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Eine Weile lang lag ich nur auf dem unebenen Zeltboden, die Hände auf dem Bauch ineinander gehakt, und blickte an die Decke, wie ich es so oft tat. Ich konnte nicht einschlafen. Ich hatte Angst, wieder zu träumen und ich hatte Angst, dass ich, sobald ich erst einmal schlief, wehrlos war. Curry hatte mir versprochen, er würde am Lagerfeuer sitzen und Wache halten und auf mich aufpassen, trotzdem trieb mich die Angst in den Wahnsinn.
"Curry?", fragte ich in die Stille, einfach um sicher zu gehen, dass meine Paranoia unbegründet war.
"Ja?" Er öffnete das Zelt mit einer Hand und sah mich durch die Öffnung hindurch an.
"Ich wollte nur.. alles okay.", sagte ich kopfschüttelnd und lächelte etwas, wobei ich die Augen endlich schloss. "Ich bin da, keine Sorge. Schlaf gut, Tobi"

Ich schleppe mich weiterhin durch den Wald und fühle mich, als hätte man mir einen ordentlichen Tritt in die Magengrube verpasst. Immernoch merke ich, dass ich nicht allein bin, dass der 'Geist' - wie ich ihn nennen muss, weil mir beim besten Willen kein besserer Name dafür einfällt - mich nach wie vor verfolgt und nicht von mir ablässt, als würde ich nicht schon genug leiden, als wäre ich nicht schon gestraft genug mit all der Reue und den Schuldgefühlen, die mich plagen. Ich habe das unangenehme Gefühl, angestarrt zu werden. Als würden mehrere Augen aus der Dunkelheit zu mir herunter stieren und sich schon die nächste Lektion für mich ausdenken. "Tobi.. Erik hat mir erzählt, du hast ihn nicht ausreden lassen.. Erik will mit dir sprechen.." Wieder drehe ich mich nach allen Seiten, sehe niemanden, letztendlich aber blicken mich tatsächlich zwei Augenpaare aus dem Dickicht der Bäume an. Die olivgrünen Augen Pans sehen mich immernoch vorwurfsvoll an, während die eisblauen von Erik Wut und Misstrauen zeigen. "Kaltblütiger Mörder.., uns alle hintergangen.., grauenvoller Mensch.., Liebe nicht verdient..!", knurrt er, seine Stimme scheint von überall zu kommen und bereitet mir eine Gänsehaut, ich zittere am ganzen Körper, suche nach Worten, um mich zu verteidigen, aber etwas besseres als: "Curry hat doch Pan und Valle getötet, nicht ich...!" fällt mir nicht ein. "Curry genauso.. Curry ist.. schlechterer Mensch... Curry.. lügen...!" Die Tatsache, dass Erik spricht, als könne er nur gebrochen Deutsch, interessiert mich eher weniger, mehr interessiert mich die Anschuldigung. "Curry.. was?" Er atmet laut, röchelt eher, wie ein langjähriger Kettenraucher und lacht etwas. "Du.. sehr naiv... Und sehr schlecht... gehörst nicht mehr auf diese Welt... komm zu uns.." Ich sehe ihn verwirrt an, reagiere nicht und gehe auch nicht auf sein Verlangen ein. "Komm zu uns Tobi.. wir warten auf dich.."

Die vermutlich erste Nacht in meinem Leben, die ich komplett mit schlafen verbracht habe, und dann soetwas. Aber aufwachen konnte ich auch nicht, ich konnte nicht sagen warum. Mein Schädel brummte, mir war etwas schwindelig, als ich die Augen aufschlug und mich umsah. Durch das dunkelblaue Material der Wände sah ich, dass die Sonne bereits recht hoch stand, weshalb ich beschloss, endlich das muffige Zelt zu verlassen. Ich zog den Reißverschluss auf und streckte den Kopf nach draußen in die laue Morgenluft, um erneut meine Umgebung zu mustern. Das Auto stand, wo es stehen sollte, abgeschlossen und all das Tra-Ra, das Feuer war erloschen, das einzige, was fehlte, war Curry. Ich wüsste keinen Grund, weshalb er hätte "kurz weggehen" sollen. Ich verließ das Zelt komplett, nicht, dass er vielleicht dahinter stand und ich sah ihn nicht. Aber so war es nicht. Er war nicht da.
"Mike? Mike?! CURRY?!", rief ich, meine Stimme hallte ein wenig nach, aber eine Antwort bekam ich nicht. Ich ging etwas auf die Feuerstelle zu, zuckte aber zurück, bevor ich ganz da war, da sich plötzlich eine blau-grüne Lichttafel vor mir erstreckte, die eine aufgenommene Nachricht anzeigte. Ich hätte platzen können, weil ich so verdammt dumm war zu schlafen. Seine Organisation arbeitete häufig mit Hologrammen, hatte er mir erzählt. Sie wussten, dass Curry meine Schwachstelle war und wenn sie ihn kriegen würden, würden sie auch mich kriegen. Warum auch immer sie mich nicht sofort aus dem Zelt gefischt hatten. Ich wusste Hologramme zu bedienen, ließ also die Nachricht abspielen.
Ein weiteres Fenster erschien, ich sah einen Mann, der Curry grinsend mit einer Hand am Kragen gepackt hatte und in der anderen ein Messer hielt, mit dem er ihn bedrohte. Curry wurde der Mund verbunden, ich ging davon aus, dass er auch gefesselt war. "Tobias, Tobias. Oder sollte ich eher sagen: Steve? Wie auch immer. Zwar warst du nicht da, als wir Kevin aufgespürt haben, aber ich bin mir sehr sicher, dass du nicht weit bist und diese Nachricht finden wirst. Tja, wie viel liegt dir an deinem 'Curry'? Ich halte dich für klug, wenn du wirklich so sehr an ihm hängst, dann würde ich mich beeilen wenn ich du wäre. Du hast sechs Stunden, sonst segnet dein geliebter Freund bald das Zeitliche." Er lachte; damit war das Video vorbei und das Hologramm verschwand. "Komm zu uns, Tobi.." Ich stolperte etwas zurück, brauchte einen kurzen Moment, in dem ich mich sammelte und alles in meinem Kopf sortierte: den Traum, die Nachricht, die Welle an Gefühlen und Gedanken in mir. Als ich mich gefangen hatte baute ich schnell alles ab und setzte mich ins Auto, entschlossen, meinen Freund so schnell wie möglich zu finden.

Kill or be killed / #currbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt