Kapitel 1.

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Es ist angsterregend, wie schnell sich Zeiten ändern, nicht wahr? Vor gefühlt ein paar Wochen war man noch 13 und glaubte an Wunder und dann wurde man 17 und glaubte an gar nichts mehr. 
Letztendlich sind wir doch alle nur traurige Teenager, die versuchen die Realität zu ertränken, indem sie sich Kopfhörer in die Ohren stecken und die Welt ignorieren.


Es war einer dieser düsteren Montagmorgen, die einem den Weg zur Schule durch kalten Herbstwind noch erschwerten. Dicke Nebelschwarten waberten um mich herum, während ich müde auf die Bahn wartete. Ich schätze, dass ich für jeden spreche, wenn ich behaupte, dass Montagmorgen der kalte Eimer Wasser ist, den man manchmal in den Feriencamps über den Kopf geschüttet bekommt, wenn man nicht rechtzeitig aufsteht. 
Es war noch recht düster, wie gewohnt um sieben Uhr morgens im September und ich stand erleichtert auf, als endlich die Bahn eintrudelte. Ich wartete, bis der Zug vollkommen stand und betätigte dann den Knopf der Tür des letzten Waggons. Rose und ich trafen uns dort immer, damit sie mich fand (ich stieg eine Station später ein).
Rosalie Thompson war meine beste Freundin, seit ich denken konnte. Wir erinnerten uns nicht mehr daran, wie wir uns kenngelernt hatten. Wir waren plötzlich einfach Freunde gewesen und sind es bis heute geblieben. 
Zögernd hielt ich Ausschau nach ihr, aber ich erkannte nirgendwo ihren blonden Haarschopf. Nachdem ich das Abteil einmal abgelaufen bin, setzte ich mich schließlich auf einen der leeren Plätze, neben einer alten, kleinen Frau, die im Schneckentempo ihre hässliche Krokodiltasche vom Sitz nahm und zückte mein Handy, um Rosalie zu schreiben.

‚Wo bist du? Wir müssen weiterplanen!'

Wir arbeiteten schon seit mindestens zwei Wochen an dem perfekten Trip, den wir machen würden, sobald wir 18 werden. Zwar war das für uns beide noch zwei Jahre hin, aber Rose liebte es Pläne zu schmieden und konnte nie früh genug damit anfangen. Jeden Tag auf dem Hinweg zur Schule gingen wir die Orte durch, an die wir reisen wollten und suchten das Preisleistungsverhältis heraus. Es war wie jeden Montag derselbe Plan: Ich stieg zu Rose in die Bahn, wir würden uns unserer Reise widmen und anschließend an dem Bahnhof bei McDonalds einen Kaffee holen. Eigentlich schmecken diese schrecklich, aber wir kippten meistens soviel Zucker rein, dass es trinkbar wurde und mit der Zeit war das eine unserer vielen Tradition geworden. 
Aber an diesem Morgen tauchte Rosalie nicht auf und das war ungewöhnlich. Normalweise schrieb sie mir jedes kleinste Detail, wenn wir nicht zusammen waren. Jedoch hatten wir noch gar keinen Kontakt gehabt. Ein paar Mitschüler stiegen dazu und ich stöpselte mir rasch meine Kopfhörer ins Ohr, damit sie mich nicht ansprachen. Rosie war der offenen Mensch von uns beiden, nicht ich. Ich war nur eines dieser unscheinbaren Mädchen, mit schütternem, braunen Haar, dass keine richtige Farbe und Form hatte. Rose war die Beliebe von uns beiden. Ich hatte nur noch andere Freunde außer ihr, weil Rose regelmäßig mit Klassenkameraden etwas unternahm und mich mitschleppte. Wäre sie nicht da, würden mich sicher die Meisten ignorieren. Aber um ehrlich zu sein brauchte ich das nicht. Ich mochte meine Privatsphäre und ich mochte es mit Rosie mir meine eigene kleine Welt aufzubauen. Auch, wenn sie mir ständig einredete, dass ich offener sein sollte und hübsch genug für Luke sei ( ein Junge eine Klasse über uns, mit dem sie mich seit einem Jahr verkuppeln wollte), hielt ich mich immer lieber zurück, wenn sie auf Partys mit Jungs tanzte oder sie mich dazu überreden wollte im Schultheaterstück mitzuspielen. 
„Aber wir tun doch alles zusammen!", hatte sie dann immer gemault und ich nur den Kopf geschüttelt. „Ich werde zugucken und dich bejubeln."

Nach 15 Minuten kam der Zug zum Stehen und Menschenmassen strömten auf den Bahnhof und in die Bahnuntergänge. Ich ließ mich von ihnen mitreißen. Am McDonalds lief ich vorbei und somit direkt an die Bushaltestelle, wo ich gleich in die 34 Einstieg, die mich zu meiner Schule bringen würde. Ich wollte keinen Kaffee trinken ohne meine beste Freundin.

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