Kapitel 4.

311 35 2
                                        

Ein Haken erschien dahinter, der zweite jedoch tauchte nicht auf.

Ich war gerade dabei, den letzen Satz für meine Englischberichtigung zu schreiben, als mein Handy vibrierte. Die Nachricht war tatsächlich von Noah.

Wir hatten, bevor Rose verschwand, nie Nachrichten ausgetauscht, außer, wenn er fragte, wo sie sei oder ob in der Schule etwas ausfallen würde, denn Rosalie hatte von so etwas prinzipiell keine Ahnung.

„Willst du dich für das Bioprojekt zusammentun? Rosalie war eigentlich meine Partnerin und ich weiß, dass du alleine machst, aber ich denke nicht, dass ich das ohne Hilfe hinbekomme."

„Ja natürlich. Wann treffen wir uns?", antwortete ich und sah zu, wie die Worte ‚Online' zu ‚schreibt' wechselten.

„Wäre jetzt in Ordnung? Ich sitze gerade dran. Ich kann zu dir kommen."

Ich begann an meinem Daumennagel zu kauen und blickte zur Tür. Ich konnte meine Mutter im Nebenraum telefonieren hören.


„Meine Mutter arbeitet heute von zu Hause. Bei dir ist besser, denke ich. Ich will nicht, dass sie etwas Komisches denkt."

„Natürlich. Ich hole dich ab."

„Das musst du nicht, ich bekomme sicher das Auto."

Doch er las meine Nachrichten nicht mehr und war bereits offline.

Seufzend packte ich meine Biologiesachen in meinen Rucksack und schaltete meine Schreibtischlampe aus. Draußen war es bereits dunkel, obwohl es erst 18 Uhr war, aber das war ja nicht gerade untypisch für September.

„Mom, ich gehe noch einmal kurz weg", rief ich durch den Flur, bevor ich die Treppen hinabpolterte. Ich wartete auf eine Antwort, bekam aber keine, also zog ich mir meine Jacke über und verließ das Haus.

Ich musste keine fünf Minuten warten, bis Noahs alter Jeep vor meinem Vorgarten hielt und ich mich auf den Beifahrersitz fallen ließ.

„Hi", begrüßte ich ihn schüchtern und starrte auf meine Hände. 
„Hi."

Er fuhr los und endlich traute ich mich, ihn anzusehen. Sein Blick war konzentriert auf die Straße gerichtet und die an uns vorbeiflatternden Laternen setzten seine Gesichtszüge abwechselnd in ein anderes Licht.

Es war ungewohnt mit ihm alleine zu sein. Normalerweise war Rosalie dabei und alberte herum oder brabbelte uns das Ohr ab. Ohne sie war es gespenstisch still.

„Sie ist überall in den Nachrichten", sagte Noah plötzlich und schluckte. „Ja, ich weiß."

„Ihre Eltern rufen täglich bei mir an, ich weiß nicht mehr, wie ich so noch beruhigen soll. Ich glaube, sie denken langsam, dass ich damit etwas zu tun habe." 
Seine Stimme war leise und auch, wenn es wirkte, als wollte er nicht darüber reden, tat es doch gut, jemanden zu haben, der einen nicht mitleidig ansah.

„Aber das hast du doch nicht oder?", hakte ich leise nach. Ein bisschen grober als gemusst, hielt er den Jeep in seiner Auffahrt und zog die Handbremse, dann sah er mich an.

„Natürlich nicht! Erstens hätte ich niemals zugelassen, dass sie alleine irgendwo abhaut und wenn, wäre ich mit ihr gekommen."

Wir stiegen aus und er schloss die Tür auf. Das Gespräch war damit beendet. Sein Haus war klein, aber gemütlich. Seine Mutter hatte eindeutig einen Putzfummeln, denn ich konnte, während ich meine Jacke aufhängte, nirgendwo auch nur einen Krümmel Schmutz entdecken. Ich folgte Noah schweigend in sein Zimmer, wo er das Licht anschaltete und einen weiteren Stuhl an seinen Schreibtisch zog. Ich hatte ihn noch nie zuvor besucht, weswegen ich mich interessiert umsah. Für das Haus war sein Zimmer recht groß. Vor dem Fenster stand ein Doppelbett mit einem Nachtisch daneben. Darauf ein Foto von ihm und Rose. Ich erinnerte mich, dass sie ihm das dieses Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie hatte mich noch um meine Meinung gefragt, welches Bild sie nehmen sollte.

Come find meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt