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Ich ließ den Motor an, fuhr aber nicht sofort los, sondern startete vorher mein Navigationssystem. Es versteht sich von selbst, dass es kein normales war. Ich konnte damit deutlich mehr anstellen als mit diesen normalen Dingern. Aber auch, wenn es eine Menge drauf hatte; mehr als die grobe Richtung von Spionquartieren konnte es mir nicht sagen. Aber besser dieser Hinweis als garnichts, zumal das schon ziemlich nützlich ist. Mir war mir sicher, dass das nicht einfach werden würde, denn Hauptquartiere sind meistens ziemlich gut getarnt und nicht einfach zu erreichen, ich hab schon die seltsamsten Orte dafür gesehen, beispielsweise einen ausgekühlten Vulkankrater oder - etwas klassischer, trotzdem noch seltsam - ein altes Schiffswrack irgendwo in den Tiefen eines beliebigen Meeres. Das hätte ich Currys Organisation sogar zugetraut, am besten ein Quartier etwas von Holland entfernt in der Nordsee oder gleich im Markermeer. Aber man konnte Curry soviel mit den Niederlanden in Verbindung bringen wie man wollte, im Endeffekt lebte er nicht dort und war immernoch deutscher, so gern ich Holland auf der Suche nach ihm auch gesehen hätte. Meine Güte, das alles verwirrte mich schon so sehr, dass ich seltsame Dinge dachte. Ignoriert meine wirren, komischen Gedanken einfach. Nachdem ich also in etwa die Richtung ausgemacht hatte fuhr ich los, hielt das Lenkrad fester umklammert als nötig, und war sichtlich nervös in Anbetracht der Zeit. Ich hatte noch etwa 5 Stunden und 37 Minuten. Eigentlich viel Zeit, könnte man meinen, aber dadurch, dass ich ihn ja nicht nur finden, sondern auch noch befreien musste, machte ich mir wahnsinnigen Druck.
Aus diesem Grund bretterte ich kurz darauf mit Nitro über die Autobahn, fuhr viel zu schnell und verursachte 3 Unfälle (in die ich dann aber nicht mit verwickelt war), hatte irgendwann kurz die Polizei am Hals, die ich allerdings recht bald los war, noch bevor mein Navi Geräusche machte, die darauf deuteten, dass ich mich meinem Zielort näherte. Ich nahm die nächste Raststättenausfahrt und parkte möglichst weit hinter dem Gebäude, insofern das nunmal möglich war. An sich war es ein ganz gewöhnlicher Rastplatz, ich möchte auf darauf wetten, dass Sanifare sich hier breit gemacht hatte und man sich auch noch schön zu Burger King hätte setzen können. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass ich hier richtig war. Ich hatte das Gefühl, näher bei Curry zu sein. Klingt komisch, aber tatsächlich spürte ich seine Anwesenheit irgendwie. Ich verließ mein Auto, schloss es ab und vergrub die Hände in den Taschen, während ich die Raststätte betrat. Es war sogar relativ viel los, umso unsicherer war ich, wo genau ich jetzt hinsollte. Curry hatte mir von Geheimcodes erzählt, die sie hier hatten, wenn man den Ort hier berücksichtigte ging ich von einer bestimmten Reihenfolge an Bestellungen aus. Die Frage ist: Welche Reihenfolge? Und welche Bestellung? Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, von den Regalen, die voll mit verschiedenen Süßigkeiten und Getränken waren, über die Theken mit den verschiedenen Kassen, die einerseits von der Raststätte selbst, einer Art Bäcker und Burger King waren. Besonders das Zeitungsregal an der Wand, hinter der die Toiletten sein sollten, fing meinen Blick ein, fesselte mich beinahe etwas und ich ging darauf zu, musterte die zahlreichen Cover der verschiedensten Zeitschriften. Haufenweise Klatschblätter, die sowieso jeder kannte, wie Bravo, Für Sie und der ganze andere Scheiß. Aber auch eine unbekannte war dabei, von der ich wirklich nie was gehört hatte und bei der ich auch bezweifelte, dass es sie überall gab. Eine Zeitung namens 'Innocent' hatte ich nämlich noch nie gesehen. Dann sah ich auf meine Uhr, um festzustellen, dass mir noch zwei Stunden blieben. Ich drehte den Kopf über die linke Schulter nach hinten, um sicherzugehen, dass mich niemand ansah, und nahm dann die Zeitung aus dem Regal. Als nichts passierte blätterte ich darin, bis eine Seite offen war, in der ich mich auf eine seltsame Weise spiegelte. Mir war, als würde es mich abscannen und jeden Millimeter meines Gesichtes analysieren. Sobald es damit fertig zu sein schien zeigte es mir das Männerklo von oben, wo eine bestimmte Kabine markiert war. Also rein ins Scheißhaus. Wundervoll, wie ich Raststättenklos liebte. Ich steckte die 'Innocent' ins Regal zurück und bog um die Ecke zu den Toiletten, kletterte - als niemand hinsah - über den Kindereingang und verzog mich. Die Kabine brauchte ich ja nicht allzu lange zu suchen, allerdings stellte ich fest, dass 'Nur für Personal' an der Tür stand. Hatte ich noch nie so gesehen wenn ich ehrlich bin, aber juckt nicht, ich ging einfach hinein. So garnicht überraschend war die Tatsache, dass sich dahinter kein Klo, sondern eine Tür befand, die sich öffnete, als auch sie mich noch einmal kurz scannte. Sie schienen mich ja zu erwarten. Ich trat hinein, sie fiel hinter mir wieder mit einem Klacken ins Schloss, dann befand ich mich in etwas, was ich mal nur als Labyrinth aus Metall bezeichne, weil es im Prinzip nichts anderes war. Ich durchlief die Gänge, überrascht darüber, dass niemand hier zu sein schien, irrte umher, fand nichts und niemanden, hatte aber dafür den Eindruck im Kreis zu laufen. Bis mir irgendwann die offensichtlich größte Tür ins Auge fiel. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass sie sich gut auf mich vorbereitet hatten und es nur trügen sollte, dass der Weg hier her so einfach war. Ich zog und drückte an der Tür, um sie zu öffnen - vergebens. Ich wollte schon zu härteren Maßnahmen greifen, als ich ein dumpfes Klacken hörte.

Kill or be killed / #currbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt