fassen. "Damit hast du wohl nicht gerechnet."

Ben zog die Luft scharft ein ohne seinen Blick dabei von mir zu wenden. "Ist das dein Ernst?", fragt er mich ruhig, doch es sah aus als ob es innerlich in ihm brodeln würde. "Was habe ich dir denn eben über die schwarze Kugen erzählt?"

Mein Grinsen wich aus meinem Gesicht. Oh.

"Wir gehen, das hat einfach keinen Sinn mit dir Samantha."

Dabei hatte es doch gerade erst angefangen Spaß zu machen. "Entschudigung", murmelte ich zaghaft, weil Ben mir das Gefühl gab, ich müsste mich entschuldigen. Dabei hatte ich die schwarze Kugen nicht einmal mit Absicht versenkt. "Ich wollte dir den Abend nicht ruinieren."

Bei diesen Worten wird sein Blick wieder etwas weicher. "Du hast halt andere Talente", lächelt er und kommt einen Schritt auf mich zu. Ich kann sein Aftershave riechen. Es riecht nach Apfel und Zimt. Ein merkwürdiger Geruch für den Frühling.

"Zum Beispiel..", lachte ich nervös, weil er sich mir noch immer näherte.

"Zum Beispiel..", setzte er an und tat so als müsste er überlegen. "Zum Beispiel siehst du verdammt heiß aus in diesem Kleid."

Ich schnaubte leise. Das war mein anderes Talent? War das sein Ernst? Mir macht der Abend mit dir keinen Spaß aber dafür finde ich dich echt heiß, also hey, scheiß drauf!

Aber ich hielt die Klappe. Ben wollte nur süß sein und ich wollte den Moment nicht kaputt machen. Also sagte ich einfach gar nichts und ließ es zu als er mich küsste.

Nach dem abrupt abgebrochenen Billard-Vergnügen fuhr Ben mich noch nach Hause. Es war komisch wieder auf dem Beifahrersitz zu sitzen, doch entspannend einfach Mal wieder aus dem Fenster gucken zu können ohne auf den Verkehr zu achten. Sobald wir angeschnallt waren, schaltete Ben das Radio an und wir fuhren mit halber Lautstärke dem Sonnenuntergang entgegen. Es lief einer dieser ohrenbetäubenden Pop-Songs, die schon letztes Jahr tot gehört waren.

Als wir vor meinem Haus hielten, verabschiedete er sich von mir. Er könne nicht mit nach oben kommen, zuhause würde noch eine Menge Lernstoff auf ihn warten. Also ging ich alleine nach oben und schaute den gestern ausgeliehenen Film alleine. Niemand hatte seinen Arm um mich gelegt, niemand vergrub seine Nase in meine Haare und es beobachtete mich auch keiner, als ich einschlief.

[16.05.2017]












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