Der Montagmorgen verlief schrecklich. In der Schule wurde ich ununterbrochen angestarrt und ich konnte nirgendwo vorbeilaufen, ohne dass Schüler die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Überall galt ich als die Freundin von dem verschwundenen Mädchen und ich hatte bereits die Schlimmsten Szenarien gehört. Von Vergewaltigung über Drogenmissbrauch bis hin zu Mord. Mir reichte es langsam.
„Vielleicht wurde sie ja von einem afrikanischen Zuhälter geschnappt und verschleppt", hörte ich jemanden in Kunst sagen. Die zwei Mädchen saßen direkt hinter mir. Natürlich mussten Liz Lorencs und Hanna Benson ihren Senf dazugeben. Das taten sie immer. Umso schlimmer die Situation war, umso mehr freuten sie sich. „So, wie ich Rosalie kenne, ist sie vielleicht auch freiwillig mitgekommen, wenn er ihr eine Zukunft, als Star versprochen hat." Beide lachten leise.
Irgendwann konnte ich es mir nicht mehr anhören. Beinahe hätte ich den Tisch umgeworfen, so hastig sprang ich auf und stürmte aus dem Klassenzimmer, deren schallendes Gelächter immer noch in meinen Ohren. Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Spinde in dem langen Flur.
Wann würde dieser Albtraum endlich enden? Das konnte doch nicht real sein. Das durfte es nicht. Ein Schluchzen durchschüttelte mich und ich wischte hastig meine Tränen weg. Versuchte mir vorzustellen, wie Rosalie neben mir stand, sachte auf meine Schulter klopfte und über die beiden Miststücke herzog. Die Tür zu meinem Klassenzimmer ging auf und Noah schaute sich suchend um. Als er mich entdecke, zögerte er nicht, überwand den Abstand zwischen uns mit großen Schritten und nahm mich in den Arm. Ich erwiderte seine Umarmung zögerlich, doch das veranlasste ihn nur, mich fester an sich zu drücken. „Ich habe solche Angst um sie", flüsterte ich gegen seine Schulter. „Ich weiß. Ich auch, Iva."
„Sie fehlt mir so schrecklich. Alles ist anders seit sie weg ist."
Noah ließ von mir ab und wechselte mit seinen Rehaugen zwischen meinen, seine schmalen Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. „Alles wird gut. Sie wird zurückkommen, wir dürfen nur nicht aufhören zu hoffen", redete er auf mich ein, aber es klang eher, als müsse er sich selbst überzeugen. „Ich hoffe du hast Recht, Noah", sagte ich leise und lehnte mich wieder gegen seine Schulter. Als es plötzlich klingelte, sprangen wie aufgeschreckt auseinander. Unsere Schule war eine brodelnde Gerüchteküche. Wenn nur gesehen wurde, wie sich zwei länger als zwei Minuten unterhielten wurde ihnen eine Affäre nachgesagt und so war man schneller eine Schlampe, als dass man bis drei Zählen konnte. Ich warf Noah ein tapferes Lächeln zu, dann eilte ich zurück in die Klasse und holte meinen Rucksack.
Hanna und Liz kamen mir gerade entgegen und grinsten mich hämisch an. „Musste die kleine Ivi ein wenig Trost auf der Toilette suchen, weil sie sonst keine Freunde hat, wenn ihre Anführerin anschaffen ist", höhnte Hanna und ich erstarrte. Langsam drehte ich mich um und funkelte sie an. Ihre blonden Locken wippten, als sie schallend loslachte.
„Wie könnt ihr nur so etwas sagen?", zischte ich. Nicht der beste Comeback, aber immerhin. Ich verteidigte mich einmal oder besser gesagt, ich verteidigte Rose, wenn sie sich nicht selbst verteidigen konnte. „Wie wir so etwas sagen können? Ganz einfach wir bewegen unsere Lippen. Im Gegensatz zu dir können wir das. Und deine Freundin ganz sicher auch, aber wie ich sie kenne nicht nur zum Reden."
Ich wusste nicht, wie ich dazu kam so etwas zu tun, aber ohne richtig nachzudenken schlug ich Hanna mit zusammengeballter Hand mitten ins Gesicht. Geschockt taumelte sie zu Boden und blieb mit einer Hand vor ihrer Nase liegen.
„Sag mal, bist du irre?", kreischte Liz und beugte sich zu ihrer Freundin. Mr Laden, der am anderen Ende an seinem Schreibtisch gehockt und von all dem nichts mitbekommen hatte, war aufgesprungen und hechtete zu uns.
Ich selbst hielt mir die Hand vor den Mund und konnte mich nicht bewegen. „Iva, was fällt dir ein?", fragte mein Lehrer geschockt und entfernte Hannas Hand von ihrer Nase. Sie blutete. Und das ziemlich stark.
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Come find me
Novela JuvenilEs ist angsterregend, wie schnell sich Zeiten ändern, nicht wahr? Vor gefühlt ein paar Wochen war man noch 13 und glaubte an Wunder und dann wurde man 17 und glaubte an gar nichts mehr. Es ist der 3. September, an dem Rosalie Thompson verschwindet...