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“Mum?“, rief ich als ich zuhause ankam.

“In der Küche.“, kam es zurück und ich machte mich auf den Weg dahin.

Die letzten zwei Schulstunden hatte ich sausen lassen. Meine Laune war auf dem Tiefpunkt und ich bezweifelte das der Unterricht es besser machen würde. Oder die Lehrer.

“Was machst du denn schon hier?“, fragte mich meine Mum überrascht. Sie stand an der Spüle und wusch die Töpfe von der letzten Mahlzeit ab.

“Die letzten beiden Schulstunden sind ausgefallen.“, log ich. Meine Mutter wäre definitiv nicht begeistert wenn sie wüsste das ich absichtlich schwänzen würde. Zum Glück war ich schon 18 und konnte mir meine Entschuldigungen selber schreiben. Erwachsenwerden hatte seine Vorteile.

Sie runzelte die Stirn während sie den einen Topf schrubbte. “Ich dachte es wären mehr Lehrer eingestellt worden um dem vorzubeugen. Ihr habt viel zu viel Ausfall.“

“Keine Ahnung, Mum.“, wiegelte ich leicht genervt ab. Mussten Eltern immer darauf beharren das wir zu wenig in der Schule wären?

“Ist auch egal. Wie war dein Tag?“, wechselte sie schließlich das Thema und sofort verdüsterte sich meine Miene.

“Gut.“

Sie schaute auf und sah mich prüfend an. “Dein Gesicht nach zu beurteilen war er alles andere als gut.“

Ich zuckte meine Schultern. “Schule halt. Kann ich dich mal etwas fragen?“

Überrascht hoben sich ihre Augenbrauen. Das ich sie mal nach etwas fragte kam lange nicht mehr vor. Ich war in dem Alter wo man alles besser wusste und wo die Meinung der Eltern ziemlich daneben war.

Eigentlich.

“Wenn man jemanden liebt, kann man ihn dann plötzlich hassen? Ich frage nur so.“, wehrte ich direkt ab als ich sah wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. Von überrascht zu grinsend. Sie dachte doch wohl nicht das ich...? Nein, ganz bestimmt nicht.

“Natürlich kann man das.“, beantwortete sie lächelnd meine Frage ohne wissen zu wollen warum. “Liebe und Hass liegen nahe beieinander.“

“Hmm.“, machte ich nachdenklich und spielte mit einer meiner Haarsträhnen. “Aber eine Person die man liebt, kann einem doch nicht plötzlich egal sein, oder?“

“Wenn du sie hasst ist sie dir definitiv nicht egal. Egal ist dir eine Person, wenn du gar keine Gefühle mehr für sie hast. Sei es Liebe oder Hass.“, erwiderte sie und durchbohrte mich mit einem neugierigen Blick. Sie fragte sich bestimmt wen ich meinte.

“Na los frag schon was du wissen willst.“, seufzte ich.

Sie schüttelte ihren Kopf. “Mir ist völlig klar das es sich hierbei um Dylan handeln muss.“

Verblüfft schaute ich sie an. Wie kam sie darauf? “Wie...?“

“Ich hab Augen im Kopf, Schätzchen.“, unterbrach sie mich grinsend. “Und das was mir an Wissen fehlt lässt sich leicht zusammenreimen.“

Wow da dachte man immer Eltern kriegen nichts mit wenn man es darauf anlegt und dann wussten sie fast schon besser Bescheid als man selber.

“Und meinst du es ist mir nicht aufgefallen das Dylan hier nicht mehr auftaucht? Oder du über ihn sprichst?“, sie verdrehte ihre Augen. Offenbar machte sie sich lustig über mich.

“Was weißt du denn sonst noch alles?“, brummte ich gereizt und sah sie herausfordernd an.

“Dylan hatte Gefühle für dich und du hast ihn abgewiesen. Dann warst du ein Jahr weg und eure Beziehung kann sich dadurch kaum verbessert haben. Außerdem habe ich ihn letztens in der Stadt mit Jenna gesehen. Du kommst aus Amerika wieder zurück und findest das raus und bist alles andere als begeistert.“, zählte sie auf.

Ich starrte sie mit offenen Mund an. Wie machte sie das? Vielleicht brauchte ich gar nicht der Schülerzeitung beitreten um herauszufinden was alles passiert ist im letzten Jahr, sondern brauchte einfach nur meine Mutter fragen, die offensichtlich über alles Bescheid wusste.

“Was mich nur überrascht hat ist das du Dylan abgewiesen hast.“, redete sie weiter. “Ich hätte schwören können aus euch beiden wird einmal ein Paar.“

Toll. Scheinbar fand auch sie die Idee von Dylan und mir als Pärchen gut.

“Wow.“, machte ich nur um ihr zu zeigen das ich baff war. “Aber wieso hast du gerade so neugierig ausgesehen als ich dich das gefragt habe?“

“Mich interessiert warum du Dylan abgewiesen hast. Dein Dad und ich dachten beide das ihr ineinander vernarrt wäret.“

“Was Dad auch?“, rief ich panisch aus.

Was hatten denn alle? Nie hatte sich auch nur irgendjemand zu mir und Dylan geäußert und jetzt plötzlich war jeder der Meinung wir wären mehr als Freunde gewesen. Oder hätten mehr als Freunde sein sollen.

“Was? Denkst du wir erstellen keine Theorien?“, grinste sie. “Aber zurück zu Dylan...“

“Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll.“, murmelte ich. “Das kam damals so plötzlich. Ich hatte das Auslandsjahr im Kopf und plötzlich kommt er mit Gefühlen. Ich war mega überrumpelt. Also bin ich gegangen mit den Worten: 'Ich muss nachdenken' und das wars. Das war zwei Wochen vor meiner Abreise. Ich wollte danach das Gespräch mit ihm suchen, aber er ist mir aus dem Weg gegangen. Offenbar war meine Reaktion nicht die beste gewesen. Aber was hätte ich noch tun können? Er wollte nicht mit mir reden und dann war der Tag der Abreise schon da. Ich konnte nichts tun außer seine Entscheidung zu akzeptieren. In dem Jahr wo ich in Amerika war hatten wir dann kein Kontakt mehr. Plötzlich hatte er auch eine neue Nummer und ich konnte gar nichts mehr sehen. Nichtmal aktuelle Bilder. Schließlich habe ich Facebook und Instagram deinstalliert um nicht dauernd an ihn erinnert zu werden. Ich wollte das Jahr einfach Abstand. Deshalb habe ich so gut wie nichts mitbekommen. Und kaum als ich wieder da war überrannte mich eine Neuigkeit über die andere.“

Mitfühlend sah meine Mum an. “Das ist hart. Aber wenn er Abstand wollte konntest du natürlich nichts anderes tun als das zu akzeptieren. Und das mit den Sozialen Netzwerken ist sowieso ein Fluch. Es muss doch heutzutage möglich sein ohne auszukommen.“

“Es geht ja auch.“, entgegnete ich. “Nur verpasst du alles. Und das macht dich irgendwie zum Außenseiter.“

“Aber das hat nichts mit Dylan und dir zutun.“, wiedersprach sie mir. “Ein 'Gefällt mir' für seine Bilder auf Facebook hätte eure Freundschaft auch nicht wiederhergestellt.“

Ich dachte nach. Nein, vermutlich hätte es das nicht getan. Aber es hätte ihn irgendwo auf mich aufmerksam gemacht. Es hätte gezeigt das ich trotz etlicher Entfernung noch da war.

Nur hätte er das zu schätzen gewusst?

“Ich sah uns immer als Freunde. Und ich vermisse ihn. Als meinen besten Freund.“, murmelte ich nachdenklich.

Meine Mum sah mich tröstend an. “Du bist knapp zwei Wochen wieder hier, Schatz. Gib euch Zeit.“

“Mit meiner Aktion heute habe ich das vermutlich endgültig vermasselt.“, grinste ich gequält. “Aber ich bin selbst Schuld.“

“Sag niemals nie.“, meinte sie verschwörerisch und wandte sich wieder dem Abwasch zu.

Kopfschüttelnd ging ich auf mein Zimmer. Für heute wollte ich das Thema aus dem Kopf kriegen. Es war schließlich Freitag und es wurde Zeit das ich mich ablenkte.

Ich hatte da auch schon eine Idee.

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