Abstand

547 13 2
                                    

In den nächsten Tagen ging ich Derek so gut wie möglich aus dem Weg.
Ich stand morgens früher auf (obwohl ich es hasste) um nicht mit ihm gehen zu müssen. Ich ignorierte ihn in jeglicher Hinsicht. Sobald er in unserem Zimmer war, zog ich die Trennwand ein und ignorierte sein Klopfen.
Am Küchentisch vermied ich jeglichen Blickkontakt.
Obwohl es mir seelische Schmerzen bereitete, war es besser so.

Er sollte bloß nicht auf dumme Gedanken kommen.
Derek sollte Mila bloß treu bleiben.
Ich war auch anders drauf.
Ich hing meinen Gedanken länger als nötig nach, mir kamen manchmal die Tränen und ich war oft nicht bei der Sache.
Nicht zu schweigen von dem dicken Kloß, der mir manchmal die Luft abdrückte...

Natürlich merkten meine Freunde, dass was nicht stimmte.
Doch ich wollte nicht darüber reden.
Ich tat das alles nur für Mila. Da sie nett war und ich mich auch verarscht gefühlt hätte, wenn mein Freund was mit einer (für sie ja) kleinen 14 - jährigen anfing.

Es war Donnerstag.
Meine Mädchen waren allesamt auf Theaterfahrt, also war ich alleine.
Ich saß da und dachte nach.
Das tat ich in letzter Zeit viel zu häufig.
Ich spürte einen Blick auf mir. Es war nicht irgendein Blick, sondern Dereks Blick.
Er guckte mich, seit ich ihn ignorierte, oft an.
Doch das ignorierte ich natürlich auch.

Dann sah ich Lukas. Er kam auf mich zu und grinste.
Auch mir entlockte sein Anblick sofort ein Lächeln und ich fühlte mich nicht mehr ganz so mies.
"Na, was macht meine kleine Prinzessin?" begrüßte er mich und ich fiel ihm sofort in die Arme.
Er lachte und drückte mich stark.
Als ich ihn los ließ, sah ich aus dem Augenwinkel, das Derek seine Hände zu Fäusten geballt hatte.

"Was macht ein so hübsches Mädchen wie du denn alleine?"
Er wackelte mit den Augenbrauen.
Ich lachte und gab ihm einen Schubs vor die Brust.
Lukas grinste, doch sah mich dann ernst an.
"Aber jetzt mal wirklich!"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Meine Freunde sind alle auf Theaterfahrt."
Lukas lächelte und erst jetzt fiel mir auf, wie süß er dabei aussah.

"Was für ein Zufall, Süße - meine sind nämlich auch alle auf Theaterfahrt."
Ich sah ihn an.
"Cool - dann muss ich die Pause ja doch nicht alleine verbringen!"
Lukas setzte sich neben mich auf die Bank.
"Na ja. Ich glaube früher oder später wäre Derek zu dir gekommen und-"
"Nein." Ich schüttelte den Kopf.

Dann sah ich zu Derek.
Er hatte sich gerade zu Mila gebeugt und sie küssten sich.
Oder besser gesagt - SIE küsste IHN, denn er erwiederte den Kuss kaum.
Ich sah weg.
Ich spürte seinen Blick auf mir.
"Ach, sei nicht traurig, Prinzessin. Das mit euch wird schon wieder."

Lukas lächelte mich lieb von der Seite an.
Ich schluckte.
"Das ist lieb von dir, Lukas. Aber nein. Und das ist auch gut so."
"Hmm. Sieht mir aber gar nicht nach 'gut so' aus." erwiederte Lukas.
Ich schluckte erneut.
"Lass uns bitte über etwas anderes reden, ja?"
Er legte einen Arm um mich.
"Okay. Was hast du heute vor?"

Ich zuckte mit den Schultern.
"Nichts besonderes, schätze ich. Du?"
"Auch nicht. Obwohl - jetzt schon! Wollen wir uns dann heute nicht treffen?"
Die Idee zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht.
"Das ist eine gute Idee. Bei dir oder bei mir?"
Lukas lächelte.
"Weder noch - lass dich überraschen! Wir treffen uns vor deinem Haus. Mein großer Bruder fährt uns hin."
Ich lächelte.
"Gut. Ich freue mich!"
"Ich auch!"
Er grinste geheimnisvoll.

Am Abend um (wie versprochen) Punkt 8 Uhr, klingelte es an der Tür.
Ich kam die Treppe runter gerannt.
Ich hatte meine Haare zu einem (es hatte echt lange gedauert) Fischgrätenzopf zusammen geflochten.
Ich hatte ein grün gepunktetes Kleid an. Kein Ausschnitt - keine Spitze, keine tollen Highlights.
Wir gingen ja nicht auf eine Party oder so!
Ich war ein bisschen nervös, da ich nicht genau wusste, ob man unser Treffen jetzt als Date beschreiben konnte, oder nicht.
Ach Quatsch! Interpretiere nicht immer so viel in alles rein, riet ich mir selbst.

Vor der Tür stand Lukas in einem weißen Button Down Hemd und einer grauen, verwaschenen Jeans.
"Hey, Prinzessin", lächelte er.
Ich fand es nicht schlimn, dass er mir Spitznamen wie 'Prinzessin' oder 'Süße' gab, sondern echt süß.
Ich umarmte ihn sofort.
Er lachte und erwiederte die Umarmung.
Dann ließ er mich los.

Sein großer Bruder war schon 20 und ich fand es ziemlich nett von ihn, uns zu fahren.
Schließlich hatte er sicher bessereres zu tun und außerdem war es ja auch sein Auto.
Er fuhr uns vor ein Haus, in dem eine wilde Party tobte.
Zuerst war ich überrascht, dann freute ich mich.
Ich musste schließlich auch mal ein bisschen mehr Spaß haben und außerdem war es eine gute Ablenkung von den tristen Derek Gedanken.

Ich strahlte Lukas an und er lächelte.
Wir stiegen aus.
Ich bedankte mich nur kurz bei seinem Bruder, denn dann zog Lukas mich auch schon mit.
Drinnen herschte ein Riesen Trubel und wir hatten Glück, an der kleinen Bar jeder noch ein Glas Cola zu bekommen.
"Okay", lachte Lukas.
"Das so viel los ist, hätte ich nicht gedacht. Aber Tyler musste bei seinem 18. B'day eben eine Riesen Party machen!"

"Wer ist Tyler?" Ich legte den Kopf schief.
"Ein Freund von mir. Komm, setz dich." Er zog den einen Stuhl zurück, der noch übrig war.
Ich lächelte ihn dankbar an und setzte mich.
Gerade, als ich etwas sagen wollte, kam ein schwarzhaariger Junge (ja, er sah gut aus) auf uns zu.

Seine grünen Augen funkelten, als er mich sah.
"Ah, Lukas. Auch hier - und mit so hübscher Begleitung!"
"Hey, Mason - Lieblingsarschloch." grinste Lukas und schüttelte den Kopf.
"Lass aber die Finger von Liv - sie ist erst 14!"
"Wow, ich habe gedacht sie ist älter!" Er zwinkerte mir zu.
Ich ignorierte ihn getrost.

Und dann sah ich ihn.
Derek.
Und Mila.
Sie stand neben ihm, hatte seine Finger mit seinen verschränkt und lachte gerade über irgendwas, das ihre Freundin zu ihr gesagt hatte.

Ich schluckte und sah Derek an.
Und verdammt.
Er sah heute noch besser aus, als sowieso schon.
Er sah mich an und ich schaute weg.
"Lukas, Derek und Mila sind da!" murmelte ich ihm zu.
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich wusste nicht, dass sie auch hier sind, aber ergibt Sinn. Tyler ist einer der besten Freunde von Derek. Ignorier sie doch einfach!"
Ich schluckte und merkte wie Tränen sich in meinen Augen sammelten.
Verdammter Mist!
Ich musste so schnell wie möglich weg hier.

"Ist okay, wenn ich gehe, Lukas Lieblingsarschloch? Ich habe da hinten ein paar heiße Bräute gesehen und die will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!" erklärte Mason.
Lukas nickte.
"Ja, mach nur - solange du Liv in Ruhe lässt."
"Schon gut, ich lass dir dein Mädchen!" grinste Mason und zwinkerte mir zu.
Dann ging er weg.
Ich kämpfte mit den Tränen.
Nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen!, befahl ich mir immer wieder.
Lukas legte einen Arm um mich.
"Tanzt du mit mir, Prinzessin?"
"Hmm", machte ich, was er als 'ja' wertete und mich an sich zog.
Dann bewegte er sich ruhig zum Beat der Musik.
Ich schluckte die Tränen runter.
Ich sollte Derek wirklich nicht so viel Macht über mich geben!

Not Your BaeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt